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Marita Kramer: "Es musste weh tun und brennen"

2021/22 war Marita Kramer die weltbeste Skispringerin. Dann wirbelte ein Corona-Test vieles durcheinander. Ein Interview über ihre Hassliebe zum Skispringen.

Marita Kramer: Foto: © GEPA

Wie schnell man nach Erfolgen wieder auf dem Boden der Tatsachen landen kann, musste Sara Marita Kramer im vergangenen Winter mitunter leidvoll erfahren.

Nach ihrem Gesamtweltcup-Sieg 2021/22 kämpfte die in den Niederlanden geborene ÖSV-Skispringerin in der abgelaufenen Saison mit körperlichen Problemen und Formschwankungen, legte zwischendurch sogar eine Weltcup-Pause ein.

"Der vergangene Winter hat projiziert, wie ich mit der Saison davor umgegangen bin. Ich glaube, dass ich das mit Olympia vielleicht nicht ganz so verarbeitet habe, wie ich mir gedacht hätte", gibt Kramer zu.

Damit spricht die 22-Jährige ihre verpasste Teilnahme an den Olympischen Spielen 2022 an. Ein positiver Corona-Test riss die damalige Saison-Dominatorin aus ihren Gold-Träumen. 

Im Weltcup wollte sie dann im vergangenen Winter wieder die Beste sein – und scheiterte.

Im LAOLA1-Interview spricht Kramer über körperliche Probleme, die sie selbst nicht ganz wahrhaben wollte, ihren Sturschädel, die Hassliebe zum Skispringen und warum das vermeintlich Richtige am Ende das Falsche war.


LAOLA1: Wie geht es dir?

Marita Kramer: Ich fühle mich soweit gut. Mein Körper fühlt sich langsam wieder fit an, ein bisschen ausgeruhter und motivierter. Ich freue mich auf den Winter, wenn es wieder los geht.

LAOLA1: Du hast eine herausfordernde Saison hinter dir. Hast du alles aufgearbeitet?

Kramer: Der vergangene Winter hat projiziert, wie ich mit der Saison davor umgegangen bin. Ich glaube, dass ich das mit Olympia vielleicht nicht ganz so verarbeitet habe, wie ich mir gedacht hätte. Dann wollte ich einfach beweisen, was ich drauf habe. Ich war Gesamtweltcup-Siegerin und das wollte ich wiederholen. Und dann war da noch die Müdigkeit. Die hatte doch ein bisschen mehr Auswirkungen, als ich geglaubt und auch gesagt habe. Ich habe es immer ziemlich runtergeredet.

LAOLA1: Woher kam diese Müdigkeit und die körperlichen Probleme?

Kramer: Ich wollte im Sommer immer mehr und mehr und habe im Training ein bisschen übertrieben. Es musste weh tun und brennen, das war die Hauptsache. In dem Moment habe ich geglaubt, es ist das Richtige. Im Endeffekt war das natürlich nicht so, es war einfach die falsche Richtung. Daraus habe ich gelernt. Ich habe nicht beachtet, was wirklich relevant ist.

LAOLA1: Wie genau meinst du das?

Kramer: Dass man auch mal tief durchatmen muss, wenn man so etwas Großes wie einen Gesamtweltcup-Sieg erreicht hat. Das war für mich ein Lernprozess bzw. ist es immer noch. Mehr ist nicht immer mehr. Das ist auch für die kommende Saison ein wichtiger Punkt. Es gelingt mir noch nicht immer, eine gute Balance zu haben. Aber ich bin dran, alles ein bisschen mehr auszugleichen und kann die Regeneration auch als Training sehen.

"Es ist einfach ein bisschen eine Hassliebe. Ich liebe Skispringen, aber ab und zu regt es mich auch dermaßen auf, weil ich auf einmal seriös und ungeduldig bin, obwohl ich normalen Leben nicht so bin."

LAOLA1: Hast du nach der abgelaufenen Saison bewusst eine Auszeit vom Skispringen genommen?

Kramer: Ich habe während der Saison und teilweise auch während des Sommers noch gedacht: Abstand wäre mal nicht so schlecht. Aber es ist einfach ein bisschen eine Hassliebe. Ich liebe Skispringen, aber ab und zu regt es mich auch dermaßen auf, weil ich auf einmal seriös und ungeduldig bin, obwohl ich im normalen Leben nicht so bin. Im Skispringen verlange ich das Beste von mir und im echten Leben bin ich eigentlich eine Chaotin und lebe ein bisschen dahin. Damit muss ich auch lernen umzugehen, da sind wir jetzt auch dran.

LAOLA1: Wie lernt man, als Sportlerin geduldig zu sein?

Kramer: Es ist schon sehr in mir drin, wenn es um den Sport geht, weil ich einfach sehr ehrgeizig bin. Wenn ich was im Kopf habe, bin ich oft ein Sturschädel und dann ist es mir auch egal, was mir wer anderer sagt. Ich muss lernen, diese Ungeduld abzulegen und geduldiger zu sein. Unser neuer Trainer weiß schon sehr gut, wann ich die Ungeduld mal ablegen muss und wann ich vielleicht schon ein bisschen ungeduldig sein darf. Er hat da ein richtig gutes Gefühl.

LAOLA1: Wie wichtig ist da auch deine Familie, muss sie dich manchmal auf den Boden zurückholen?

Kramer: Die Familie ist sehr wichtig. Ich bin mir bewusst, dass es für Spitzenleistungen auch ein gutes Umfeld braucht. Sie sind immer für mich da und unterstützen mich. Sie freuen sich mit mir mit und wenn ich schlecht springe, das ist es denen egal. Sie sagen, mir soll es gut gehen, ich soll glücklich sein und das ist das Wichtigste.

LAOLA1: Ist das auch das Mindset, mit dem du jetzt in die neue Saison startest?

Kramer: Ich will an der Schanze glücklich sein und Freude haben, das ist das Wichtigste.

"Ich mag Dinge, die nicht jeder hat."

Kramer designt in ihrer Freizeit Kleidungsstücke

LAOLA1: Abseits der Schanze scheinst du Freude am Designen von Kleidungsstücken gefunden zu haben.

Kramer: Ja, das hat sich irgendwie ergeben. In den letzten Jahren hatte ich nur den Sport im Kopf, aber Fotografie und Zeichnen mochte ich schon immer gerne. Jetzt habe ich dieses Hobby sozusagen wiedergefunden. Und ich mag Dinge, die nicht jeder hat. Also habe ich angefangen, Grafiken oder Bilder zu vektorisieren und versucht, sie auf Kleidung zu bügeln – und es halt gehalten. Am Anfang war es ein bisschen ein Pfusch, aber jetzt habe ich schon ein gescheite Presse und mache das schon so, dass es wirklich ordentlich ist. Also da habe ich investiert. (lacht)

LAOLA1: Du hast sogar schon Pullis verkauft.

Kramer: Ich habe es auf Instagram gezeigt und sehr viele positive Kommentare bekommen und Anfragen, ob ich das auch verkaufe. Anfangs wollte ich es nur für mich machen, aber dann habe ich mir gedacht, es wäre eigentlich ganz cool. Ich habe dann mit ein paar Freunden und meiner Familie gebrainstormt, weil ich Designs machen will, wo ein bisschen was dahinter steckt. Weil die Glückszahl meines Papas 13 ist, haben wir beschlossen, mal 13 Stück zu produzieren. Die waren dann binnen kurzer Zeit ausverkauft. Natürlich steht der Sport im Vordergrund, aber wenn ich mal wieder ein bisschen Ablenkung brauche, kommt da sicher wieder was nach.

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