Endstand
0:2
0:2, 0:0
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Struber angefressen: "Haben es den Basken zu leicht gemacht"

Für den Salzburg-Coach liegt die Pleite gegen Real Sociedad vor allem am eigenen Unvermögen. Umso größer soll nun der Lerneffekt aus dieser Partie sein.

Struber angefressen: Foto: © GEPA

Unterschiedlicher könnten die Meinungen von zwei konkurrierenden Trainern nach einer Partie nicht sein.

Imanol Alguacil, seines Zeichens für den Trainingsbetrieb bei Real Sociedad hauptverantwortlich, findet nach dem Auswärtssieg seiner Basken beim FC Salzburg: "Salzburg konnte nicht seine beste Leistung zeigen. Und das ist ein Verdienst von Real, vor allem in der ersten Hälfte. Da steckt sehr viel Arbeit und Qualität meiner Spieler dahinter. "

Sein Gegenüber, Gerhard Struber, hält dagegen: "Natürlich wissen wir, dass bei Real Sociedad viel Erfahrung herrscht und es Spieler gibt, die auf hohem Niveau sehr gut performen. Aber aus meiner Sicht ist das nicht der Grund, warum es heute schief gegangen ist, sondern weil wir in der ersten Halbzeit die einfachen Dinge nicht gemacht und die Intensität und Aggressivität, die uns auszeichnet, nicht gelebt haben."

Mit der Einschätzung Alguacil, der gar "von der besten Version seiner Mannschaft sprach", dass Salzburgs Niederlage einzig an der Stärke von "La Real" lag, kann Struber "wenig" anfangen:

"Ich bin überzeugt davon, dass wir es den Basken im ersten Durchgang ein Stück zu einfach gemacht haben, weil wir nicht diesen Druck ausgeübt haben, den man normalerweise von uns kennt. Das war der Kickoff für den Sieg von Real Sociedad heute und das ist schmerzhaft."

Doch wo liegt die Wahrheit?

Absoluter Horrorstart der "Bullen"

Fakt ist, dass die "Bullen" in der jüngeren Klubgeschichte selten so schlecht in ein Spiel gestartet sind, wie in jenes am Dienstag in Wals-Siezenheim

Eigentlich ist es eine Stärke der Mozartstädter, den Gegner auf seinen ersten Metern auf dem Grün frech zu attackieren und im Idealfall zu überrumpeln. Erst vor zwei Wochen, beim 2:0 bei Benfica Lissabon, konnte so der Weg zum Sieg geebnet werden.

Ganz anders diesmal: Die "Bullen" wirkten schläfrig, ängstlich, fast schon träge und ließen ballstarke Basken von Beginn an nicht nur schalten und walten, sondern auch noch ziemlich unbedrängt abschließen.

Schon nach sieben Minuten führten die Gäste aus diesem Grund. Sociedad-Star Mikel Oyarzabal ließ sich nach einem wenig engagierten Zweikampfverhalten von Oumar Solet aus rund 14 Metern nicht zweimal bitten und drehte das Spielgerät gefühlvoll in die Mozartstädter Maschen.

Das Problem mit den "einfachen Dingen"

Quasi im Gegenzug wäre beinahe alles wieder auf Anfang gestanden. Roko Simic verlängerte eine Terzic-Flanke wunderbar per Brust auf Karim Konate, dem alleine vor dem Tor - wie so oft in den letzten Wochen - das Selbstverständnis fehlte. Es sollte die einzige gute Offensivaktion der "Bullen" in Durchgang eins bleiben.

"Wir haben verabsäumt, die einfachen Dinge zu tun. Man hat bei der Chance von Karim Konate gesehen, dass man eigentlich relativ simpel hinter die letzte Linie kommen hätte können", hadert Struber.

Mit dem Ball habe man "zu lange versucht, den Gegner in der Aufbaulinie hin und her zu spielen. Wir haben den Gegner nicht easy und simpel bespielt, sondern uns das Spiel kompliziert gemacht. Dadurch haben wir uns selbst Tempo und Rhythmus genommen".

Gegen den Ball mangelte es laut Struber vor allem an der nötigen Intensität und Aggressivität: "Dadurch hat es einfach viel zu viel Zeit für einen Gegner gegeben, dem du alles im Leben geben darfst außer Zeit."

Tatsächlich kombinierten sich die nordspanischen Gäste immer wieder scheinbar mühelos aus dem Salzburger Pressing heraus und ließen die Hausherren im ersten Durchgang eigentlich nur hinterherlaufen.

Real Sociedad "eine der unterschätztesten CL-Mannschaften"

Gelang den "Bullen" doch mal ein Ballgewinn, versuchte man es im Umschaltspiel meist mit Gewalt. So geschehen in Minute 27, als Oscar Gloukh sich in einer eigentlich aussichtsreichen Situation verdribbelte und seine Mannschaft im unmittelbar darauffolgenden Konter das 0:2 durch Brais Mendez schlucken musste.

