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Benny Lauth blickt zurück und nach vor

Benny Lauth blickt auf seine Karriere und die Probleme von 1860 München zurück.

Benny Lauth blickt zurück und nach vor

Den Nachmittag des 15. Mai 2004 werden Fans des TSV 1860 München nie vergessen. Am vorletzten Spieltag gastiert die Hertha, ein direkter Konkurrent im Abstiegskampf, bei den Löwen im Olympiastadion. Als der Berliner Arne Friedrich Martin Stranzl im Strafraum zu Fall bringt und der Schiedsrichter auf Elfmeter entscheidet, schöpfen die Münchner Hoffnung. Francis Kioyo, keine fünf Minuten auf dem Feld und noch ohne Ballberührung, nimmt sich die Kugel – und jagt den Strafstoß in der 89. Minute daneben. Es bleibt beim 1:1, die Hertha ist damit gerettet, 1860 auf dem Weg zum vierten Abstieg der Vereinsgeschichte, der eine Woche später endgültig besiegelt werden sollte.

„Das ist das Sinnbild für diesen Abstieg. Da denkt man immer mal wieder zurück. Wer weiß, was gewesen wäre …“, erinnert sich auch Benjamin Lauth elfeinhalb Jahre später an diese Elfmeter-Szene. „Eine Saison ist natürlich nicht nur ein Moment oder ein Spieltag, aber wäre der drin gewesen, wäre das wahrscheinlich der Siegtreffer gewesen und wir wären im Rennen geblieben.“

Die 60er-Legende fehlte im Saisonfinish 2003/04 verletzt und konnte selbst nicht eingreifen. Ansonsten hätte wohl er geschossen. „So viele Elfer hatten wir damals nicht, aber ich war grundsätzlich eingeteilt, habe drei oder vier geschossen und sie auch verwandelt. Der zweite Schütze war damals Markus Weissenberger, der ebenfalls verletzt neben mir auf der Tribüne saß“, schildert der heute 34-Jährige, der im vergangenen Herbst seine Karriere beendete. „Kioyo war, glaube ich, gar nicht eingeplant, er hat sich den Ball geschnappt und dann hat alles seinen Lauf genommen.“

   1:1
   1860  - Hertha BSC
   Samstag, 15.5.2004
   33. Spieltag

   Olympiastadion
   48.000 Zuschauer
   Trainer:
   Gerald Vanenburg
   (1860)

   Hans Meyer
   (Hertha)

   Torschützen:
   Costa (5.)
   Madlung (82.)
 

 

 

 

 

 

LAOLA1: Benny, hätten Sie gedacht, dass 1860 elfeinhalb Jahre später immer noch auf die Rückkehr in die Bundesliga warten würde?

Benjamin Lauth: Ne, mit Sicherheit nicht. Es sind schon lange vor diesem vorletzten Spieltag Fehler gemacht worden. Peter Pacult wurde in der Saison davor entlassen, als wir auf Platz acht standen. 60 war ein grundsolider Bundesligaverein, bei dem man plötzlich dachte, man müsse sich weiter nach oben orientieren – da hat es begonnen. Seit dem Abstieg ziehen sich die Fehler durch. Zu meiner Zeit war man immer enttäuscht, wenn man den Aufstieg nicht geschafft hat und bekam dadurch Unruhe. Mittlerweile ist man froh, wenn man überhaupt in der 2. Liga bleiben darf. Das ist schade, aber das hat auch nichts mit Pech zu tun, dafür gibt es Gründe.

LAOLA1: Welche Gründe sehen Sie?

Laut: Fast jedes Jahr gibt es auf irgendwelchen Positionen Wechsel. Trainer, Präsident, Geschäftsführer etc., man bekommt nie Ruhe und Ordnung hinein, um etwas aufbauen zu können. Es gibt genug Mannschaften wie Mainz, Augsburg oder Ingolstadt, die noch vor einigen Jahren hinter 60 lagen, sich aber mit solider Arbeit vorbeigeschoben haben.

LAOLA1: Welche Rolle spielt die Erwartungshaltung? Ex-Trainer Ricardo Moniz meinte zu Beginn der vergangenen Saison noch, er wolle Meister werden.

Lauth: Gut, Moniz hat das unnötigerweise selbst angefeuert. Wir haben vier Tageszeitungen, ein großes Fanpotenzial, daraus entsteht viel Druck und die Erwartungen waren immer groß, auch wenn realistisch betrachtet das Potenzial und die Zusammenstellung der Mannschaft dem nicht entsprochen haben. So hatte man immer sofort Unruhe, weil man die Erwartungen gar nicht erfüllen konnte.

