MARCEL HIRSCHER:
Es kann keine zwei Meinungen geben. Der erfolgreichste Skifahrer der Gegenwart drückte der Saison seinen Stempel auf. Acht Siege holte er, davon erstmals einen im Speed-Bereich. In Beaver Creek sicherte er sich im Super-G seinen ersten Erfolg in den schnellen Disziplinen. Ohne ihn würden die ÖSV-Herren die Saison ohne einen einzigen Sieg beenden - die ultimative Krise wäre perfekt. Hättiwari - denn Hirscher ist nunmal Österreicher und fährt für den ÖSV. Der Druck auf ihn ist enorm, jeder erwartet Siege und Kristallkugeln vom 27-Jährigen, er hält diesem Saison für Saison stand. Beeindruckend ist zudem, dass er mit Super-G, Riesentorlauf und Slalom in einer Saison Siege in drei verschiedenen Disziplinen einfahren konnte.
VERLETZUNGEN:
Unfassbar, wie viele Topstars sich in dieser Saison (schwere) Verletzungen zuzogen. Anna Fenninger musste ihre Saison nach einem Trainingssturz in Sölden bereits beenden, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Aksel Lund Svindal, Mikaela Shiffrin, Matthias Mayer, Lindsey Vonn, Ted Ligety, Beat Feuz - um nur die absoluten Siegfahrer zu nennen - fielen ebenfalls über weite Strecken der Saison aus. Dazu kamen noch zahlreiche weitere Läufer/innen wie Giuliano Razzoli, Guillermo Fayed, Max Franz, Georg Streitberger und Nicole Schmidhofer, die sich schwere Blessuren zuzogen. Eine absolute Seuchen-Saison!
JUNGE DAMEN-GARDE
Den rot-weiß-roten Damen wurde vor der Saison wenig zugetraut. Mit Nicole Hosp und Kathrin Zettel traten im Sommer zwei Sieganwärterinnen zurück - Läuferinnen, die diese Lücke schließen würden, waren nicht wirklich in Sicht. Als sich dann auch noch Anna Fenninger vor Saisonstart verletzte, wurde der Teufel an die Wand gemalt. Doch es kam anders: Das großteils junge Team präsentierte sich stärker als gedacht. Cornelia Hütter (23) avancierte zur Podest-Garantie in den Speed-Bewerben, mit Tamara Tippler (24) zeigte eine weitere Steirerin im Super-G auf. Zum Ende der Saison feierte zudem noch Mirjam Puchner (23) ihren ersten Weltcupsieg. In den Technik-Bewerben ließen neben der überragenden Eva-Maria Brem (27) vor allem "Küken" Katharina Truppe (20) und Stephanie Brunner (22) ihr Können aufblitzen.
WETTER
Was für ein schlechter Winter, um Skifahren zu genießen. Gleich das zweite Weltcup-Wochenende in Levi wurde aufgrund von Schneemangel abgesagt, geschlechterübergreifend fielen insgesamt neun Rennen dem Wetter zum Opfer. An manchen Orten wurden die Rennen trotz warmer Temperaturen und einer äußert dünnen Schneedecke beinhart durchgezogen - weiße Schneebänder in grünen Landschaften sind aber wahrlich keine Werbung für den Skisport. Und selbst, wenn dann einmal die Schneeauflage stimmte, mischten sich Niederschlag, Wind und Nebel ein und stellten die Veranstalter vor Herausforderungen.
NORWEGENS HERREN
Norwegens Herren dominierten den Winter fast nach Belieben. Angeführt von Aksel Lund Svindal, der bis zu seiner Verletzung das Maß aller Dinge in den Speed-Events war, über Kjetil Jansrud bis hin zu Aleksander Aamodt Kilde und Henrik Kristoffersen. Insgesamt 19 Siege fuhren die "Attacking Vikings" ein - eine unglaubliche Ausbeute. Dem Rest des Feldes läuft beim Gedanken, dass Kristoffersen und Kilde noch jung sind und sich mit Sicherheit noch steigern werden, ein kalter Schauer über den Rücken. Und Svindal hat bereits bewiesen, dass er nach schweren Verletzungen noch stärker zurückkehren kann. Gut möglich, dass die "Elche" auch in naher Zukunft die dominante Ski-Nation bleiben.
