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Wie Abdulah Ibrakovic Kapfenberg zum Klassenerhalt zauberte

Abdulah Ibrakovic hat die Kapfenberger SV in der vergangenen Saison sensationell vor dem Abstieg bewahrt. Wie er das geschafft hat, hat er LAOLA1 verraten.

Wie Abdulah Ibrakovic Kapfenberg zum Klassenerhalt zauberte Foto: © GEPA

"Ich hab' mir einen Zauberstab gekauft", zwinkerte Kapfenberg-Trainer Abdulah Ibrakovic nach dem 2:1-Heimsieg gegen den FC Dornbirn im vergangenen Mai und lieferte der "Kronen Zeitung" damit eine nicht ganz ernst gemeinte Begründung für seinen Erfolgslauf.

An jenem 26. Spieltag der Admiral 2. Liga lag die KSV gegen die Vorarlberger zur Pause mit 0:1 zurück. In der zweiten Hälfte hatten Mark Grosse und Winfred Amoah mit ihren Treffern das Spiel gedreht, womit die Steirer zum damaligen Zeitpunkt bereits das achte Spiel in Serie ungeschlagen blieben.

"Ibrakadabra verzaubert die Falken", titelte die "Kronen Zeitung" bereits Ende April, als noch sechs Runden zu spielen waren. Schon vor dem letzten Spieltag stand der Klassenerhalt schließlich fest, womit Ibrakovic im beschaulichen Kapfenberg ein kleines Wunder gelungen war.

Vierter in der "Ibrakovic-Tabelle"

Nach elf Spieltagen waren die "Falken" mit zwei Unentschieden und neun Niederlagen das klare Schlusslicht der 2. Liga. Ibrakovic übernahm ab dem zwölften Spieltag von David Sencar, der fortan als Co-Trainer agierte.

In 19 Spielen holte Ibrakovic, der in Doboj, im heutigen Bosnien-Herzegowina geboren wurde, sensationelle 35 Punkte. Würde man nur die Spiele seit dem Amtsantritt des 52-Jährigen berücksichtigten, hätte Kapfenberg die Saison hinter Blau-Weiß Linz, dem GAK und dem SKN St. Pölten auf dem vierten Platz abgeschlossen.

Die "Ibrakovic-Tabelle" (12. bis 30. Spieltag):

 

Platzierung Verein Spiele Siege Remis Niederlagen Punkte
1. Blau-Weiß Linz 19 14 3 2 45
2. GAK 19 13 4 2 43
3. SKN St. Pölten 19 11 4 4 37
4. Kapfenberger SV 19 9 5 5 32
5. FC Liefering 19 9 2 8 29
6. SV Horn 19 6 7 6 25
7. SKU Amstetten 19 6 6 7 24
8. FAC 19 6 6 7 24
9. Vorwärts Steyr 19 6 4 9 22
10. Sturm Graz II 19 7 1 11 22
11. SV Lafnitz 19 6 4 9 22
12. FC Dornbirn 19 6 3 10 21
13. First Vienna 19 6 3 10 21
14. Rapid Wien II 19 5 5 9 20
15. Admira Wacker 19 5 4 10 19
16. Young Violets 19 5 3 11 18

Doch, wie konnte die Mannschaft aus dem Formtief geholt werden? Wie gelang es ihr, im Frühjahr ganze zehn Spiele in Serie ungeschlagen zu bleiben? Wo musste angesetzt werden?

"Jedes Spiel war Dramatik pur"

LAOLA1 hat beim Kapfenberg-Trainer nachgefragt. "Herr Ibrakovic, können Sie zaubern?", lautete die Einstiegsfrage.

"Es war sicher keine leichte Aufgabe. Gott sei Dank haben sich das Team, der Verein und ich entschlossen, gemeinsam in diese Geschichte zu gehen. Denn der Verein ist schon jahrelang in der 2. Liga. Wir haben gesagt: Ok, jetzt versuchen wir, das zu schaffen. Jedes Spiel war Dramatik pur. Aber am Ende haben wir es geschafft", so Ibrakovic.

