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Kraft und der Kulm: "Mehr Adrenalin und auch bisschen Angst"

Der Weltcupführende geht als einer der Top-Favoriten in die Skiflug-WM. Ob er sich am Kulm einen neuen Rekord zutraut? Plus: Was man fühlt, wenn man fliegt.

Kraft und der Kulm: Foto: © GEPA

Am Wochenende steht die Skiflug-WM am Kulm an, bis zu 100.000 Zuschauer werden im sonst so beschaulichen Bad Mitterndorf erwartet. Mit Stefan Kraft hat Österreich einen absoluten Top-Favoriten in seinen Reihen.

Für ihn ist es bereits das zweite Mal, dass er im Rahmen einer Weltmeisterschaft von der Schanze in der 5.000-Einwohner-Gemeinde geht. Bereits 2016 war der 30-Jährige mit dabei.

Damals sicherte er sich Bronze im Einzel und konnte dies tags darauf im Team mit Manuel Poppinger, Manuel Fettner und Michael Hayböck wiederholen. 

Heuer aber sind die Vorzeichen andere, die Chance auf Gold ist so groß wie lange nicht. Gelingt Kraft der Coup, wäre er der erste rot-weiß-rote Weltmeister seit Gregor Schlierenzauer 2008. 

Im LAOLA1-Interview spricht er über seine WM-Ziele, wer seine schärfsten Konkurrenten sind und was das Skifliegen für ihn so besonders macht. 

LAOLA1: Mit welchen Erwartungen gehst du in die Skiflug-WM am Kulm?

Stefan Kraft: Mein großes Ziel ist es, eine Medaille zu gewinnen. Das wäre zu Hause etwas ganz besonderes. Ich durfte das ja 2016 schon erleben, als ich zweimal Bronze gewonnen habe. Das war ein richtig schönes Event. Ich freue mich auf eine Mega-Stimmung. Die Vorzeichen in den letzten Wochen waren natürlich nicht ganz ideal. Zuerst war es ein wenig mein Rücken, das passt aber soweit wieder. Danach war ich ein bisschen kränklich und angeschlagen. Die Trainingseinheiten werde ich so gut wie möglich nutzen müssen, weil wir ja am Wochenende noch Wettkampf hatten. Aber soweit fühle ich mich wieder ganz gut.

"Ich glaube, dort willst am Kulm du gar nicht landen. Ich glaube nicht, dass du da heil im Auslauf ankommst."

Kraft über einen möglichen Rekord-Sprung auf 254 Meter.

LAOLA1: Du zählst zu den großen Titel-Favoriten, wer sind aus deiner Sicht deine schärfsten Konkurrenten?

Kraft: Natürlich Ryoyu Kobayashi, er schwebt ja momentan auf einer Wolke dahin. Er springt richtig gut, trifft jeden Wettkampfsprung. Er macht es richtig gut, so wie ich am Saisonbeginn. Auch die Slowenen gehören für mich dazu, Skifliegen ist ja ihre Paradedisziplin, da werden alle vier sehr heiße Kandidaten sein. Außerdem Andi Wellinger, er wird auch gut fliegen, so wie er derzeit springt. Aus dem eigenen Team habe ich Michi Hayböck und Jan Hörl auf der Rechnung, sie haben das richtige Zeug zum Skifliegen.

LAOLA1: Du bist aktuell Weltrekordhalter. Traust du dir zu, diesen auf dem Kulm auszubauen? Am Kulm wird es bei 254 Metern dann ja schon ziemlich flach.

Kraft: Ich glaube, dort willst am Kulm du gar nicht landen (lacht). Ich glaube nicht, dass du da heil im Auslauf ankommst. Im Bereich zwischen 245 und 247 Metern ist es realistisch. Aber auch dazu braucht es eine gute Flugkurve und gute Bedingungen. So war es beispielsweise letztes Jahr, wo es oben ruhig war und unten der Aufwind drinnen war. Zudem braucht es tiefe Temperaturen, dann sind solche Sprünge möglich. Sag niemals nie, aber um über 250 Meter zu kommen, muss wirklich alles zu 100 Prozent passen.

