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Kavlak: "Ich dachte, dass gar nichts mehr geht"

Eine Verletzung ließ ihn verzweifeln. Veli Kavlaks irre Leidensgeschichte:

Kavlak:

Über drei Jahre schlug sich Veli Kavlak mit Schulter-Schmerzen herum.

Zwei Operationen brachten keine Verbesserung, mehrere Therapien blieben wirkungslos.

Zwischenzeitlich hatte der ÖFB-Legionär sogar das Ende seiner Karriere vor den Augen: „Ich dachte echt kurz, dass alles kaputt ist und ich mich damit abfinden muss, dass gar nichts mehr geht. Gottseidank sah ich dann aber das Licht am Ende des Tunnels“, erzählt der 27-Jährige im LAOLA1-Interview.

Eine zufällige Begegnung mit dem Arzt der türkischen Nationalmannschaft half dem Besiktas-Mittelfeldspieler weiter. Mittlerweile feierte er seine Rückkehr auf den Fußballplatz. Zwei Mal war er im Dezember für die schwarzen Adler im Pokal im Einsatz. Dabei verbuchte er sogar einen Assist.

In der zweiten Saisonhälfte will der 31-fache Nationalspieler mit dem Süper-Lig-Tabellenführer wieder voll angreifen. So soll sich auch sein Traum von einer EURO-Teilnahme erfüllen. Denn das zweite Mal nach 2008 eine EM zu verpassen, wäre für Kavlak sehr bitter. Der Ex-Rapidler im Interview:

LAOLA1: Die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es deiner Schulter?

Veli Kavlak: Es wird immer besser. Völlig schmerzfrei bin ich noch nicht, aber ich kann jetzt schon spielen. Wenn es sich so weiterentwickelt, werde ich bald gar nichts mehr spüren. In der zweiten Saisonhälfte will ich wieder voll angreifen.

LAOLA1: Es heißt, du hättest aufgrund der Schulterschmerzen nicht einmal deinen Kühlschrank öffnen können.

Kavlak: Ja. Ich habe mir keine Hose, keine Schuhe, keine Socken anziehen können. Nicht einmal Zähne putzen war möglich. Das ging fast eineinhalb Jahre so. Ich musste einen Schlussstrich ziehen. Ich wollte erst wieder spielen, wenn ich keine argen Schmerzen mehr habe.

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LAOLA1: Seit wann hast du diese Verletzung mit dir herumgschleppt?

Kavlak: Alles begann im Sommer 2012 beim Nationalteam. Im Spiel gegen Rumänien habe ich zum ersten Mal die Schmerzen gespürt. Danach habe ich einige MRTs (Magnetresonanztomographie, Anm.) machen lassen, doch man hat nie etwas gesehen. Trotzdem ist der Schmerz schlimmer geworden. Nach der Saison habe ich eine Therapie bei Mike Steverding (Physiotherapeut der Nationalmannschaft) gemacht. Auch die hat mir nicht weitergeholfen.

LAOLA1: Wann hast du herausgefunden, was mit deiner Schulter nicht stimmt?

Kavlak: Erst im Sommer 2014. Die davorliegende Saison habe ich unter Schmerzen zu Ende gespielt. Ein Arzt in Istanbul hat ein MRT mit einem Kontrastmittel gemacht. Danach war ich erleichtert, denn man hat gesehen, dass die Sehne komplett durchgerissen ist. Er hat gesagt, ich muss sofort operiert werden. Da war ich natürlich extrem glücklich, endlich zu wissen, was es ist. Also ließ ich mich in Deutschland bei einem Schulterspezialisten operieren. Ich habe geglaubt, jetzt ist es bald vorbei, aber es ist alles noch schlimmer geworden.

LAOLA1: Was war das Problem?

Kavlak: Nach der Operation ging es mir kurzfristig besser, aber der Schmerz ging nie ganz weg. Später kamen die Bewegungseinschränkungen hinzu. Nach dem Derby gegen Fenerbahce im März war es ganz schlimm. Ich konnte nicht mehr laufen. Die Schulter hat komplett blockiert. Ich war am Boden und wusste nicht mehr weiter. Der beste Schulterspezialist in Deutschland konnte mir nicht helfen.

"Nach dem Derby gegen Fenerbahce im März war es ganz schlimm. Ich konnte nicht mehr laufen. Die Schulter hat komplett blockiert. Ich war am Boden und wusste nicht mehr weiter."

Veli Kavlak

LAOLA1: War sogar ein Karriere-Ende Thema?

