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Schiffauer: ICE-Referees sind am "richtigen Weg"

"Referee in Chief" gibt im LAOLA1-Interview Einblicke in das Schiedsrichterwesen:

Schiffauer: ICE-Referees sind am Foto: © GEPA

Welcher Eishockey-Fan, Spieler oder Coach war nicht schon einmal mit der Entscheidung eines Schiedsrichters unzufrieden? Fehler passieren immer wieder, sie liegen in der Natur des Menschen.

Um sie zu vermeiden, werden die Referees der ICE Hockey League professionell auf ihre Arbeit vorbereitet und auch während der Meisterschaft laufend von den Officials-Coaches (Greg Kimmerly, Igor Dremelj, Manfred Lins und Gerhard Schiffauer) unterstützt.

Gerhard Schiffauer ist der "Referee in Chief" (Anm.: Schiedsrichter-Obmann) des ÖEHV und damit der ICE Hockey League. Er beobachtet und coacht die Spieloffiziellen – vor und während der Saison, vor und nach den Spielen. Ein solches bezieht sich auch für die Unparteiischen nicht nur auf die 60 Minuten am Eis. Wie bei den Mannschaften steckt auch bei den Schiedsrichtern viel mehr dahinter.

Im LAOLA1-Interview gibt der ehemalige internationale Referee kleine Einblicke in das Schiedsrichterwesen, spricht über diverse Möglichkeiten des Coachings, über seine Zusammenarbeit mit dem langjährigen NHL-Schiedsrichter Tom Kowal und über die Tatsache, dass viele Entscheidungen eben nicht "Schwarz oder Weiß" sind.

(Das Interview beginnt unter dem Video.)

LAOLA1: Wie läuft Ihre Arbeit als Schiedsrichter-Coach ab? Wie kann man sich Ihren Job vorstellen?

Gerhard Schiffauer: Meine Aufgabe ist es, die Schiedsrichter bestmöglich auf ihre Spiele vorzubereiten. Das heißt, dass wir sie schulen und versuchen, sie weiterzuentwickeln. Stärken sollen ausgebaut und Schwächen minimiert werden. Auf ein Spiel bezogen bedeutet das: Jede Partie wird von uns nachträglich analysiert, gegebenenfalls werden gewisse Spielsituationen auf Video wiedergegeben und den Schiedsrichtern zur Verfügung gestellt, um zu erkennen, was sie vielleicht besser oder anders machen könnten.

LAOLA1: Wie genau läuft das ab?

Schiffauer als Referee der EBEL im Jahr 2006
Foto: © GEPA

Schiffauer: Vor dem Spiel gibt es ein kurzes Briefing mit den Schiedsrichtern in der Garderobe, um sie für das Spiel "startklar" zu machen. Nach dem Match gibt es dann in der Schiedsrichter-Garderobe ein kurzes Debriefing über das Spiel als solches: Wie war die Selbsteinschätzung der Schiedsrichter, wie war der Eindruck der Officials-Coaches? Falls notwendig, werden am nächsten Tag mit den Schiedsrichtern nochmals gewisse Dinge besprochen, ihnen werden Video-Clips zur Verfügung gestellt oder das Spiel wird telefonisch nachbesprochen.

LAOLA1: Die Beurteilung basiert damit nicht auf einem Schulnoten-System, korrekt?

Schiffauer: Die Schiedsrichter erhalten auch eine schriftliche Beurteilung, aber nicht in Form eines Schulnoten-Systems, sondern als eine Reprise der Begegnung: Wie wurde der Standard beim Spiel angelegt? Welche Situationen hätte man vielleicht besser händeln können? Und wie haben die Schiedsrichter das Spiel in seiner Gesamtheit geleitet?

LAOLA1: Was passiert, wenn ein Schiedsrichter über einen längeren Zeitraum überwiegend weniger positive Rückmeldungen erhält?

Schiffauer: Dann wird das Einzelgespräch nochmals im Detail mit dem Schiedsrichter gesucht und das kann gelegentlich auch dazu führen, dass er eventuell eine kurze "Regenerationspause" erhält.

LAOLA1: Gibt es zusätzliche Schulungen, Fortbildungsprogramme etc.?