LAOLA1: Die Bender-Zwillinge, Julian Baumgartlinger, Kevin Volland, Julian Weigl, etc. – 60 hat in den letzten Jahren viele Talente relativ billig verloren. Warum kann man solche Spieler nicht etwas länger halten?

Lauth: Die finanzielle Not war oft ausschlaggebend. Es ist schade, wenn man sieht, wo die Jungs heute spielen und was der Verein mit ihnen verdient hat – das steht ja in keiner Relation. Aber so ist das, wenn man gezwungen ist, Spieler zu verkaufen. Dann muss man oft unter Wert oder viel zu früh abgeben. Man kann mittlerweile zehn oder zwölf Spieler aufzählen, die jetzt Bundesliga spielen und in den letzten Jahren für ein paar Hunderttausend Euro gegangen sind.

Saison Spieler zu Ablöse
2015/16 Julian Weigl Borussia Dortmund 2,5 Mio.
2010/11 Kevin Volland TSG Hoffenheim 700.000
Mortiz Leitner Borussia Dortmund ablösefrei
2009/10 Lars Bender Bayer Leverkusen 2,5 Mio.
Sven Bender Borussia Dortmund 1,5 Mio.
Fabian Johnson VfL Wolfsburg 1,1 Mio.
Julian Baumgartlinger Austria Wien 200.000
2007/08 Marcel Schäfer VfL Wolfsburg 1,2 Mio.
Daniel Baier VfL Wolfsburg 450.000

LAOLA1: Nach Ihrem Abgang und jenem von Gabor Kiraly im Sommer 2014 wurde kritisiert, dass dem Team die letzten Typen genommen wurden. Ist das eines der Probleme der Löwen?

Lauth: Es hat sich im Nachhinein ja auch so herausgestellt. Der Plan des damals neuen Sportdirektors Gerhard Poschner war aber ein kompletter Neuaufbau. Ob das so richtig war, sei dahingestellt, das hätte man vielleicht auch anders machen können. Es war klar, dass es ein gewisses Risiko birgt, so viele gestandene Spieler wie Daniel Bierofka, Necat Aygün, Gabor Kiraly und mich auszusortieren. Auch wenn die Leistung vielleicht nicht mehr immer top war, waren wir wichtig für das Mannschaftsgefüge und die Hierarchie. Die Jungen konnten sich an jemanden wenden. Der eine oder andere hätte dem Team sicher noch gut getan.

LAOLA1: Wie wurde Ihnen mitgeteilt, dass man nicht mehr mit Ihnen plant?

Lauth: Das war relativ einfach. Ich wurde hochgeholt, mir wurde gesagt, dass der Vertrag nicht verlängert wird. Das hätte man sicherlich ein wenig eleganter lösen können, die Art und Weise hat mich schon überrascht. Bei einem Spieler, der so lange im Verein ist, hätte es vielleicht andere Wege gegeben. Für mich war aber klar, dass ich noch weiterspielen wollte und mit Ferencvaros Budapest habe ich eine super Adresse gefunden, deswegen ist die Sache für mich auch abgehakt.

LAOLA1: Eigentlich hätte sich Ihr Vertrag in Budapest im vergangenen Sommer durch eine Einsatzklausel um ein weiteres Jahr verlängert. War die geänderte Ausländerbeschränkung letztlich ausschlaggebend für Ihren Abschied aus Ungarn?

Lauth: Ich habe mich sehr wohl gefühlt und hätte gerne noch das zweite Jahr mitgemacht.
Der Verein war aber daran interessiert, den einen oder anderen ausländischen Spieler loszuwerden und dann haben wir uns auf eine Trennung geeinigt.

LAOLA1: Mittlerweile haben Sie ihre Karriere beendet. Gab es im Sommer noch Angebote?

Lauth: Überraschenderweise gab es doch noch relativ viele Anfragen, aber nichts, was mich noch einmal hundertprozentig gereizt hätte. Ferencvaros ist der größte Klub in Ungarn, die Stadt hat mir gut gefallen, die Verbindung nach München hat gepasst. So etwas noch einmal zu finden war schwer. Ich war aber nicht unvorbereitet und habe letztlich selbst entschieden, die Karriere zu beenden. Das macht es leichter.

LAOLA1: Gab es auch Kontakte nach Österreich?

Lauth: Es gab Anfragen, aber keine konkreten Verhandlungen. Es kam nicht so weit, dass ich mich näher damit beschäftigt hätte.

