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Hirscher: Was er diesmal anders macht

Marcel Hirscher geht neue Wege, um alte Erfolge einzufahren:

Hirscher: Was er diesmal anders macht

Marcel Hirscher geht neue Wege, um im kommenden Ski-Winter alte Erfolge zu wiederholen.

Der 28-jährige Salzburger gönnt sich in diesem Sommer beispielsweise eine besonders lange Pause. Während der Großteil der anderen Läufer bereits wieder auf Skiern steht, kehrt der sechsfache Gesamtweltcupsieger erst in Kürze wieder auf Schnee zurück.

"Würde ich morgen einen Trainingslauf mit ihnen fahren, wäre ich Letzter", sagt er klipp und klar.

Warum er sich zu den neuen Wegen entschieden hat, wie er mit dem Thema "Olympia-Gold" umgeht, wieso die Leute ihm manchmal nicht glauben und weshalb er sich im Sommer fast nicht zu Wort meldet, hat LAOLA1 zusammengefasst.

MARCEL HIRSCHER...

… über seine Heimat Annaberg: Ich wollte nie ins Ausland ziehen. Meine Familie, meine Freunde, mein Umfeld - alles dreht sich um das Salzburger Land. Deshalb habe ich keinerlei Absichten, diesen schönen Fleck Erde zu verlassen. Hier kann ich am besten den Kopf frei kriegen. Die Leute kennen mich, seit ich mit der Windel herumlaufe. Für die meisten bin ich Marcel und nicht der Ski-Star.

… über seine Sommer-Aktivitäten: Ich war im Urlaub tauchen. Das ist eine große Herausforderung für eine „Berggams“ wie mich. Für andere ist das ganz normal, für mich ist es ungewohnt. Es ist jedes Mal faszinierend, einen Hai oder Rochen zu sehen. Ich war auch bei Festivals, das Tomorrowland war ein einmaliges Erlebnis. Es war die Reise wert. Eigentlich ist es untypisch für mich, weil es nicht hineinpasst. Ich bin jetzt zehn Jahre im Ski-Weltcup dabei, in so einer Zeit steckst du viel hinein. Ich habe in den letzten Jahren alles dem Skisport untergeordnet. Auf ein Festival kann ich mit 40 Jahren auch noch gehen, es ist aber jetzt am lustigsten. Jetzt interessiert es mich, deswegen haben wir es einfach gemacht. Das Leben ist schon mehr als blaue und rote Tore. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass irgendwas auf der Strecke geblieben ist. Ich merke nur, dass mehr und mehr andere Interessen dazukommen.

VIDEO - Im letzten Sommer zeigte uns Marcel Hirscher seine Heimat:
(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

… warum er sich im Sommer solche Ablenkungen gönnt: Ich muss schauen, dass ich frisch bleibe. In den letzten Jahren haben wir es oft so gemacht, dass die neue Saison am letzten Tag der alten quasi schon wieder begonnen hat.

… warum er im Sommer auch auf Social Media fast abschaltet: Für mich würde es schon gehen, aber ich glaube die Leute wollen auch einmal Ruhe von mir haben. So denke ich es mir zumindest. Ich folge auch anderen Sportlern und Persönlichkeiten und denke mir, jetzt ist es dann einmal gut. So muss es einem Follower von mir auch gehen, weil im Winter wirklich viel passiert. Dann auch noch im Sommer zum zehnten Mal zu posten, dass ich trainiere, ist nicht nötig. Ich trainiere sowieso jeden Tag. Deswegen fahre ich in dieser Hinsicht auch zurück. Es sollte eine Message dahinter geben und nicht einfach ein Posting sein, um ein Bild hochgeladen zu haben. Ich konsumiere privat auch wenig, sitze kaum vor dem TV oder Radio. Es treibt mich hinaus, ich gehe in die Berge.