Im Case-Book besteht seit heuer die Möglichkeit, dass sich die Schiedsrichter bei großen Strafen die Situation auf dem Eis auf Video noch einmal ansehen. Dann können sie entscheiden, ob sie bei der großen Strafe bleiben oder sie eventuell auf eine kleine Strafe reduzieren. Bei einer normalen Zwei-Minuten-Strafe hat der Schiedsrichter nicht die Möglichkeit, die Situation einem Video-Review zu unterziehen. Was auch gut so ist.

Gerhard Schiffauer

Schiffauer: Selbstverständlich. Wir machen immer vor Beginn der Meisterschaft – heuer ist es Corona-bedingt ausgefallen – ein mehrtägiges Camp, wo wir alle Schiedsrichter der bet-at-home ICE Hockey League für drei Tage versammeln. Dort testen wir die Fitness der Schiedsrichter, sie müssen einen standardisierten Fitness- und Eislauf-Test absolvieren. Ein Regel-Test ergänzt das Programm. Dann wird drei Tage intensiv zu Schwerpunkthemen geschult, mit Videosequenzen und Gruppenarbeiten. Während der Meisterschaft - so wie heuer - halten wir viele Videokonferenzen, Zoom-Meetings, ab, um nochmals gewisse Dinge zu analysieren und zu optimieren. Es werden Situationen anhand von aktuellen Videos gemeinsam besprochen und bewertet, um alle Schiedsrichter auf denselben Standard zu bringen. Es ist nicht so, dass wir sagen, wir beginnen die Meisterschaft mit einem Camp und das war es dann für die laufende Saison. Die Schiedsrichter werden auch währenddessen intensiv noch nachträglich von uns gecoacht.

LAOLA1: Verbesserungspotential gibt es wohl immer. An welchen Aspekten müssen die Schiedsrichter Ihrer Meinung nach besonders arbeiten?

Schiffauer: Primär geht es im gesamten Schiedsrichterwesen um Fairplay, Respekt und Kommunikation. Die Sicherheit der Spieler steht an oberster Stelle, das heißt, dass darauf geachtet werden muss, dass alles unter einem fairen und sicheren Aspekt abgeliefert wird. Bei bestimmten Regelauslegungen gibt es Interpretationen, denn das Regelbuch gibt den Schiedsrichtern in manchen Situationen einen Spielraum. Der Strafen-Index reicht gelegentlich von einer Zwei-Minuten-Strafe bis zu einer Fünf-Minuten-Strafe. Hier geht es darum, dass alle Schiedsrichter den gleichen Standard anlegen.

LAOLA1: Das Game- bzw. Case-Book der bet-at-home ICE Hockey League ist ein umfassendes Dokument, in dem strafwürdige Fouls definiert und ihr Strafausmaß in einem gewissen Umfang festgelegt sind. Wenn man davon ausgeht, dass Fehlentscheidungen der Referees nicht dem mangelnden Wissen dieses Katalogs, sondern der Schnelligkeit des Spiels geschuldet sind: Soll jeder Call per Videostudium vor dem endgültigen Aussprechen der Strafe kontrolliert werden?

Schiffauer: Nein, jeder Call grundsätzlich nicht. Das würde den Rahmen sprengen. Im Case-Book besteht seit heuer die Möglichkeit, dass sich die Schiedsrichter bei großen Strafen die Situation auf dem Eis auf Video noch einmal ansehen. Dann können sie entscheiden, ob sie bei der großen Strafe bleiben oder sie eventuell auf eine kleine Strafe reduzieren. Bei einer normalen Zwei-Minuten-Strafe hat der Schiedsrichter nicht die Möglichkeit, die Situation einem Video-Review zu unterziehen. Was auch gut so ist.

LAOLA1: Und das soll in Zukunft auch so bleiben?

Schiffauer: Das soll auch so bleiben, das ist derzeit nicht vorgesehen. Bei Tor-Situationen ist es aber möglich, bei bestimmten Voraussetzungen einen Video-Review vorzunehmen.

NHL-Referee Tom Kowal im Jahr 2016 im Austausch mit Torontos James Reimer
Foto: © getty

LAOLA1: Sie haben in dieser Saison mit dem langjährigen NHL-Schiedsrichter Tom Kowal gearbeitet und teilweise gemeinsam die Referees der ICE Hockey League beobachtet. Was haben Sie voneinander gelernt?