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LAOLA1: Du hast es angesprochen: Es soll am Kulm ja recht kalt werden. Das sind Bedingungen, die dir für gewöhnlich entgegenkommen.

Kraft: Es muss nicht zwingend kalt sein. Auch wenn es warm ist, ist mir das grundsätzlich egal. Es geht hauptsächlich um die Spur. Die muss gut rutschen, dann kann ich meinen attraktiven Sprungstil umsetzen. Bei der Tournee haben sie in Innsbruck und Bischofshofen die Spur super hinbekommen, obwohl es geschneit hat. Auch am Kulm hat die Spur immer super gepasst, auch wenn es einmal warm war. Deswegen schaue ich nicht so sehr auf den Wetterbericht, aber wenn es ein wenig kälter ist, spürt man das Material ein bisschen besser. Alles ist ein wenig steifer, das taugt mir dann ganz gut.

LAOLA1: Was macht das Skifliegen für dich so besonders?

Kraft: Ich sage immer: Es ist die Champions League des Skispringens. Es ist schneller, höher und weiter. Mehr Adrenalin und auch ein bisschen Angst. Mann kann so richtig spüren, wie man fliegt. Wie man dank Anzug und Ski auf einer Welle schwebt, wenn man genau darauf ist und sogar nochmals wegsteigt. Dafür trainierst du und dafür bist du auch Skispringer geworden.

Im Jahr 2014 flog Kraft erstmals am Kulm
Foto: © GEPA

LAOLA1: Kannst du dich noch an deinen ersten Sprung am Kulm erinnern?

Kraft: Ja, das war 2014. Da sind wir noch am alten Kulm gesprungen, damals ging es noch nicht so weit. Die Atmosphäre ist dort immer toll, es ist eine megacoole Anlage. Mir fällt da nichts ein, was fehlen würde. Wir sind immer in einem sehr schönen Hotel. Außerdem gibt es coole Side-Events, wo immer viele Leute da sind. Es ist eine richtig coole Veranstaltung.

LAOLA1: Wie ist es dir bei deinem Premieren-Sprung dort ergangen? Was ging in dir vor, als du zum allerersten Mal oben gesessen bist und in die Menge geschaut hast?

Kraft: Die älteren Kollegen haben immer erzählt, wie arg die Schanze ist. Das musst du dir als Junger natürlich anhören. Das erste Mal Skifliegen ist immer mit ein bisschen Respekt verbunden. Es ist eine neue Schanze und du hast ein bisschen Angst. Aber dann denkst du dir: “Okay, jetzt sind vor mir 30 oder 40 andere auch hinuntergekommen, dann schaffst du das auch.” Und so ist es dann auch meistens, aber es kribbelt schon immer. Die Anspannung ist viel höher als bei einem normalen Weltcupspringen. Es macht schon was mit dir. Wenn du dann aber einmal unten bist, ist es sehr schön und du willst immer wieder hinauf.

"Dann bin ich beim ersten Sprung gleich bei 241 Metern gelandet und mein erste Gedanke war: 'Wow, ist das wirklich gerade passiert? Wie cool war das denn!'"

Kraft über seine starke Leistung trotz Krankheit im Vorjahr.

LAOLA1: Was war für dein bisher besonderster Moment, den du am Kulm erlebt hast?

Kraft: Ich konnte dort meinen ersten Sieg in Österreich feiern (2020, Anm.). Das war etwas ganz Besonderes, den am Kulm zu feiern. Das war sicher einer der schönsten Momente. Letztes Jahr war es kurios und schwierig, weil eigentlich unser ganzes Team krank war. Ich habe mich in der Nacht zuvor irgendwie drübergerettet und auch den ersten Trainingssprung ausgelassen. Ich habe mir gedacht: "Schauen wir mal, was das wird." Dann bin ich beim ersten Sprung gleich bei 241 Metern gelandet und mein erste Gedanke war: "Wow, ist das wirklich gerade passiert? Wie cool war das denn!" Am Ende war es ein traumhaftes Wochenende.


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