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Hirscher: 'Das ist eine Schweinerei'

Nach Drohnen-Vorfall schwankt Marcel Hirscher zwischen Wut und Dankbarkeit.

Hirscher: 'Das ist eine Schweinerei'

Marcel Hirscher hat den vorweihnachtlichen Italien-Block der alpinen Ski-Herren am Dienstag mit Platz zwei im Slalom von Madonna di Campiglio erfolgreich hinter sich gebracht. Das Sportliche rückte angesichts des Absturzes einer TV-Drohne direkt hinter ihm aber in den Hintergrund.

"Ich habe mein Weihnachtsgeschenk heuer schon früher erhalten. Ich bin unverletzt", meinte der Gesamtweltcup-Führende.Gewonnen hat Hirscher zwar nur eines der drei Rennen, die er in den Dolomiten bestritt. Am Sonntag ließ er im Riesentorlauf von Alta Badia Henrik Kristoffersen und Victor Muffat-Jeandet hinter sich. Dafür schraubte der Salzburger seine Punkteanzahl auf den zu diesem Zeitpunkt durchaus beachtlichen Wert von 623 Zählern - so viele hatte er vor Weihnachten noch nie im Beutesack. Die bisherige Bestmarke waren 576 Punkte im Vorjahr gewesen.

Zudem lacht Hirscher erstmals seit 2011 während der stillen Zeit von Platz eins im Gesamtranking. 23 Zähler dahinter rangiert der in den Speed-Disziplinen derzeit nahezu unantastbare Aksel Lund Svindal auf Platz zwei, gefolgt von seinen Landsmännern Kjetil Jansrud (407) und Madonna-Sieger Kristoffersen (389). Norwegen versucht also wie es scheint mit geballter Kraft, Hirscher vom Weg zu seiner fünften Kristallkugel abzubringen.

Fassungslosigkeit

Viel mehr als das Rennen um den Gesamtsieg beschäftigte Hirscher am Dienstag aber der Drohnen-Absturz im zweiten Slalom-Durchgang, der jeden Augenzeugen fassungslos zurückließ. Im oberen Streckenabschnitt schlug das Flugobjekt knapp einen Meter hinter dem ÖSV-Superstar auf und löste sich in seine Einzelteile auf.

"Ich habe schon des Öfteren jetzt noch Danke gesagt. Wer auch immer auf mich aufgepasst hat, aber es ist aufgepasst worden", diktierte Hirscher noch sichtlich mitgenommen in die Mikrofone.

"Ich bin wirklich sehr erleichtert, dass nichts passiert ist. Man darf gar nicht nachdenken, was passieren könnte bei einem Gewicht von zehn Kilo, das von 20 Metern runterfällt. Es wäre sicherlich eine sehr ernsthafte, schwere Verletzung gewesen", führte er weiter aus. "Es gibt viele coole Sachen, die momentan modern sind. Aber man muss auch die Sicherheit gewährleisten können - und das war heute eigentlich ein Wahnsinn."

Zwischen Wut und Dankbarkeit

Im öffentlich-rechtlichen italienischen TV wurde Hirscher noch deutlicher: "Wenn ich das jetzt im Fernsehen sehe, ist das eine Schweinerei. Einfach schrecklich! So etwas darf nie wieder passieren." "Es geht nicht, Menschen in Gefahr zu bringen", war auch ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel erbost. Markus Waldner, der Herren-Renndirektor des Internationalen Skiverbandes (FIS), war erleichtert, dass Hirscher unverletzt geblieben war. "Wir sind nur ganz knapp einer Katastrophe entgangen", betonte der Südtiroler.

Der Chef des lokalen Organisationskomitees zeigte sich nicht weniger bestürzt. "Ich kann mich nur bei Marcel Hirscher entschuldigen", sagte Lorenzo Conci geknickt. "Dafür ist der TV-Rechteinhaber Infront verantwortlich. Ich kenne die gesetzliche Lage in Italien leider nicht genau, ich weiß nicht, ob es erlaubt ist, dass die Drohne direkt über einem Fahrer fliegen darf. Das müssen wir auf jeden Fall abklären."

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Entschuldigung

Eine offizielle Entschuldigung kam auch von dem besagten Unternehmen, das im Auftrag der FIS die TV-Rechte für die Ski-Weltcup-Events vertreibt. "Infront entschuldigt sich bei Marcel Hirscher und bei der FIS für den unglücklichen Zwischenfall mit der Drohne. Es werden detaillierte technische Analysen durchgeführt und sobald wie möglich weitere Informationen bekanntgegeben", hieß es in einer kurzen Mitteilung.

