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"Ich will nicht für andere ausbilden"

Sturms Sportchef Günter Kreissl über seinen Kurs, einen großen Fehler und das "Masterpiece".

Günter Kreissl ist angetreten, um bei Sturm Graz das Maximum herauszuholen.

"Sturm ist ein Verein, der Luft nach oben hat", lauteten die ersten Worte bei seinem Antritt als Geschäftsführer Sport.

Nach drei Monaten im Amt ist der 42-Jährige die ersten Schritte gegangen, hat den Verein kennengelernt und einen runderneuerten Kader auf die Beine gestellt.

Der Enttäuschung bei den Blackies darüber, dass Anspruch bzw. Ankündigung und Realität in den letzten Jahren so weit voneinander entfernt waren, begegnet er mit jeder Menge positiver Energie.

Daran hat nach außen hin auch eine aufschlussreiche Kennenlernphase nichts geändert.

Im Gespräch mit dem Podcast "Black fm" spricht Kreissl ausführlich über seine bisherigen Erfahrungen und lässt mit einer deutlichen Absage an die bisher oberste Prämisse aufhorchen.

Das gesamte Gespräch mit Günter Kreissl kannst du auf www.blackfm.at nachhören.

"Der Verein ist sehr aufgeregt. Das ist keine Überraschung. Wenn du jahrelang sehr viel willst und nicht abliefern kannst, entsteht eine Unzufriedenheit. Das überträgt sich auf die Mannschaft, die Geschäftsstelle und den Vorstand", ortet der ehemalige Torhüter "Negativ-Stress".

Die Kritik des Anhangs entlud sich zuletzt wieder stärker auf der Person Franco Foda. Die Arbeit mit dem 50-Jährigen bezeichnet Kreissl als "sehr positiv auf fachlicher Ebene". 

Tagtäglich habe man in seiner Anfangszeit zwei bis drei Stunden damit verbracht, Vorstellungen und Pläne in eine Kandidaten-Liste für die zu besetzenden Kaderpositionen zu gießen.

"Franco ist ein hervorragender Fachmann. Ich habe das Gefühl, dass wir eine gute Gesprächsbasis haben", so Kreissl.

"Nicht einfach für Goldbrich"

Dass ein gutes Einvernehmen besonders im Sinne Fodas ist, da sich dieser im letzten Jahr seines Vertrags befindet, ist ihm bewusst: "Die Qualität einer Zusammenarbeit wird sich erst in Krisenzeiten herausstellen."

Auch über das Zusammenspiel mit dem zum wirtschaftlichen Geschäftsführer degradierten Gerhard Goldbrich kann Kreissl nichts Negatives sagen. "Dass es für ihn nicht einfach ist, ist klar. Die sportliche Leitung war sein Baby, angesichts dessen hat er mich aber unterstützt und werken lassen."

Warum Goldbrich zuletzt medial anprangerte, Sturm würde seine Ziele nicht erreichen können, wenn "der Cheftrainer ständig zu Unrecht in der Kritik steht", kann Kreissl nicht hundertprozentig nachvollziehen. Aber: "Dass Goldbrich ein gutes Verhältnis zu Franco Foda hat, ist bekannt."

Der große Fehler bei Sandi Lovric

Im Hinblick auf die Kaderzusammenstellung streicht er besonders den vielversprechenden Nachwuchs hervor: "13 Spieler sind Jahrgang 1993 oder jünger, das ist die Hälfte."

Foda würde den eigenen Talenten allerdings zu wenig Einsatzzeit geben, lautet ein Kritikpunkt an der Arbeit des Cheftrainers. Festgemacht wurde dies meist am Beispiel Sandi Lovric, der - nicht zuletzt von Sturm-Verantwortlichen selbst - als "Jahrhundert-Talent" angepriesen wurde.

Eine Einschätzung, die sich im Moment zu rächen scheint. "Das Umfeld macht in der Causa Lovric einen großen Fehler, nämlich einen Spieler zu hoch zu loben, der den Beweis dafür noch nicht erbracht hat", sagt Kreissl.



Bei der U19-EM hätte mit Rupert Marko auch einer seiner größten Förderer erkannt, dass es beim Mittelfeldspieler nicht rund läuft. In den ersten beiden Gruppenspielen wurde er ausgewechselt, im "Finale" gegen Deutschland war er nur Joker.

"Er will den übernächsten Schritt machen, bevor er den davor gemacht hat."

