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Jauk zu Krammer: "Wünsche mir Rapids Arroganz"

Christian Jauk und Michael Krammer im exklusiven LAOLA1-Präsidenten-Doppelinterview.

SK Sturm gegen SK Rapid heißt es kommenden Sonntag wieder in der Bundesliga.

Viele sagen: Der letzte Klassiker in der Liga, neben dem Wiener Derby. So mancher Rapid-Fan lässt sogar wissen: Die Highlights der Saison sind die Spiele gegen Sturm. Für die Anhänger der Schwarz-Weißen gilt das ohnehin uneingeschränkt, seit der GAK in den Untiefen des Amateurfußballs verschwunden ist.

Zeit also, die beiden Vereins-Präsidenten Christian Jauk und Michael Krammer an einen Tisch zu bringen.

Eine Premiere, soweit das gemeinsam im Wiener Cafe Landtmann memoriert werden konnte.

Im exklusiven LAOLA1-Doppel-Interview stehen gemeinsame sowie trennende Aspekte der beiden Klubs, schwieriges Umfeld, die Red-Bull-Dominanz sowie die eine oder andere strategische sowie personelle Frage im Fokus. Inklusive der einen oder anderen Spitze gegen die Konkurrenz.

LAOLA1: Was schätzen Sie am jeweils anderen Verein?

Michael Krammer: Wir schätzen am SK Sturm, dass sie hinsichtlich ihrer Kultur und ihrer Tradition dem SK Rapid sehr ähnlich sind. Es ist ein Mitgliederverein, Sturm hat eine wirklich funktionierende Fanbasis und es kommen Leute ins Stadion. Und auch wenn wir gerne gegen sie gewinnen, freuen wir uns, wenn wir in Graz spielen. Das Spiel ist auch für unsere Fans ein Highlight, es pilgern immer alle nach Graz. Es ist wie Fußball sein soll: emotional, kampfbetont, abwechslungsreich und stimmungsvoll.

Christian Jauk: Wir haben mehr gemeinsam, als wir uns manchmal selbst eingestehen wollen. Es gibt eine große Rivalität, die aber aus der jeweils sehr großen Identifikation beider Fanlager kommt. Was ich am SK Rapid beneide, ist die große Unterstützung der öffentlichen Hand und die Elfmeterstatistik, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf.

>Teil 2: Trauer wegen Alar? Kainz als Rapid-Mitglied? Wer hat es schwerer? <

Krammer: Nicht in diesem Jahr.

Jauk: Wir sind trotzdem an letzter Stelle, weil wir in dieser Saison noch keinen erhalten haben. Warum wir diese Rivalität mit Rapid auch besonders schätzen, ist, weil es ja um mehr als Fußball geht. Da geht es gegen die Bundeshauptstadt, gegen die Privilegierten, das Auflehnen gegen die Eliten und hinsichtlich des Budgets könnte man auch David gegen Goliath sagen. Das gefällt uns, deswegen sind diese Duelle so emotional.

Krammer: Stimmt, Rapid ist zwar die sportliche Elite, aber die Elite im eigentlichen Sinn in Wien ist schon die Austria. Auch was die öffentliche Unterstützung mit Bürgermeister- und Kanzler-Support betrifft. Höher kann man ja gar nicht angesiedelt sein. Wir sind der Arbeiterverein. Wir sind die Bodenständigen und müssen uns alles hart erkämpfen. Und das tun wir auch gerne.

Jauk: Auch der SK Sturm ist der Arbeiterverein in Graz. Ich möchte aber noch hinzufügen: Michael Krammer ist in meiner Wahrnehmung der Erste, der als Unternehmer an der Spitze steht. Ich habe Rapid früher immer als so etwas wie eine Vorfeldorganisation einer politischen Partei wahrgenommen. Da waren immer Gewerkschaftschefs oder ehemalige Minister am Ruder. Das hat sich seit Michael völlig geändert, auch hinsichtlich Professionalität. Dazu kann ich nur gratulieren.

