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Glaube, Wille, Mut waren für den Titel noch nicht genug

Aber eine Basis. Und ein Auftrag an die Verantwortlichen. Rapids Sehnsucht ist groß, der Weg noch länger. Ein Spiel allein ist nicht der Gradmesser. Kommentar:

Glaube, Wille, Mut waren für den Titel noch nicht genug Foto: © GEPA

Eine große Hoffnung hatte sich in Wien-Hütteldorf festgesetzt.

Selten gewordene Hoffnung. Auf ein Ende der Titel-Durststrecke. 15 Jahre seit dem letzten Meistertitel für Rapid, 28 Jahre seit dem letzten Cup-Erfolg. Und diese Wartezeiten werden nun doch weiter anwachsen.

Die letzten Wochen haben aufgezeigt, wie groß die Sehnsucht bei der größten Anhängerschaft in Österreich - und auch dem Verein selbst - mittlerweile ist. Gleichzeitig, wie stark das historisch begründete Selbstverständnis als titelfähiger Klub in den letzten Jahren schon leiden musste.

Denn das Brennen auf die Chance war neben aller Vorfreude schon lange vor dem Halbfinale überdeutlich ausgeprägt. Mit dem Aus von Salzburg wurde ein "jetzt oder nie" geweckt, nachdem die "Bullen" den Traum in den letzten sechs Jahren schon zweimal erst in Klagenfurt platzen ließen.

Es war zu merken, wie wichtig die Chance gewesen wäre, um das Gefühl dieses Selbstverständnisses wieder aufleben zu lassen. Wenn auch nur für einen kurzen Moment. Rapid wollte diesen Titel. Rapid hätte diesen Titel für sich gebraucht.

Auch Sturm wollte

Stattdessen brach am letzten Schritt zum Gipfel der Stein unter dem Schuh weg. Jetzt herrscht ein paar Tage Leere. Analog zu der Bedeutung, die diesem Spiel beigemessen wurde, womöglich in einem größeren Maß als sonst. Und verlorene Finali sind nie ein Spaß.

Nüchtern betrachtet haben die Dinge sportlich einen Lauf genommen, wie ihn die Vorzeichen erwarten ließen. Mit Sturm Graz wähnten die Rapid-Fans einen schlagbaren Gegner auf der anderen Seite, den drei Niederlagen allein in dieser Saison und der Rolle der Steirer als Liga-Herausforderer Salzburgs zum Trotz. In einem Spiel kann eben viel passieren. 

Letzten Endes passierte das, was zuletzt immer passierte. Rapid war nicht ohne Chance, dem Spiel seine Richtung aufzudrücken. Siegreich blieben die Grazer, denen aktuell mehr Qualität zuzurechnen ist. Meistens ist es nämlich das, was auch in einem einzelnen Spiel öfter geschieht.

Der Glaube an eine Chance und der Wille sind wichtige Bestandteile eines Erfolges, die Gegenseite kann aber genauso darüber verfügen. Auch auf Seiten der Anhängerschaft, die bei Sturm einen großen Trumpf Rapids in Klagenfurt mindestens egalisierte.

Ein Titel ist toll - dauerhaft oben mitspielen ist der Punkt

Aber genauso, wie ein Cup-Titel nicht mehr als ein Zwischenziel auf einem deutlich länger währenden Weg gewesen wäre, muss diese Niederlage kein nachhallender Bauchfleck sein. Sie ist eine weitere Momentaufnahme. Der Gegner heißt nicht mehr nur Salzburg.

Die alte Fußball-Weisheit, wonach der Cup andere Gesetze hat, lässt sich in vielen Aspekten finden. Auch darin, dass der Weg zu einem Titel verhältnismäßig kurz ist.

Die besten Bilder der Sturm- und Rapid-Fans aus Klagenfurt

Und so schön die Momentaufnahme aus Sicht Rapids gewesen wäre - eine fixe Europacup-Gruppenphase inklusive - ist nur eine nachhaltige sportliche Entwicklung der Schlüssel zum Selbstverständnis, das Rapid so gerne spüren will.