Bezeichnend für Hälfte eins: Konate und Pavlovic stehen sich beim Abschluss gegenseitig im Weg
Foto: © GEPA

Fast wäre die Partie schon vor der Pause entschieden gewesen, Oyarzabal schoss sich nur drei Minuten nach dem 0:2 an den eigenen Fuß, statt zum 0:3 ein.

Schlussendlich musste sich Salzburg beinahe in die Pause retten, die schwache Leistung wurde mit Pfiffen vom eigenen Publikum quittiert.

"Eigentlich ist der Grund für die Niederlage ganz einfach für mich: Eine wirklich schwache erste Halbzeit, keine Intensität", bringt es Mads Bidstrup auf den Punkt.

Der aber nicht unter den Tisch fallen lassen will, dass Real Sociedad so ziemlich das schwierigste Los war, welches die Salzburger bei der Auslosung aus Topf 4 ausfassen hätten können: "Sie sind wirklich stark, eine der unterschätztesten Mannschaften der Champions League dieses Jahr."

Salzburgs "wahres Gesicht" kam zu spät zu Vorschein

So eindrucksvoll der baskische Auftritt vor der Pause war, so effizient war er nach derselbigen.

Denn unmittelbar nach Wiederanpfiff, mit welchem Struber mit Maurits Kjaergaard, Oumar Solet und Karim Konate drei der am wenigsten überzeugenden Akteure an diesem Abend auswechselte, war plötzlich nur mehr der Gastgeber am Werk und die Gäste nur mehr am Verteidigen.

"In der zweiten Halbzeit haben wir unser typisches Gesicht gezeigt, das uns zu Chancen kommen lässt und den Gegner unter Druck setzt", freut sich Struber über eine gelungene Halbzeitansprache.

Und er freut sich auch darüber, dass man sehen konnte, "dass es schwer gegen uns ist, wenn wir unser wahres Gesicht zeigen". 

Schlussendlich habe laut dem 46-Jährigen "auch das Spielglück, welches notwendig gewesen wäre, in der ein oder anderen Situation gefehlt". Damit meint er gleich drei strittige Entscheidungen von Schiedsrichter Bartosz Frankowski, die allesamt gegen Salzburg getroffen wurden.

Wurde Salzburgs Spiel gegen Real Sociedad vom Schiedsrichter beeinflusst?>>>

Schmerzhaft, aber mit großem Lerneffekt

Es war ganz klar zu sehen, dass wir, wenn wir mit unserer Spielidee committed sind und bereit sind, kleinere Grenzverschiebungen in der Intensität und Aggressivität gegen den Ball zu schaffen, den Gegner massiv aus dem Gleichgewicht bringen können.

Struber über den Lerneffekt

Schlussendlich kann man sich von einer verbesserten Leistung nach Seitenwechsel nichts kaufen. Für Struber ist es "schmerzhaft zu realisieren, dass das Spiel in eine andere Richtung gehen hätte können, wenn wir von Anfang an unser wahres Gesicht gezeigt hätten".

Aber auch solche Spiele gehören zum ständigen Lernprozess der Mozartstädter, die diesmal mit der fünftjüngsten Startelf der Champions-League-Historie antraten, dazu.

"Das Spiel heute hat uns, was die Lernkurve angeht, schon einiges mitgegeben. Es war ganz klar zu sehen, dass wir, wenn wir mit unserer Spielidee committed sind und bereit sind, kleinere Grenzverschiebungen in der Intensität und Aggressivität gegen den Ball zu schaffen, den Gegner massiv aus dem Gleichgewicht bringen können", so Struber.

"Hilfreich, das mal erlebt zu haben"

Er fordert nun, dass seine Mannschaft beim nächsten, äußerst schwierigen Gruppenspiel auswärts bei Inter Mailand von Anfang an "all-in geht" und "synchron" agiert.

Die erste Halbzeit gegen Real Sociedad habe unter Beweis gestellt, was passiere, wenn seinem Team diese letzte Entschlossenheit und diese Kompaktheit im Anpressen, abgeht:

"Wir schauen uns in den nächsten Stunden und Tagen mit den Jungs genau an, was unsere Hebel sind, um Spiele zu gewinnen, und was - das hat man in der ersten Halbzeit eindrucksvoll gesehen - die Faktoren sind, die uns in Probleme schlittern lassen: Wenn wir unseren Tempofußball, unsere Dynamik und unsere Aggressivität nicht auf den Platz kriegen."

"Für das Lernen einer so jungen Mannschaft ist es hilfreich, das mal so erlebt zu haben", ist sich Struber sicher.

Denn bekanntlich lernt man aus nichts so gut wie aus Fehlern. Und davon unterliefen Österreichs Meister am Dienstag ausreichend viele.

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