LAOLA1: Neben dem Vergleich der Vereine, wo wir doch einige Ähnlichkeiten festgestellt haben, wo sind die persönlichen Berührungspunkte zwischen Ihnen beiden? Gibt es telefonischen Austausch, treffen Sie sich ab und zu?

Krammer: Ich habe immer wieder in Slowenien zu tun. Am Weg dorthin fahre ich durch Graz, und wenn es sich ergibt, gehen wir gemeinsam essen. Es gibt Berührungspunkte, weil wir gemeinsame Interessen haben.

So sehr die Rivalität am Feld da ist, so sehr haben wir gemeinsame Standpunkte, wie die Liga weiterentwickelt werden könnte. Wir wollen das Interesse für den Fußball in der Bevölkerung steigern, um auch uns noch interessanter zu machen. Da geht es um eine Weiterverbesserung der wirtschaftlichen Basis für den Fußball im Land.

Rapid-Präsident Michael Krammer

LAOLA1: In Wien wurde bei der Wahl von Michael Krammer 2013 von ihm das Ziel ausgegeben, bis 2019 ein Top-50-Klub in Europa zu werden. Wie könnte Sturm da angesiedelt werden? Welche Ambitionen hat man in Graz?

Jauk: Wir haben es heuer umgekehrt gemacht. In den letzten Jahren war die internationale Teilnahme immer als Ziel definiert. Heuer haben wir uns entschieden, ein Ziel nicht an einer Zahl festzumachen. Wir wollen das Potenzial der Mannschaft und des Vereins optimal nützen und dann schauen wir, was dabei herauskommt.

Krammer: Das werden wir vielleicht nächstes Jahr auch machen!

LAOLA1: Diese Top 50 sind ja eher ein philosophisches Ziel. Da geht es nicht nur um einen messbaren Wert, sondern darum, wie man einen Verein entwickeln will. Ob es in Graz nun Top 50 oder anders heißt, grundsätzlich gibt es sicher auch den Anspruch, auf ein gewisses Niveau zu kommen.

Jauk: Ja, nur besteht der Verein aus mehr als dem Tabellenplatz und der Kampfmannschaft. Wichtig ist das Thema Infrastruktur, wo wir im Moment neidvolle Blicke nach Hütteldorf werfen, wo das modernste und beste Stadion Österreichs steht und sehr professionell vermarktet wird. Wir sind in Graz ein bisschen anders. Wir versuchen auch professionell zu arbeiten, improvisieren da und dort aber mehr. Das ist ein wenig in der Vereins-DNA verankert, von der Kurve bis zur Vereinsführung, was aber eben auch ein gewisses Feeling erzeugt. Hinsichtlich Stadion sind wir für die nächste Ausbaustufe sehr optimistisch. Die erste war hauptsächlich Haustechnik, die sieht niemand. Mitte des Jahres soll es im Land den Beschluss des Doppelbudgets geben, wo weitere sieben Millionen Euro für Liebenau dabei sein sollten. Da wird dann für den Kunden – also die Fans – etwas sichtbar sein.

LAOLA1: Infrastruktur ist natürlich ein wichtiges Thema. Aber noch einmal zur Frage von vorhin: Wo und auf welchem Level kann sich der SK Sturm mittelfristig positionieren?

Jauk: Es wäre schön, wenn wir das in einer Regelmäßigkeit planen könnten. Aber das macht andererseits das Spannende am Fußball aus, dass man es nicht planen kann. Wir können die Rahmenbedingungen schaffen. Bezüglich Budget sind wir die Nummer vier der Liga und innerhalb dieser Top vier sollten wir uns auch aufhalten. Wenn wir uns schlechter platzieren, ist das sicherlich eine unbefriedigende Situation. Es wird aber Jahre geben, wo wir vielleicht die Mannschaft verjüngen und etwas aufbauen möchten, wo wir einen schlechteren Tabellenplatz in Kauf nehmen. Schön wäre aber natürlich, in einer relativ hohen Regelmäßigkeit europäische Spiele in Graz zu sehen.