Kreissl über Lovric

"Er will den übernächsten Schritt machen, bevor er den davor gemacht hat. Das wird unterstützt durch einen Hype, der nicht berechtigt ist", stellt Kreissl klar. Beobachtungen beim Training ließen auch keine Schlüsse zu, dass Foda mit jungen Spielern nicht umgehen könne.

Die Absage an den Ausbildungsverein

"Wir wünschen uns, dass junge Spieler den Sprung schaffen, aber bei der einen oder anderen Personalie agiert er richtig und lässt sich das nicht von der Öffentlichkeit diktieren."

Junge Spieler einbauen, sie entwickeln und verkaufen - so lautet das Credo von Präsident Christian Jauk. Man nannte sich Ausbildungsverein, Karriereplattform oder stellte zuletzt die ominöse 17+8-Regel auf.

Goldbrich strich - unter anderem gegenüber LAOLA1 - stets seine positive wirtschaftliche Transferbilanz hervor. Kreissl kann mit dieser Herangehensweise nichts anfangen und erteilt dem sofortigen Wiederverkauf des eigenen Tafelsilbers eine ebenso überraschende wie klare Absage.

"Ich will nicht für andere ausbilden"

"Ich bin kein Aktienhändler, sondern hier, um sportlichen Erfolg zu haben. Der Idee, schon bei einem Neuzugang daran zu denken, ihn möglichst bald wieder zu verkaufen, kann ich nichts abgewinnen."

Dass er damit Jauks oberstes Prinzip konterkariert, macht ihm nichts aus. "Ich habe ein gutes Verhältnis mit Jauk, er weiß, wie ich ticke. Mit dem Begriff Ausbildungsverein kann ich wenig anfangen. Ich will nicht für andere ausbilden."

Wirtschaftlich war es zuletzt erforderlich, über Transfers Erlöse zu erzielen. Die Herangehensweise soll sich hierfür ändern.

"Es ist mein Wunsch, dass man nicht auf Verkäufe angewiesen ist, sondern zu sagen: Wenn der Preis gut genug ist, muss man es machen. Aber es ist nicht das vorrangige Ziel. Das macht einen großen Unterschied aus."

Am Samstag steht mit dem Liga-Auftakt gegen Meister Red Bull Salzburg für viele neue Gesichter in Graz der erste echte Gradmesser auf dem Programm.

Analyse der Neuen: "Schulz in sehr guter Verfassung"

Mehrere Neuzugänge waren schon bei großen Klubs, hatten aber in der jüngeren Vergangenheit nicht den großen Erfolg. Daher waren sie auch ablösefrei zu haben.

"Fabian Koch kam mit 22 Jahren zur Austria, hat viel gespielt, war aber nie ein Star. Mit dieser Erfahrung kommt er jetzt zu einem anderen großen Klub in Österreich. Er ist unheimlich schnell, strahlt offensiv Gefahr aus, hat aber ein anderes Standing. Das gleiche trifft auf Huspek und Alar zu", analysiert Kreissl.

"Er kann das Masterpiece in diesem Puzzle sein."

Über Abwehrchef Schulz

Im Mittelfeld ragt die Verpflichtung von Uros Matic heraus: "Er hat in einer großen Liga gegen starke Gegner gespielt. Ein technisch ganz feiner Spieler mit einer hohen Laufbereitschaft." Bislang hat er nur auf der Sechserposition gespielt, es gibt aufgrund seiner Fähigkeiten auch die Überlegung, ihn als Zehner aufzustellen.

Den großen Wurf hofft man in Graz mit Abwehr-Routinier Christian Schulz gemacht zu haben: "Er kann das Masterpiece in diesem Puzzle sein, weil wir keinen anderen Spieler mit so einem Charisma, Charakter und einer so großen Erfahrung besitzen."

Die Wahrscheinlichkeit für Erfolg

Trotz seiner 33 Jahre sei der Ex-Kapitän von Hannover 96 bestens in Schuss: "Es ist ein großer Luxus, einen arrivierten Spieler zu haben, der noch in so guter Verfassung ist. Die medizinischen Checks haben das bestätigt."

Das Transfer-Pensum glaubt Kreissl damit erfüllt zu haben: "Wir haben versucht, die Wahrscheinlichkeit für Erfolg zu verbessern. Die Spieler müssen es jetzt zeigen."

Über ein auf die Tabelle umgelegtes Ziel lässt sich der sportliche Geschäftsführer nur so viel entlocken: "Eine erfolgreiche Saison ist es dann, wenn wir uns punktemäßig verbessern."

Die Hürde liegt bei 48 Punkten. Mit 50 Zählern hat die Admira in der Vorsaison Platz vier und damit einen Europacup-Startplatz erreicht.

Andreas Terler

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