Verein Spiele Tore
TSV 1860 271 93
Hamburger SV 73 16
Hannover 96 23 -
VfB Stuttgart 13 1
Ferencvaros Budapest 31 6

LAOLA1: Wenn man zurückblickt, hat es für Sie eigentlich nur bei 1860 richtig gut funktioniert. Warum eigentlich?

Lauth:
Das ist schwer zu sagen. Ich habe seit der D-Jugend bei den Löwen gespielt, da kannte ich jeden, es war wie eine zweite Familie. Daher habe ich mich dort auch immer superwohl gefühlt. Auch in Hamburg oder Stuttgart habe ich mich nicht unwohl gefühlt, auch dort hatte ich eine gute Zeit, aber in München wusste ich genau, was mich erwartet. Vielleicht war das der Punkt, der bei mir stimmen musste, um die Top-Leistung abzurufen.

LAOLA1: Hätten Sie rückblickend in Ihrer Karriere irgendetwas anders gemacht?

Lauth: Natürlich habe ich mir manches anders vorgestellt. Aber bis auf Hannover habe ich bei den jeweiligen Vereinen immer den richtigen Zeitpunkt erwischt. In Stuttgart lief es mit dem Meistertitel und dem Pokalfinale nahezu perfekt, beim HSV war das damals auch die erfolgreichste Zeit seit langem – wir sind Dritter in der Liga geworden und haben Champions League gespielt. Auch die Rückkehr zu 60 war natürlich eines meiner Ziele, allerdings in der Absicht, noch einmal Bundesliga zu spielen. Dass es dann so gelaufen ist, war sicherlich nicht geplant.

LAOLA1: Man darf sie als Löwen-Legende bezeichnen. Wie sehen Sie Ihre Beziehung zu 60 bzw. wie verhält es sich mit jener zum FC Bayern?

Lauth: Mein Herz hängt an 60. Ich verfolge die Spiele und gucke was passiert. Das wird sich nicht mehr ändern, der Verein gehört einfach zu mir und wird mich immer begleiten. Die sportliche Distanz zwischen den beiden Vereinen in München ist natürlich so groß wie noch nie. Früher war es auch der große FC Bayern, aber man war schon ein bisschen dran und hatte die Derbys. Das ist in den letzten Jahren leider viel zu weit auseinander gegangen.

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LAOLA1: Haben die Bayern eigentlich einmal bei Ihnen angeklopft?

Lauth:
In der Jugend hätte es natürlich Möglichkeiten gegeben, zum FCB zu wechseln, wir haben auch viele Spiele gegeneinander gemacht. Aber die Verbindung zu 60 war immer sehr stark, ich habe mich da immer wohlgefühlt, deswegen bin ich dort geblieben und das war auch im Nachhinein gut so. Hier hat man mir die Chance gegeben, Bundesliga zu spielen. Peter Pacult hat mich damals zum Profi gemacht. Den Löwen treu zu bleiben, war schon richtig.

LAOLA1: Wie wichtig war Peter Pacult für Sie?

Lauth: Er war eminent wichtig. Sein erster Tag als Cheftrainer war auch mein erster bei den Profis. Er hat mich nach oben geholt und mir das Vertrauen und die Chance gegeben. Er hat an mir festgehalten und es ist dann auch ganz gut gelaufen. Er hat vielleicht den größten Anteil daran, dass ich es bei mir so früh geklappt hat.

LAOLA1: Dabei waren Sie auch ein talentiertere Skifahrer.

Lauth: Das war noch relativ früh. Ich bin in den Bergen aufgewachsen, da hat man im Sommer Fußball gespielt und im Winter bist du Skigefahren. Als ich dann nach München zu den Löwen gewechselt bin, wurde der Aufwand aber immer größer. Deswegen habe ich das Skifahren auch mit elf oder zwölf sein lassen. In dem Alter kann man schwer sagen, ob es zum Profi gereicht hätte, aber damals hat es schon ganz gut ausgesehen, wie ich auf den Brettern gestanden bin. Die Liebe zum Fußball war aber immer größer.

LAOLA1: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Lauth: Ich habe mir zuletzt den Luxus gegönnt, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Ich will aber im Fußballgeschäft bleiben und versuche mich hier in alle Richtungen weiterzubilden. Ich absolviere ein Fernstudium, das geht eher in die Sport-Management-Schiene und ich habe Vorbereitungen getroffen, um die Trainerkurse zu machen. In welche Richtung es gehen soll, versuche ich gerade herauszufinden. 


Christoph Kristandl

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