LAOLA1: Kann es wieder Jahre geben, in denen der SK Sturm ganz oben steht?

Jauk: Das muss man realistisch sehen. Immer mehr Untersuchungen zeigen, dass Geld doch mehr Rolle im Fußball spielt, als wir es uns manchmal eingestehen wollen. Michael Krammer hat selbst einmal gesagt, wenn er diese Top 50 in Europa erreichen will, braucht er ein gewisses Budget. Dieses Ziel, das möchte ich noch festhalten, finde ich übrigens verdammt ambitioniert.

Krammer: Ja, aber solche Zielsetzungen dienen wie erwähnt dazu, eine Richtung vorzugeben. Ich habe außerdem gespürt, dass es dieses Verlangen in der Rapid-Community gibt. Wir haben dann die Projekte definiert, um dorthin zu kommen. Das neue Stadion ist dabei die wichtigste Maßnahme. Und es gibt nachgeordnete Ziele unter den „Top 50“. Es braucht die regelmäßige Qualifikation für den europäischen Bewerb und dort für eine Gruppenphase. Wir sind damals bei 125 gestartet und sind jetzt auf 70. Die Richtung stimmt also. Heuer könnte es einen Rückschlag geben, so realistisch muss man sein. Und weil es bei der Frage um ganz oben stehen gegangen ist: Wir haben damals außerdem festgehalten, in zehn Jahren sollten drei Titel zu gewinnen sein. Das ist einerseits ambitioniert, andererseits durchaus möglich. Es gibt immer wieder Jahre - 2008 Rapid, 2011 Sturm, 2013 Austria - wo die finanzielle Dominanz von Red Bull durchbrochen werden konnte. Nämlich dann, wenn die mit viel Geld etwas falsch machen. Wenn sie das nicht machen, braucht es ganz viel Glück, und das ist selten der Fall.

Jauk: Ein Unterschied zwischen unseren Vereinen ist und bleibt, dass bei Rapid der Anspruch immer ein noch höherer sein wird. Der Druck ist enorm. Wir haben das nach den CL-Jahren und dem Meistertitel 2011 selbst gemerkt. Nach solchen Phasen kannst du in Heimspielen gegen eine Mannschaft aus der unteren Tabellenhälfte nur verlieren, weil alle einen Sieg voraussetzen. Diese Erwartungshaltung zu erfüllen, ist nicht immer ganz einfach. Der mentale Druck für die Spieler ist groß und der Fußball spielt sich mehr im Kopf ab, als man meint. Natürlich haben die Spieler bei den besseren Vereinen bessere Rahmenbedingungen, und der Kader hat in der Regel eine höhere Qualität. Aber der Mensch bleibt der Mensch. Für uns als SK Sturm sind die Spiele gegen Klubs wie Rapid besonders spannend, weil eine Mannschaft kommt, die budgetär überlegen ist, die auch sonst da und dort privilegiert ist, und wir uns aber an diesem Kampf reiben und dadurch besser werden.

Krammer: Das ist das Faszinierende bei Rapid. Der Mythos des Rekordmeisters, die Fans und die Stimmung. Jeder Verein der Liga ist gegen uns besonders ambitioniert und wir sorgen außerdem dafür, dass der jeweilige Gegner immer Rekordbesuch hat. Das ist einerseits schön, aber für die Spieler ist es manchmal schwierig. Kein Trainer muss seine Spieler motivieren, wenn es gegen Rapid geht, selbst wenn wir Fünfter in der Tabelle sind.

LAOLA1: Besagten Reibungsmoment gibt es vermutlich für beide Vereine mit Red Bull. Herr Krammer, sie haben gesagt, man kann Salzburg nur einholen, wenn man dort etwas falsch macht. Ist das die einzige Möglichkeit, die Dominanz von Red Bull zu durchbrechen? Oder gibt es andere Wege?