Als der 52-Jährige im Oktober 2022 Kapfenberg übernommen hatte, kehrte er an seine alte Wirkungsstätte zurück. Ibrakovic war bereits in der Saison 2016/17 sowie von Sommer 2020 bis November 2021 Trainer in der drittgrößten Stadt der Steiermark.

Erwin Fuchs (links) und Abdulah Ibrakovic (Mitte) verstehen einander.
Foto: © GEPA

Wie kam der neuerliche Kontakt zustande? "Der Kontakt ist immer da. Ich wohne in Bruck an der Mur, habe dort mit der Familie ein Haus gebaut. Ich bin mittlerweile auch Österreicher, habe die Staatsbürgerschaft bekommen", grinst Ibrakovic.

Aufgrund der Nähe war der Wahl-Steirer immer wieder im Stadion der Kapfenberger. Mit KSV-Präsident Erwin Fuchs verbindet ihn eine gute Freundschaft. Der 69-Jährige kam in einer schwierigen Situation auf Ibrakovic zu, der das Team schließlich zum dritten Mal als Cheftrainer übernahm.

Kapfenberg in der Abwärtsspirale

Wie sahen dann die ersten Tage mit der Mannschaft aus? In welchem mentalen Zustand befand sich das Team?

"Mental war die Mannschaft zerstört. Wenn du jedes Match verlierst, bist du normalerweise nicht am Boden, sondern unterm Boden. Aber ich habe an dieses Team geglaubt. Meine beiden Vorgänger (David Sencar und Vladimir Petrovic, Anm.) haben versucht, alles zu geben. Aber es war wie eine Abwärtsspirale, die das Team gehabt hat. Ich habe gesagt: Das müssen wir stoppen."

Das Erfolgsrezept klingt simpel: so schnell wie möglich punkten oder am besten Spiele gewinnen, das war die Devise. Dann komme das Selbstvertrauen zurück, so Ibrakovic.

Zwei Spiele waren schließlich richtungsweisend. Der 1:0-Sieg gegen die zweite Mannschaft von Sturm Graz und der 3:2-Erfolg gegen den FC Liefering. "Nach diesen zwei Spielen haben wir ehrlich geglaubt, dass wir es schaffen können", sagt Ibrakovic.

Ibrakovic: "Nach der Meisterschaft war ich leer"

Ibrakovic:
Christopher Giuliani blieb in der abgelaufenen Saison als KSV-Torhüter in drei Spielen ohne Gegentor.
Foto: © GEPA

Die Grundlage für den Klassenerhalt war eine gute Analyse der Situation. Ibrakovic hat sich sowohl mit Personen im als auch außerhalb des Vereins ausgetauscht.

Eine zentrale Baustelle war die Torwart-Position. Diese Lücke sollte im Jänner 2023 mit der Verpflichtung von Christopher Giuliani, der mittlerweile für die First Vienna spielt, geschlossen werden. "In solch einer Situation kann ich nicht einen jungen Goalie bringen, weshalb wir Giuliani geholt haben", erklärt Ibrakovic. "Danach haben wir hinten unsere Stabilität bekommen."

In der Rückschau kann sich der KSV-Coach auch über die "Ibrakovic-Tabelle" freuen. Während der Saison habe man aber nur von Spiel zu Spiel geschaut. "Wir haben akribisch gearbeitet, jeden Moment des Gegners analysiert und alle guten Dinge, die wir haben, ins nächste Match einfließen lassen. Wichtig war dieser Fokus", so Ibrakovic.

"Nach der Meisterschaft war ich ehrlich leer, die Spieler sowieso. Wir haben uns aber auch gefreut, dass wir es geschafft haben. Wir hatten ein hartes Stück Arbeit hinter uns", blickt der 53-Jährige durchaus stolz auf die vergangene Saison zurück.

