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Experten beurteilen: Ist Hirscher der Größte?

Größer als Maier? Wie geht es weiter? Das sagen die Ski-Experten über Marcel Hirscher:

Experten beurteilen: Ist Hirscher der Größte?

Nach seinem historischen 6. Gesamtweltcupsieg in Serie stellt sich die Frage aller Fragen: Ist Marcel Hirscher jetzt der größte österreichische Skifahrer der Geschichte?

Da eine einzige Meinung zu diesem komplexen Thema nicht wirklich repräsentativ ist, hat LAOLA1 bei sechs Ski-Experten nachgefragt. Alle von ihnen sind Journalisten und eng mit dem Ski-Zirkus verbunden.

Weiters haben wir nach dem Erfolgsgehemnis des Annabergers, Vergleiche mit Hermann Maier und seine Zukunft gefragt.

Peter Frauneder (Kronen Zeitung)

Was ist Hirschers Erfolgsgeheimnis?

Außergewöhnliches Talent gepaart mit Ehrgeiz, Einsatz, Fleiß, dem richtigen Team, das er um sich hat, und der Tatsache, dass sie alle gemeinsam auch meist die richtigen Entscheidungen treffen.

Ist Hirscher jetzt der größte österreichische Skifahrer der Geschichte?

Der Größte bleibt Toni Sailer, weil er dreifacher Olympiasieger wurde, zwei Jahre danach wieder dreifacher Weltmeister wurde, um dann mit nicht einmal 23 seine Karriere zu beenden.

Hirscher oder Maier? Wer ist dein Favorit?

Beide auf ihre Art und Weise. Maier war sicher schon alleine durch seine Geschichte charismatischer, hatte viel mehr Ecken und Kanten. Marcel besticht alleine durch seine Konstanz. Nicht nur auf der Piste, auch in der immer höchst professionellen Zusammenarbeit, bei der es in all den Jahren nie ein wirkliches Problem gab.

Wie geht es mit Hirscher weiter? Ist das Karriereende in Sicht?

Hirscher wird 2018 mindestens einmal Olympiasieger, danach wird er seine Ziele neu definieren, mehr in die Abfahrt investieren und früher oder später auch dort ein Rennen gewinnen.

Stefan Sigwarth (Kurier)

Was ist Hirschers Erfolgsgeheimnis?

Wissen ist Macht – genau nach diesem Motto lebt Marcel Hirscher. Er kennt sich in allen Bereichen seines Sports aus wie kaum ein anderer, arbeitet an den kleinsten Details und sucht rastlos nach Verbesserungen. Der Nachteil seiner Akribie: Die Denkarbeit kostet ähnlich viel Kraft wie die körperliche auf und neben der Piste. Doch inzwischen weiß er besser, wann er Erholungsphasen braucht.

Ist Hirscher jetzt der größte österreichische Skifahrer der Geschichte?

Ob er der Größte ist, diese Diskussion könnte man wohl endlos führen. Tatsache ist: Marcel Hirscher wird – auch zu seiner eigenen Überraschung – selbst in Santiago de Chile oder in Tokio erkannt und steht damit im Widerspruch zu dem, was nicht wenige formulieren, die den alpinen Skisport als Nischenprogramm titulieren. Dass Hirscher ein Abflug wie jener von Hermann Maier bei Olympia 1998 erspart geblieben ist, hilft ihm womöglich beim Versuch, Privates so weit wie möglich privat zu halten. Sportlich ist es jedenfalls kein Schaden.

Hirscher oder Maier? Wer ist dein Favorit?

Wieder eine Glaubensfrage. Spannend wäre es, zu sehen, wie sich Hirscher gegen einen Ingemar Stenmark geschlagen hätte oder gegen einen Hermann Maier in Bestform. Doch leider geht das nicht.

Wie geht es mit Hirscher weiter? Ist das Karriereende in Sicht?