… wie es ihm mental geht: Es ist besser als im letzten Jahr. Aber nicht so, dass ich Energie ohne Ende habe. Ich habe länger nichts gemacht - also kein Leistungstraining. Ich habe schon Sport gemacht, aber nicht nach einem Plan. Diese Pause war echt lang und hat mir gut getan.

... ob die Anstrengung mit den Jahren für den Kopf oder den Körper größer ist: Vom körperlichen Training her geht es immer noch gut. Nach zwei Monaten Auszeit bist du wieder voll da. Ich merke aber, dass teilweise der Kopf lange braucht, um etwas zu verarbeiten. Ich erwische mich manchmal selbst, wie ich mir im Sommer Gedanken über den letzten Winter mache. Plötzlich bin ich bei der Ski-WM und denke mir „krass“. Ich habe oft nicht die Zeit, das alles unter der Saison zu verarbeiten. Ich bin so lange aus der Saison draußen, trotzdem bin ich manchmal immer noch irgendwie drin.

"Für mich würde es schon gehen, aber ich glaube die Leute wollen auch einmal Ruhe von mir haben. So denke ich es mir zumindest. Ich folge auch anderen Sportlern und Persönlichkeiten und denke mir, jetzt ist es dann einmal gut. So muss es einem Follower von mir auch gehen, weil im Winter wirklich viel passiert."

… ob er ihn solche Gedanken auch bezüglich Zukunft plagen: Nein, gar nicht. Mike (Pircher, Trainer/Anm.) hat mich erst unlängst angerufen und gemeint, dass wir bald auf Skiern stehen. Da war ich erst einmal überrascht. Aber so ist das - wenn du zu den Besten gehören willst, muss es im Sommer irgendwann den Punkt geben, wo du den Hebel umlegst.

… wie er die Umstellung auf die neuen RTL-Ski sieht: Ich habe noch gar nichts gemacht. Nach dem Weltcup-Finale bin ich kein einziges Mal auf Skiern gestanden. Ich habe derzeit keinen Plan. Die Gefahr ist groß, dass in Sölden nicht gleich die Post abgeht. Es war am Ende der letzten Saison aber einfach nicht mehr möglich. Ich war nicht mehr in der Lage, etwas zu tun. Der ganze Druck war weg, alles war erledigt. Ich musste einen Cut machen und die Saison abschließen. Mir ist bewusst, dass es Folgen haben kann. Der ehrgeizige Sportler in mir hatte schon ein schlechtes Gewissen, das war aber relativ schnell weg.

… über die Tatsache, dass er in jedem Sommer sagt es wird schwerer aber seine Dominanz in der Saison dennoch gegeben ist: Mir wird manchmal einfach nicht geglaubt, wenn ich etwas sage. Ist ja klar, weil das Resultat bis jetzt fast immer doch gepasst hat. Ich denke aber an den Weltcupstart in Sölden im letzten Jahr zurück. Am Freitag vor dem Riesentorlauf hat dermaßen der Hut gebrannt, das kann man sich nicht vorstellen. Das waren keine Märchen, ich wollte nichts inszenieren - das war Fakt. Irgendwie geht es dann mit vereinten Kräften. Das ganze Team schaut dann, wo der Hund drin ist - das ist richtig viel Arbeit.

… über die Ausgangslage für kommende Saison: Wenn ich mir ansehe, wie motiviert Henrik Kristoffersen ist und Gas gibt. Man kann das recht gut verfolgen, ich beobachte meine Gegner natürlich. Jeder muss das machen, was er braucht um gut zu werden. Meine Interessen entwickeln sich langsam in eine andere Richtung, ihre vertiefen sich. So wie sie angasen, geht der Weg nur über Henrik und Alexis Pinturault. Die sind schon wieder Ski gefahren, ich habe jetzt schon zwei Monate Rückstand.

… ob er bei seinen Grundvoraussetzungen tatsächlich „Rückstand“ hat: Schon, beispielsweise beim neuen Riesentorlauf-Material. Ich weiß nicht was meine Markenkollegen Feller und Schwarz schon geschafft haben, darauf muss ich mich verlassen. Würde ich morgen einen Trainingslauf mit ihnen fahren, wäre ich Letzter.