Krammer über Red Bulls uneinholbaren finanziellen Vorsprung: (Diese ANTWORT IST IM VIDEO zu sehen):

Jauk: Reibung und Rivalität zwischen Salzburg, Rapid und Sturm sind wichtig. Ich glaube jedoch, die Stärke aus dem Inneren heraus ist noch nicht so ausgeschöpft. Unser Günter Kreissl sagt immer: Was wir neben all den Rahmenbedingungen, die du auf der finanziellen Seite angesprochen hast, tun können, ist das Selbstverständnis und die eigene positive Energie zu stärken. Wir müssen eine Umgebung bieten, in der sich Spieler bestmöglich entfalten und entwickeln können. An dieser positiven Umgebung und Stimmung arbeiten wir. Das ist nicht so einfach. Bei uns schiebt Kreissl diese Energie ordentlich an. Gerade im Herbst hat das wunderbar funktioniert.

Krammer: Der Unterschied zwischen euch und uns beziehungsweise Salzburg ist dann eben der: Ihr gebt aus finanziellen Gründen euren Schlüsselspieler ab und es ist schwierig, hinten nach etwas zu entwickeln. Salzburg gibt einen ab und drei andere sind da. Die werden schon vom FC Liefering als 17-Jährige um 2,5 Millionen Euro eingekauft, im System entwickelt und steigen nahtlos ein.

Jauk: Da hast du natürlich Recht, das sind unsere Limits. Aber umgekehrt sage ich, es ist auch bei uns wieder für die nächsten die Chance da.

Mir gefällt bei euch übrigens etwas, das wir in Graz noch nicht so haben: Wie der FC Bayern München habt ihr diese Mia-San-Mia-Mentalität. Ihr wirkt ja mit eurer Einstellung manchmal auch durchaus sehr arrogant, aber im positiven Sinne arrogant. Ihr sagt: „Wir sind Rapid, wir sind da, wir haben eine Position!“ Das würde ich mir manchmal auch bei Sturm noch viel stärker wünschen.

Sturm-Präsident Christian Jauk

Unsere Fans sind da oft der Vorreiter, die zeigen uns das vor. Sie sagen: „Da halten wir von der Stimmung und der Atmosphäre dagegen!“ Ich wünsche mir, dass wir das bei uns stärker auf den gesamten Verein übertragen – einfach ein stärkeres Selbstverständnis und mehr Selbstbewusstsein.

LAOLA1: Bei allem Respekt vor den Leistungen von Red Bull Salzburg: Wie sehr dürstet die Liga bereits nach Abwechslung, sprich einem anderen Meister?

Krammer: Ob es die Liga braucht, sei dahingestellt, aber wir bräuchten ganz dringend einmal einen Titel! (lacht) Wie man sieht, ist es nicht zu 100 Prozent planbar, aber natürlich würde es der Liga gut tun. Man hat im Herbst gesehen, dass das Interesse stärker wird, wenn sich ein bisserl etwas tut, Sturm da ist und die Dominanz von Salzburg nicht so eindeutig ist. Jetzt zeichnet sich wieder ein Alleingang ab, was für die Liga insgesamt nicht gut ist, man aber demjenigen, der es macht, nicht vorwerfen darf. Das ist ja das große Ziel, wir würden es auch gerne nehmen!

Jauk: Umso mehr die Chance haben, Meister zu werden oder einen Cupsieg zu erreichen, umso besser ist es natürlich für die Liga. Wie du richtig sagst: Im Herbst hat man das ganz gut gespürt. Jetzt haben wir die 24. Runde, zwei Drittel sind gespielt, ein Drittel ist noch offen und alle sagen: „Eigentlich ist es eh schon wieder vorbei, der Meister ist entschieden, es geht nur noch um Abstieg und Europacup-Plätze.“ Das ist mir zu wenig! Je mehr die Chance haben, umso besser ist es – egal, wer es am Ende des Tages ist. Ich habe natürlich Interesse daran, dass wir uns das zwischendurch genauso abholen.

Das Gespräch führten Peter Altmann/Alexander Karper/Jürgen Pucher

>Teil 2: Trauer wegen Alar? Kainz als Rapid-Mitglied? Wer hat es schwerer? <

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