Für diese Entwicklung wäre jetzt einmal wichtig, dass die Enttäuschung die nächsten Wochen nicht überlagert. Hier wird bereits der Grundstein für die kommende Saison gelegt.

Jeder einzelne Punkt in der Bundesliga kann enorme Bedeutung haben, denn die Auswirkungen auf den Europacup-Start im Sommer sind zwischen den möglichen Plätzen in der Abschlusstabelle groß (so wirkt sich Sturms Cup-Sieg auf die EC-Startplätze aus>>>).

Ein Cup-Titel hätte auch in dieser Hinsicht mit einer fixen Gruppenphase viel Planungssicherheit geschenkt, aber diese Tür ist nun zu. Die nächste darf nicht gleich mit zufliegen.

Es kommt ein spannender Sommer

Das Gute aus einer Niederlage zu ziehen, ist für Sportler im Moment der großen Niederlage nur eine tröstende Floskel. Vielmehr könnten im Falle Rapids die Hoffnungen der letzten Wochen auch als ein Auftrag verstanden werden.

Der Aufholbedarf im sportlichen Bereich ist gegeben. Nicht mehr nur gegenüber Salzburg.

An welchen Stellschrauben genau gedreht werden muss - daran scheiden sich die Geister, es soll hier auch nicht im Fokus stehen. Der neue Vereinsvorstand ist ebenso wie ein großer Teil der sportlich Verantwortlichen sehr frisch im Amt, alle haben ihre Vorstellungen.

Die Zeit, den Output wirklich eklatant zu prägen, war noch nicht da. So gibt es auch keinen Grund, irgendjemanden in seiner jetzigen Funktion schon in Zweifel zu ziehen. Mit dem ersten Sommer nähert man sich aber rasend schnell einer wichtigen Weiche.

Die Sehnsucht will gestillt werden

Und alle im Verein und um ihn herum haben nun auch direkt gespürt, was bei Rapid mit sportlichen Erfolgen alles möglich ist. Bei Grün-Weiß mobilisiert allein die Hoffnung darauf, einen Titel zu holen, große Kräfte und viele Menschen. Am Ende würde sich womöglich eine positive Spirale in Bewegung setzen.

Dafür ist jetzt noch klarer als vorher: Nach Jahren der richtigen und wichtigen Investitionen in das Umfeld - Stichwort "Steine statt Beine" - muss der volle Fokus auf den sportlichen Erfolg gelegt werden. Ob sich der nur in Titeln ausdrücken lässt? Die Voraussetzungen sind schwer genug.

Aber es hängt letzten Endes in beide Richtungen zu viel am Output. Die Geduld der letzten Jahre hat die Sehnsucht ins Unermessliche ausgedehnt. Geduld endet irgendwann. Dieser Punkt scheint noch nicht endgültig da. Das ist die gute Nachricht, die diese letzten Wochen brachten.

Was Sturm kann, muss Rapid auch können

Die schlechte ist, dass am Tag der Arbeit der neidvolle und gleichzeitig anerkennende Blick auf den Grazer Hauptplatz gerichtet ist. Aber was Sturm vorgemacht hat, kann genauso als Hoffnungsschimmer gelten.

Denn mehr Mittel als Rapid haben die Grazer nicht. Ganz im Gegenteil war die aktuelle Nummer zwei des österreichischen Fußballs vor nicht so langer Zeit in einer sportlich schwierigen Phase gefangen, ehe ein beeindruckender Turnaround gelang.

Es gibt keinen Grund, die Basis für solche Entwicklungen nicht auch im Westen Wiens zu verorten. Dass diese tatsächlich eintreten - noch dazu in einem zeitlich adäquaten Rahmen - ist aber keine Selbstverständlichkeit.

Ob Schritte in die richtige Richtung gelingen, wird eine spannende Frage für die nächsten Monate. Ein Cup-Sieg hätte an dieser Frage ad hoc jedenfalls nicht viel geändert. Das Selbstverständnis hängt sich eben nicht an einer Momentaufnahme und an einem einzigen Erfolg auf.

Vielleicht ist sein Noch-Ausbleiben sogar die größere Motivation.

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