2018 steht auf Marcel Hirschers Agenda ganz oben: Das fehlende Olympia-Gold soll her, „das ist das nächste Ziel.“ Doch ob dieser letzte Mosaikstein seinen Weg zum Annaberger findet oder nicht, seine Karriere ist längst einzigartig. Die große Frage wird sein, ob er noch die Motivation findet, sich weiterhin zu schinden. Oder, wie Marcel Hirscher selbst sagt: „Es kann sein, dass ich ewig lang in dem Radl dabei bleibe. Nach Olympia sollten die Karten auf dem Tisch liegen.“ Eines aber war für ihn bereits im Jänner dieses Jahres klar: Dem Vorbild von Ingemar Stenmark wird er nicht folgen. Der Schwede fuhr von 1973 bis 1989 im Weltcup. Auf Hirscher umgelegt hieße das, noch sechs Saisonen dabei zu bleiben, und das kann er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Denn: „2023 steh ich garantiert nicht mehr auf Rennskiern.“

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Birgit Riezinger (Der Standard)

Was ist Hirschers Erfolgsgeheimnis?

Er trainiert akribisch, er (und sein Team) tüftelt intensiv. Niederlagen spornen ihn an, dann arbeitet er noch intensiver. Ich denke, er ist sehr ehrgeizig. Er investiert extrem viel ins Skifahren.

Ist Hirscher jetzt der größte österreichische Skifahrer der Geschichte?

Schwer zu sagen. Wie kann man Hirscher z.B. mit Toni Sailer vergleichen? Es war eine ganz andere Zeit. Ich persönlich habe den Eindruck, dass Hirscher nicht als der unsterbliche Superstar gesehen wird - wie etwa Hermann Maier. Vielleicht liegt's daran, dass er sich noch nie von einer schweren Verletzung zurück kämpfen musste. Vielleicht aber auch daran, dass er kein Abfahrer ist. Wer sich mit 140 die Streif runterschmeißt, der hat einen gewissen Heldenstatus.

Hirscher oder Maier? Wer ist dein Favorit?

Hirscher.

Wie geht es mit Hirscher weiter? Ist das Karriereende in Sicht?

Auch schwer zu sagen. Er sagt ja selbst, dass er nicht mehr ewig weitermachen will. Dass er nach der Olympiasaison 2018 schon aufhören will, kann ich mir aber auch schwer vorstellen. Sein Trainer Michael Pircher kann sich vorstellen, dass Hirscher eventuell aufhört und später wieder zurückkehrt. Mal sehen.

Christian Mortsch (Salzburger Nachrichten)

Was ist Hirschers Erfolgsgeheimnis?

Die Kombination aus Ausnahmetalent, Ehrgeiz, mentaler Stärke, Fitness und Erfahrung bei ihm ist einzigartig. Zudem ist er von (schwereren) Verletzungen verschont geblieben. Was aber wiederum mitunter ein Ergebnis von harter, akribischer körperlicher Arbeit ist. Es gibt keinen, der so von Leistung und Erfolg getrieben ist. Ein zweiter Platz ist für ihn in den meisten Fällen eine Niederlage. Selbst wenn er nur in Teilzeiten langsamer ist, treibt ihn das zu noch mehr Training, Analyse und Materialtüftelei. Außerdem hat er mit Privattrainer, Trainer-Papa, Freundin, Physiotherapeut, Serviceleuten und Pressebetreuer ein Team hinter sich, das ebenfalls alles dem Erfolg unterordnet.

Ist Hirscher jetzt der größte österreichische Skifahrer der Geschichte?

Ja, auch wenn er an Weltcupsiegen noch hinter Hermann Maier liegt. Aber diese Konstanz, mit denen er serienweise Podestplätze einfährt, ist beispiellos. Sechs große Kristallkugeln in Serie bedarf ohnehin keiner Worte. Das i-Tüpferl, der Olympiasieg, fehlt freilich noch. Spätestens dann wäre er endgültig der größte Skifahrer aller Zeiten.

Hirscher oder Maier? Wer ist dein Favorit?