DIVERSE STÖRFAKTOREN
Was war denn in dieser Saison bitte los?! In Madonna stürzte eine Drohe nur Zentimeter hinter Marcel Hirscher auf den Boden - nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn das Gerät auf den Salzburger geknallt wäre. Den Gesamtweltcupsieger erwischte es ein weiteres Mal - im Schladming-Slalom musste er sich im ersten Durchgang mit einer beschlagenen Brille herumschlagen. Zwar verbesserte er sich im zweiten Lauf noch auf Rang zwei, mit etwas Pech hätte Hirscher die Final-Quali aber verpassen können und auf wichtige Punkte verzichten müssen. Beim Weltcup-Finale in St. Moritz dann der nächste Zwischenfall, wieder traf es mit Roland Leitinger einen Österreicher. Oder besser gesagt traf ihn die Zwei-Liter-PET-Flasche zum Glück nicht - aber es war haarscharf. "Es ist ein Wahnsinn! Wenn das bei einem Schülerrennen passiert, okay. Aber im Weltcup solte das nicht passieren", war der 24-Jährige aufgebracht. Auch beim Nightrace in Schladming wurden Zuseher am Pistenrand übermütig und warfen Gegenstände wie Papierkugeln auf die Strecke. Ein No-Go!
ÖSTERREICHS SLALOM-HERREN
Bei all der Diskussion um die Speed-Krise im ÖSV darf nicht vergessen werden, dass noch vor einem Jahr über die Nachwuchs-Krise im Slalom hergezogen wurde. Eine Saison später sieht die Welt anders aus. Neben Marcel Hirscher etablierte sich Marco Schwarz in der Slalom-Weltspitze. Manuel Feller hatte zwar mit Ausfällen zu kämpfen, deutete aber mehrmals sein Potenzial an. Dazu kommt Überraschungsmann Marc Digruber, der den Durchbruch endlich geschafft hat. Michael Matt und Christian Hirschbühl sind ebenfalls für Top-Resultate gut. Das Torlauf-Team wirkt zwölf Monate, nachdem eine Krise heraufbeschworen wurde, gefestigt und stark. Wohl auch der Verdienst von Coach Marko Pfeifer, der bereits in Schweden bewiesen hat, aus "No-Names" und jungen Läufern absolute Spitzen-Athleten machen zu können.
ÖSTERREICHS SPEED-HERREN
"Wir sind mit den Resultaten nicht zufrieden. Ja, es gab viele Ausfälle, aber wir hatten immer noch genug starke Läufer", brachte es ÖSV-Sportdirektor Hans Pum beim Weltcupfinale in St. Moritz auf den Punkt. Mit Marcel Hirscher sorgte ausgerechnet ein "Techniker" für den einzigen Speed-Sieg. In der Weltcupwertung der einstigen rot-weiß-roten Paradedisziplin Super-G landeten mit Kilde, Jansrud und Svindal drei Norweger auf den ersten drei Plätzen. Mit Vincent Kriechmayr kämpfte immerhin ein Österreicher bis zum letzten Rennen um die kleine Kugel. In der Abfahrt sah es noch düsterer aus. Kein einziger Sieg in der Königsdisziplin, das gab es zuletzt 2009/10. Die Podestplatz-Ausbeute ist mit drei Stockerlplätzen (2x Zweiter, 1x Dritter) die drittschlechteste für die ÖSV-Herren aller Zeiten (nur 1966/67 und 1987/88 gab es weniger - jeweils nur einen). Aktuell wird die Situation analysiert, seitens des Verbandes werden Konsequenzen angekündigt. Man wird sehen, welche Folgen die miserable Saison wirklich haben wird.
Matthias Nemetz