… über seine Herangehensweise beim immer wieder aufkommenden Thema Olympia-Gold: Ich mache mir immer wieder klar, dass ich nicht muss. Ich darf, aber ich muss nicht. Wenn ich einen Wunsch frei hätte um mich zwischen großer Kristallkugel und Olympia-Gold entscheiden müsste, wäre es der Gesamtweltcup. Sechs Kugeln, das ist meine Benchmark - eine siebte wäre abartig. Olympia-Gold wäre auch cool, aber der Gesamtweltcup steht für mich darüber. Aber ich weiß nicht einmal noch, wie die neuen Riesentorlauf-Ski sind. Wie soll ich also jetzt von Olympia-Gold sprechen? Das wäre weit vorgegriffen und ist nicht mein Zugang.

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… warum er in all den Jahren nicht auf professionelle psychologische Unterstützung setzt: Bei mir sind es so spezielle Situationen. Ich traue mich zu behaupten, dass nur ganz wenige Personen in Österreich nachvollziehen können, wie sich so etwas anfühlt. Deswegen ist es für mich schwer, jemandem da wirklich zu vertrauen. Als junger Fahrer erhält man vom Skiverband so eine Unterstützung, ich habe mir aber immer schwer getan. Wahrscheinlich muss dieser Mensch gar kein Sportler sein - aber für mich ist es schwer zu glauben, dass jemand sagt, er weiß wie es sich anfühlt bei der Ski-WM 2013 als letzter Fahrer im Starthaus zu stehen und 30.000 Fans jubeln. Das muss man selbst erlebt haben. Da kenne ich nur zwei Leute in Österreich, Hermann Maier und Stephan Eberharter. Das war es dann aber auch schon. Ich habe meine Leute, gemeinsam schmeißen wir den Laden.

… ob es Austausch mit Hermann Maier gibt: Nein, nicht in dieser Art. Wir rufen uns nicht zusammen, um auf einen Kaffee zu gehen. Dafür kennen wir uns zu wenig, weil er im Weltcup ging als ich kam. Wenn wir uns treffen, ist es aber eine richtige Gaudi. Es ist toll, sich mit ihm auszutauschen. Er weiß, wovon er spricht.

… über seinen weiteren Fahrplan bis zum Weltcup-Start Ende Oktober: In den nächsten Tagen werde ich zum ersten Mal wieder auf Skiern stehen. Wenn es geht, will ich in Österreich bleiben, zunächst am Mölltaler Gletscher. Das kommt aber auf das Wetter an, es braucht im Tal um die 25 Grad und Sonnenschein. Wenn es wärmer ist, hat es oben auch Plusgrade und du kannst nicht trainieren. Ich will und muss die guten Tage nutzen. Wenn es nicht möglich sein sollte, müssen wir die Koffer packen. Das wäre aber nicht gut, weil die Nähe zur Atomic-Fabrik speziell in dieser Phase sehr wichtig ist. Es ist blöd, wenn du in Neuseeland merkst, dass der Prototyp nicht passt.

… wie er den Fokus auf die verschiedenen Disziplinen legt: Im Slalom können wir mehr oder weniger fast die alte Palette mitnehmen und weiterarbeiten. Im Riesentorlauf stehen wir bei null, da braucht es viel Zeit und Arbeit. Auch von meinem Team, sie alles müssen richtig viel investieren. Die Kernkompetenzen Riesentorlauf und Slalom müssen zu hundert Prozent passen. Wenn das sitzt, kann der Super-G dazukommen. Wenn sich auch das gut anfühlt, kann auch die Kombi dazukommen. Aber klar, ich bin damals nicht umsonst nach Südkorea für den Super-G geflogen. Ich habe mir schon alles angesehen, habe auf den verschiedenen Hängen trainiert. Vielleicht habe ich da den anderen etwas voraus.

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