Ganz schwierig… Rein sportlich hat Hirscher die Nase knapp vorn, vom Typ her war Maier im Vergleich der schillernde Rockstar. Vom Maurer zum Seriensieger, vom Abflug des Jahrhunderts zu Doppel-Gold bei Olympia, vom Fast-Beinamputierten noch einmal zum Gesamtweltcupsieger. Aufreger auch abseits der Rennpiste. Eine einzigartige Karriere genau wie jene von Hirscher, der zwar öffentlich weniger „hergibt“, als Persönlichkeit aber ebenso authentisch ist. Unentschieden.

Wie geht es mit Hirscher weiter? Ist das Karriereende in Sicht?

Olympia-Gold ist wohl sein letztes große Ziel, aber ich glaube, dass er zu viel Rennfahrer ist und seinen Sport zu sehr liebt, um ihn trotz bester Gesundheit mit 29 Jahren zu verlassen. Voraussetzung und zu hoffen ist, dass er von Verletzungen verschont bleibt. Doch selbst wenn nicht, könnte man sagen: Die größte Karriere ist erst mit einem großen Comeback vollendet.

Michael Schuen (Kleine Zeitung)

Was ist Hirschers Erfolgsgeheimnis?

Ich würde mir schwer tun, einen einzelnen Aspekt herauszugreifen. Es sind viele Komponenten, die ineinander greifen. Vielleicht mag es das Geheimnis sein, dass sich all diese Puzzleteile so gut ergänzen, dass das große Bild immer perfekt aussieht. Was ich damit meine: Da ist auf der einen Seite der Athlet Marcel Hirscher, der physisch der Konkurrenz voraus zu sein scheint. Der die körperlichen Voraussetzungen für den Skisport in einem Sinne optimiert hat, dass er konstant und fast fehlerfrei jede Situation, der er sich stellen muss, meistert. Dazu kommt das Skifahren, dass es ihm – allem Anschein nach – erlaubt, auch mit 85 Prozent auf höchstem Niveau zu fahren. Denn dass er bei weitem nicht immer an, oder gar über, seine Grenzen gehen muss, hat er mit entfesselten zweiten Läufen bewiesen. Oder bei der WM in St. Moritz. Dazu kommt das Umfeld – von den Trainern und Betreuern (auf und abseits der Pisten) über die Skifirma und seine Serviceleute bis natürlich hin zu „Mastermind“ und Papa Ferdl Hirscher, der „weise Mann“, wie ihn Marcel immer nennt. Und, zuletzt: Die Erkenntnis, dass der Weg, den manch andere eingeschlagen haben – den Erfolg nach den technischen Bewerben unbedingt auch in der Abfahrt zu suchen – für ihn nicht der richtige wäre. Es ist das Vermögen, zu verzichten, gepaart mit dem unbändigen Willen, alles dem Erfolg unterzuordnen.

Ist Hirscher jetzt der größte österreichische Skifahrer der Geschichte?

Was heißt es, der größte Skifahrer der Geschichte zu sein? Woran misst man das? Nimmt man die Weltcup-Kugeln als Maßstab, ist es Hirscher fraglos. Nimmt man Olympia, wird Toni Sailer uneinholbar bleiben. Nimmt man die persönliche Geschichte, wohl Hermann Maier. Klar ist: Marcel Hirscher ist der größte Skifahrer seiner Zeit. Und seine Erfolge werden nur schwer zu übertrumpfen sein. Um wirklich unbestritten der „Größte aller Zeiten“ zu sein, fehlen ihm vielleicht Olympia-Goldmedaillen. Was es für Hirscher schwierig macht: Österreich ist eben vom Herz her eine Abfahrtsnation. Wir erinnern uns an Klammer, an Maier - an Szenen auf der Streif, in Beaver Creek, in Innsbruck, in Nagano… Diese Bilder wird es von Marcel Hirscher nie geben. Was technische Bewerbe betrifft, ist es Hirscher fraglos. Aber über allem steht die Frage, wie man Skifahrer unterschiedlicher Epochen wirklich miteinander vergleichen soll und darf. Wir haben viele „größte Skifahrer der Geschichte“ – jeweils in ihrer Zeit. Ist doch auch schön.

Hirscher oder Maier? Wer ist dein Favorit?