Kavlak: Im Sommer habe ich in Wien bei einer Operation eine Narbe entfernt bekommen. Die Ärzte meinten, es gebe nun keinen Grund mehr, warum es nicht funktionieren sollte. Trotzdem brachte auch diese OP keine Verbesserung. Danach kamen schon Gedanken auf, ob die Schulter vielleicht nie wieder ganz heil wird. Es gab keine Therapiemöglichkeiten mehr. Drei Mal habe ich den Urlaub gestrichen. Zwei Operationen haben nichts geholfen. Ich dachte echt kurz, dass alles kaputt ist und ich mich damit abfinden muss, dass gar nichts mehr geht. Gottseidank sah ich dann aber das Licht am Ende des Tunnels.

LAOLA1: Wer konnte dir weiterhelfen?

Kavlak: Ich habe in Istanbul durch Zufall den Arzt der türkischen Nationalmannschaft getroffen. Er meinte, die Operation, die ich in Deutschland gemacht habe, macht man normalerweise nur bei älteren Menschen. Bei einem aktiven Sportler muss man den Knochen anbohren und die Sehne fixieren.

LAOLA1: Hat dieser Eingriff die Schulterprobleme beseitigt?

Kavlak: Am Anfang hatte ich oft Panikattacken, weil ich wieder einen Schmerz gespürt habe. Ich habe den Doktor einige Male angerufen. Er hat mich beruhigt und gemeint, das ist ganz normal. Mit der Zeit ging es immer besser. Es fing an mit Türen, die ich wieder öffnen konnte, ohne einen Schmerz zu spüren. Später konnte ich mir die Socken wieder selbst anziehen. Das waren kleine Erfolgserlebnisse, die mir extrem viel Mut gemacht haben. Jetzt bin ich glücklich, dass ich auf den Fußballplatz zurückkehren konnte. Ich habe wegen dieser Verletzung Jahre verloren. Es war eine Zeit zum Vergessen. Ich bin froh, dass es jetzt vorbei ist.

"Ich habe wegen dieser Verletzung Jahre verloren. Es war eine Zeit zum Vergessen."

Veli Kavlak

LAOLA1: Mit Senol Günes hat Besiktas im Sommer einen neuen Trainer bekommen. Was war sein Feedback während deiner Zwangspause?

Kavlak: Wir waren ständig in Kontakt. Überhaupt stand in dieser schwierigen Zeit der ganze Verein hinter mir. Egal ob Trainer, Fans oder Präsident. Meinem Berater Ercan Kayhan von Cosmosports bin ich zu unendlich viel Dank verpflichtet. Er hat mich in den schlimmsten Momenten unterstützt. Viele Leute wussten von der Geschichte. Das Nationalteam war ständig informiert. Auch mein Ex-Coach Slaven Bilic, mit dem ich noch immer Kontakt halte, freut sich, dass ich wieder zurück bin. Die Leute haben gemerkt, wie sehr ich unter der Sache gelitten habe.

LAOLA1: Vor dem Start der Rückrunde führt Besiktas die Tabelle an. Ist der Meistertitel heuer drinnen?

Kavlak: Auf jeden Fall. Wir haben eine gute Mannschaft. Der Konkurrenzkampf ist riesig, das war in den vergangenen Jahren vielleicht nicht so. Es schaut gut aus. In der vorigen Saison haben wir es in den letzten vier Saisonspielen vergeigt. Deswegen müssen wir jetzt von Spiel zu Spiel schauen.

LAOLA1: Du spielst seit 2011 für Besiktas und hast dir in dieser Zeit trotz einiger Trainerwechsel immer einen Stammplatz erkämpft. Wirst du nach deiner Verletzungspause nun wieder regelmäßig spielen?

Kavlak: Es ist nicht so, dass ich gleich nach meiner Rückkehr auf einen Stammplatz beharre. Ich werde kämpfen, so wie ich es davor getan habe. Dann bin ich überzeugt davon, dass ich es auch zurück in die Startelf schaffe. Aber mein vorrangiges Ziel ist jetzt einmal, schmerzfrei trainieren zu können.

LAOLA1: Mit Mario Gomez ist im Sommer ein prominenter Spieler zu euch gewechselt. Wie verstehst du dich mit ihm?

"Er versucht manchmal Wienerisch zu reden"

Kavlak: Sehr gut. Er sitzt in der Kabine gleich neben mir und ist ein super Typ. Star-Allüren gibt es bei ihm überhaupt nicht. So einen Stürmer haben wir gebraucht. Er hat nicht nur viele Tore gemacht, sondern passt auch menschlich perfekt zu Besiktas.

LAOLA1: Rennt der Schmäh zwischen euch?

Kavlak: Er versucht manchmal Wienerisch zu reden. Das gelingt ihm aber überhaupt nicht (lacht). Wir haben schon eine Gaudi. Schließlich kennt er auch David Alaba sehr gut. Als er zu uns gewechselt ist, habe ich gleich seine Aktion bei der EM 2008 angesprochen, als er gegen Österreich aus einem Meter über das Tor geschossen hat. Daran will er sich gar nicht mehr erinnern (lacht).