Auch die FIS versprach eine rasche Aufklärung. "Selbst wenn - anders als in Österreich, der Schweiz und anderen Ländern - Drohnen in Italien bei Events über Menschenmengen fliegen dürfen, werden die FIS und der Host-Broadcaster mit allen beteiligten Parteien zusammenarbeiten, um herauszufinden, was während dem Absturz passiert ist, um sicherzustellen, dass so etwas nicht noch einmal passiert", verlautete der Weltverband in einer Aussendung.

Wenn man bedenkt, welche Folgen der Crash gehabt haben könnte, erscheint der Verlust von Hirschers Riesentorlauf-Rennski von Alta Badia letztlich als Lappalie. Hirscher selbst hat den zumindest plausibel scheinenden Diebstahl mittlerweile verdaut. "Grundsätzlich ist es nicht so, dass wir nicht mehrere Ski hätten", meinte der 26-Jährige, der nach den Strapazen der Italien-Tour mit ihrem Schockmoment am Schluss nur noch ein stressarmes Weihnachten im Sinn hatte. "Auf die Ruhe freue ich mich sehr. Weil das jetzt war schon am Limit."

Die Internationalen Pressestimmen zum "Hirscher-Horror"

Bild": "Fast-Katastrophe - Drohne kracht neben Slalom-Star. Das war verdammt knapp... Beim Weltcup-Slalom von Madonna di Campiglio (Italien) stürzte eine Kamera-Drohne auf die Piste, krachte nur gut einen Meter hinter Marcel Hirscher (26) in den Schnee und zersplitterte."

Stuttgarter Zeitung: "Drohnenabsturz gefährdet Hirscher. Beim Nachtslalom in Italien kommt es fast zu einer Katastrophe."

"Blick": "Aerni-Traum und Hirscher-Horror. Der Emmentaler Luca Aerni egalisiert mit Rang 5 sein bestes Weltcup-Ergebnis. Marcel Hirscher schäumt vor Wut, weil er während der Fahrt fast erschlagen wird! (...) Experten sind sich einig, dass diese Drohne den vierfachen Gesamtweltcupsieger hätte töten können."

"Dolomiten": "Kristoffersen-Show und Drohnen-Skandal. (...) Aufregender geht es kaum. In Madonna di Campiglio hat Henrik Kristoffersen gestern ein Slalom-Spektakel der Sonderklasse geboten, aber beinahe wäre es zu einer Tragödie gekommen. Bei der Fahrt von Marcel Hirscher im 2. Lauf fiel hinter ihm die Kamera-Drohne auf die Piste. (...) Eigentlich gehörte Henrik Kristoffersen die Hauptrolle, aber sie wurde ihm von einer Drohne streitig gemacht."

Dichter Flugverkehr in Italien! 󾌯󾍔 Congrats to sensational Henrik Kristoffersen #dronecrash #weareskiing #verleihtflügel #drivinghomeforchristmas

Posted by Marcel Hirscher on Dienstag, 22. Dezember 2015

Überblick über Drohnen-Zwischenfälle bei Sportereignissen in jüngster Zeit:

April 2014: Die Teilnehmerin eines Triathlon-Wettbewerbs in der westaustralischen Stadt Geraldton wird während ihres Laufs von einer abstürzenden Kameradrohne am Kopf getroffen. Blutüberströmt geht sie zu Boden. Ihre Wunde wird mit mehreren Stichen genäht.

Oktober 2014: Während des Fußball-EM-Qualifikationsspiels Serbien gegen Albanien schwebt eine Drohne ins Stadion. Sie zieht eine Fahne mit einer Silhouette von Großalbanien hinter sich her, wie es albanische Nationalisten fordern. Als ein Spieler die Fahne an sich reißt, kommt es zu Tumulten zwischen Fußballern und Zuschauern. Das Spiel wird abgebrochen.

August 2015: Ein Football-Spiel zwischen zwei US-Highschool-Teams in New Jersey wird wegen einer tieffliegenden Drohne für 20 Minuten unterbrochen. Das Fluggerät hatte sich den Spielern bis auf wenige Meter genähert.

September 2015: Bei einem Zweitrundenspiel der US Open zwischen der Italienerin Flavia Pennetta und der Rumänin Monica Niculescu knallt eine Drohne auf eine Betontreppe zwischen leeren Zuschauerreihen. Nach einer kurzen Unterbrechung wird das Match fortgesetzt.

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