Es gilt dasselbe wie oben: Man kann sie nicht vergleichen, weil es andere Zeiten waren. Marcel Hirscher lebt im Zeitalter von Social Media – er könnte sich Dinge, die sich Hermann Maier erlaubt hat, nicht mehr leisten. Zu viele Handys filmen mit... Jeder der beiden hat viele, viele positive Seiten, aber wie jeder Mensch auch Dinge, die man kritisieren könnte. Ganz ehrlich: Rein sportlich stehe ich auf beide. Und es war und ist auch immer ein Vergnügen, mit beiden beruflich zu tun zu haben, das Privileg zu genießen, mit solchen Athleten viel sprechen zu dürfen. Vielleicht kann man es so formulieren: Hermann Maier hat, speziell mit den Erfolgen nach seinem schweren Unfall, mit seinem Skilehrerschmäh und der gewissen Arroganz des Erfolges, vielleicht mehr die Herzen angesprochen. Marcel Hirscher ist zurückgezogener, er und seine Erfolge sind einfach nur schwer zu begreifen. Er ist der Champion des Kopfes.

Wie geht es mit Hirscher weiter? Ist das Karriereende in Sicht?

Zuzutrauen wäre es Marcel Hirscher jedenfalls, dass er nach 2018 den Hut drauf haut. Vor allem, wenn er wirklich in Südkorea die fehlende Goldmedaille einfährt. Denn auch er weiß: Er kann nur verlieren. Die Erwartungen an ihn sind so enorm hoch, seine Erfolge solch Selbstverständlichkeit für viele, dass sogar ein zweiter Platz mitunter als Scheitern gewertet wird. Dazu kommt, dass der Aufwand, den er betreibt, tatsächlich enorm ist. Bisher blieb er von Verletzungen weitgehend verschont. Und er wäre einer der wenigen, die „gesund“ abtreten können. Und das noch dazu mit allen Erfolgen dekoriert, die es gibt.

Erich Elsigan (Heute)

Was ist Hirschers Erfolgsgeheimnis?

Das wüssten wir alle gerne – vor allem die Konkurrenz. Naheliegend: Die körperliche und mentale Fitness. Kein anderer Spitzenläufer kam über so lange Zeit ohne gröbere Blessur davon. Das ist nicht nur Glück, sondern auch ein Resultat der harten Vorbereitung. Und: Hirscher ist einfach geiler auf Siege als andere. Genau deshalb kann er sich im Training auch dann noch überwinden, wenn andere längst beim Apres Ski sind.

Ist Hirscher jetzt der größte österreichische Skifahrer der Geschichte?

Wahrscheinlich schon. Auf die 54 Weltcup-Siege von Maier kommt er relativ sicher noch. Und sechs große Kugeln in Serie hat vor ihm sowieso niemand geschafft. Nachdem Zahlen nicht lügen: Ja. Argument für Maier: Er war in drei Disziplinen (Abfahrt, Super-G, RTL) „daheim“, Hirscher ist es vorerst „nur“ in zwei (Slalom, RTL).

Hirscher oder Maier? Wer ist dein Favorit?

Hirschers „Problem“, für das er nichts kann: Auf die perfekte Hollywood-Karriere fehlt ein Comeback. Das unterscheidet ihn von Maier, der vom „Beinahe-Invaliden“ zum Kitzbühel-Champion wurde – und das als gelernter Maurer. Dazu kommt, dass Abfahrer tollkühner wirken als Technik-Spezialisten. Das liegt einfach in der Natur der Sache. Auf emotionaler Ebene hat demnach Maier die Nase vorn.

Wie geht es mit Hirscher weiter? Ist das Karriereende in Sicht?

Das hängt von einigen Faktoren ab: Räumt er in Pyeongchang alles ab, spricht wenig dagegen. Verpasst er den Olympiasieg, tippe ich eher auf Karriere-Verlängerung. Ziele gäbe es theoretisch noch: Ein Sieg in der „Königsdisziplin“ Abfahrt zum Beispiel. Ich glaube allerdings nicht, dass das auf seiner persönlichen „To do“-Liste überhaupt draufsteht.

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