LAOLA1: Du hast vorhin gemeint, dass du mit deinem ehemaligen Trainer Bilic noch immer in Kontakt stehst. War er in den vergangenen beiden Saisonen so etwas wie ein Mentor für dich?

Kavlak: Er war wie ein Vater, hat mich immer unterstützt und mir auch die nötigen Freiräume gegeben. Ein toller Trainer mit einem super Charakter. Ich bin froh, dass ich mit so einem Coach zusammenarbeiten durfte. Es war eine schöne Zeit. Das feurige Temperament des türkischen Fußballs war genau sein Ding. Er informiert sich noch immer regelmäßige über unsere Ergebnisse.

"Er war wie ein Vater für mich."

Kavlak über Ex-Coach Bilic

LAOLA1: Aktuell trainiert er mit West Ham einen Premier-League-Klub. Würde es dich reizen, ihn in deiner Karriere noch einmal zu treffen?

Kavlak: Darüber möchte ich momentan überhaupt nicht reden. Ich habe erst im letzten Jahr einen neuen Vierjahres-Vertrag unterschrieben. Mein Fokus liegt auf der Gesundheit und danach will ich den Sprung zurück in die Nationalmannschaft schaffen.

LAOLA1: Würde dich ein Wechsel in eine Top-Liga reizen?

Kavlak: Reizen würde es natürlich jeden Spieler. Das Gesamtpaket muss dafür aber passen. Besiktas ist ein unglaublicher Verein. Es müsste dafür wirklich schon ein größerer Klub anklopfen.

LAOLA1: Im Nationalteam hast du auf deiner Position im zentralen Mittelfeld viel Konkurrenz. Wie schätzt du deine Chancen auf einen Platz im EURO-Kader?

Kavlaks Euro-Traum lebt

Kavlak: Ich war immer dabei, wenn ich halbwegs fit war. Es liegt am Trainer. Ich kann nur alles geben und versuchen, mich  zu empfehlen. Es sind noch sechs Monate bis dahin. Für mich geht es darum, jetzt einmal bei Besiktas Fuß zu fassen.

LAOLA1: 2008 hast du als aussichtsreicher Kandidat bereits einmal eine Europameisterschaft verpasst. Wie würdest du empfinden, wenn dir dieses Schicksal erneut blüht?

Kavlak: Wenn ich fit bin und es trotzdem nicht schaffe, dann wäre das natürlich bitter. Aber an dieses Szenario denke ich nicht. Wenn man fast vier Jahre solche Schmerzen hatte, dann ist die Gesundheit das Wichtigste. Das will ich erst einmal schaffen und dann schaue ich weiter.

LAOLA1: Ein Jahr vor der EURO 2008 wärst du nach der U20-WM in Kanada fast zu Hertha BSC gewechselt. Rapid hat einem Wechsel aber nicht zugestimmt. Nimmst du das dem Verein noch übel?

Kavlak: Lucien Favre (damaliger Hertha-Coach, Anm.) hat mich damals während der WM angerufen und mir gesagt, dass er mich haben will. Von Seiten Rapids hat es zunächst geheißen, sie bereiten alles vor. Dann meinten sie aber, sie finden keinen Ersatz. Ich habe sie fast schon angefleht, dass sie mich gehen lassen. Aber ich hatte Vertrag und durfte nicht weg. Die Rapid-Verantwortlichen von damals müssen es selbst mit ihrem Gewissen vereinbaren, dass sie einem jungen Spieler so eine Chance verwehrt haben.

"Ich war der Bessere, Marko hat ja ständig den Verein gewechselt."

Kavlak über Jugendfreund Arnautovic

LAOLA1: Kannst du dir dennoch vorstellen, irgendwann zu Rapid zurückzukehren?

Kavlak: Auf jeden Fall. Der Verein hat mich groß gemacht. Ich habe dort 15 Jahre gespielt. So etwas kann man nicht einfach vergessen. Ich bin zwei Mal Rapidler des Jahres geworden. Die Fans liegen mir noch immer sehr am Herzen.

LAOLA1: Du bist gemeinsam mit Marko Arnautovic in Wien-Floridsdorf aufgewachsen und hast dich schon früh mit ihm im Käfig duelliert. Wer hatte damals die Nase vorne?

Kavlak: Ich war der Bessere, Marko hat ja ständig den Verein gewechselt (lacht). Nein, das kann man natürlich so nicht sagen, weil wir unterschiedliche Positionen ausgefüllt haben. Ich habe immer als Sechser gespielt, er war der Offensivere. Wir kennen uns schon, seit ich sieben Jahre alt bin. Es ist eine schöne Sache, wenn man später gemeinsam im Nationalteam spielt.

Das Interview führte Jakob Faber

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