Zu wirklichen Typen gereift

Eine Bestätigung für die harte Arbeit gab es schon zwei Runden vor Schluss am 28. Spieltag, als Kapfenberg gegen den Aufstiegsaspiranten SKN St. Pölten einen 2:1-Sieg feierte. Auch hier war der mentale Aspekt der Schlüssel zum Erfolg. 

"Ich habe zu meinem Team gesagt: Gegen uns spielen nur andere Männer mit einer anderen Trikotfarbe. Wir spielen in Rot, bitte spielt nicht zum Gegner", führt Ibrakovic mit einem Lachen aus.

Das Wichtigste für den KSV-Coach: Jeder Spieler müsse Leadership-Fähigkeiten haben. "Jeder muss mithelfen, jeder muss mitrennen, jeder muss Verantwortung übernehmen. Egal, ob er 16 oder 24 Jahre alt ist. Und unser Team hat mit so viel Solidarität und Empathie gespielt, das war ein Wahnsinn."

Die Entwicklung seiner Mannschaft in den vergangenen Monaten habe Ibrakovic besonders imponiert.

"Wenn die Spieler auf den Platz gehen, merkst du nicht, ob sie 16, 17 oder 24 Jahre alt sind. Wenn du sie im Trikot siehst, sagst du: Wow, das sind coole Typen. Wenn sie die Trikots ausziehen und die Zivilkleidung anhaben, siehst du, dass sie richtige Kinder sind. Aber ich bin glücklich, wenn ich mir heute ein Training anschaue und das mit einem Training vor sechs, sieben Monate vergleiche. Das sind jetzt wirkliche Typen."

Emotion als wichtigster Treibstoff

Emotion als wichtigster Treibstoff
Joao Victor im Jahr 2017 im Kapfenberg-Trikot.
Foto: © GEPA

Junge Spieler und die KSV, das passt zusammen. Der Verein bietet nicht nur vielen Spielern aus der Kapfenberger Akademie eine Bühne. Auch Talente, die den Sprung in eine erste Mannschaft vorerst nicht geschafft haben, bekommen die Möglichkeit, sich zu beweisen. "Wir sind ein Verein, der den Spielern eine richtige oder zweite Chance gibt", sagt Ibrakovic.

"Kapfenberg hat so viele Spieler entwickelt, das ist ein Wahnsinn", so der "Falken"-Coach, der mit Dominik Frieser, Florian Flecker, Albert Vallci oder Joao Victor einige Namen anführt.

In der anstehenden Zweitligasaison wird die KSV also erneut mit einer jungen Mannschaft auflaufen. Mit Richard Strebinger haben die Steirer auf der Torhüter-Position aber auch an Erfahrung dazugewonnen. Schmerzhaft sind die Abgänge von Grosse und Amoah, die zu den Zweitliga-Konkurrenten SV Ried bzw. DSV Leoben gewechselt sind.

Die angesprochenen Grundtugenden sollen heuer erneut auf den Platz gebracht werden. "Unser Spiel hat Emotion als wichtigsten Treibstoff. Wenn du mit so viel Emotion spielst, ist das psychologisch sehr stark. Unsere Art zu spielen, ist anders. Aber da meine Kollegen das womöglich lesen werden, darf ich nicht verraten, wie wir spielen", will Ibrakovic nicht zu sehr ins Detail gehen.

Wann die Saison für 53-Jährigen ein Erfolg ist? "Die Hauptsache ist, dass wir nicht bis zum letzten Spieltag mit dem Klassenerhalt beschäftigt sind."

Der Saisonauftakt glückte jedenfalls schon einmal – auch wenn es knapp wurde. Gegen den Deutschlandsberger SC setzten sich die "Falken" in der ersten ÖFB-Cup-Runde erst im Elfmeterschießen durch.

In der ersten Zweitliga-Runde ist Kapfenberg dann in Lafnitz gefordert (im LIVE-Stream >>>).


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