Schiffauer: Primär war es für alle Beteiligten interessant zu sehen, wie ein ehemaliger Spitzen-Referee der NHL tickt und wie er das Niveau der österreichischen Schiedsrichter beurteilt. Von den Erfahrungen und Tipps eines NHL-Schiedsrichters können selbstverständlich auch unsere Schiedsrichter enorm profitieren, wobei das Reglement der NHL doch in einigen Bereichen vom Reglement der ICE Hockey League abweicht. Bedingt alleine schon dadurch, dass es in der NHL eine andere Größe der Eisfläche gibt. Deshalb ist das Stellungsspiel des Schiedsrichters ein anderes als bei uns. Die Liga hat eine solche Zusammenarbeit nicht das erste Mal vorgenommen und wir sehen sie als einen Schritt in der Weiterentwicklung unserer Schiedsrichter. Für Tom Kowal war es interessant zu sehen, auf welchem Niveau die österreichischen Schiedsrichter sind. Zum Beispiel wurden heuer wieder zwei Referees von Österreich für die Weltmeisterschaft nominiert (Christoph Sternat und Elias Seewald; Anm.) und das spricht nicht unbedingt gegen das Schiedsrichterwesen in Österreich. Und Julia Kainberger wird bei der Damen-WM in Halifax agieren.

LAOLA1: Inwiefern unterscheidet sich das von Ihnen angesprochene Stellungsspiel in Europa und Nordamerika?

Schiffauer: Das hängt sicherlich damit zusammen, dass die Eisfläche in Nordamerika eine kleinere ist. Aufgrund der Größe des Spielfeldes müssen sich unsere Schiedsrichter speziell in den Endzonen ein wenig mehr bewegen als die NHL-Schiedsrichter. Bei einem Großteil der interpretationswürdigen Entscheidungen, die vielleicht eine Kritik nach sich ziehen, kann man davon ausgehen, dass der Schiedsrichter kein optimales Stellungsspiel hatte und dadurch die Situation als solche nicht eindeutig wahrnimmt. Auf der anderen Seite haben wir schon vor Jahren das Vier-Mann-System eingeführt und haben dadurch einen zweiten Referee am Eis. Eigentlich sollte einer der beiden, oder gegebenenfalls auch einer der Linesmen, die Situation richtig erkennen.

LAOLA1: Was wünschen Sie sich für die Zukunft für das Schiedsrichterwesen, haben Sie konkrete Vorstellungen?

Schiffauer: Von Seite des Verbandes und der Liga ist unser Anliegen: Die Spieler sollen das Spiel entscheiden. Da gibt es diesen Spruch: "Ein Schiedsrichter ist dann gut, wenn man von ihm nichts hört und nichts sieht." Nur ist das etwas verkürzt und vereinfacht dargestellt. Gelegentlich müssen Schiedsrichter unpopuläre Entscheidungen treffen und gelegentlich haben Entscheidungen zwangsläufig einen Einfluss auf das Spiel. Aber unser Fokus ist, dass das Match fair und sicher abläuft. Die Spieler, die Trainer, die Mannschaften entscheiden das Spiel und nicht die Schiedsrichter. Dass es immer wieder Spielsituationen gibt, die aus verschiedenen Blickwinkeln und Standpunkten betrachtet werden können oder einen Anlass zur Interpretation liefern, liegt in der Natur der Sache.

LAOLA1: Gibt es noch etwas, das Ihnen besonders wichtig ist zu sagen?

Schiffauer: Die Schiedsrichter sind auch immer ein Spiegelbild der Liga und ich denke, dass sich das Schiedsrichterwesen gegenüber den letzten fünf, sechs Jahren enorm weiterentwickelt hat. Ich glaube, dass wir schon auf einem sehr guten Niveau sind. Das zeigt sich auch dadurch, dass Schiedsrichter für Top-Weltmeisterschaften nominiert werden und in der CHL agieren. Das deutet schon darauf hin, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben auch einen Verjüngungsprozess vorgenommen und einen ausgewogenen Kader aus jüngeren und erfahrenen Schiedsrichtern aus verschiedenen Nationen. Hier müssen wir proaktiv weiterarbeiten. Es ist uns aber auch ganz klar, dass wir eine Verantwortung haben. So wie sich die Spieler und Coaches weiterentwickeln, müssen wir uns auch weiterentwickeln. Uns ist bewusst, dass immer Fehler passieren können. So wie auch Spielern und Coaches Fehler unterlaufen. Es kann sein, dass ein Schiedsrichter eine Strafe anzeigt und in der nächsten Sekunde spürt er, dass er falsch gelegen ist. Und manche Referees wissen, ob sie einen guten Tag oder einen weniger guten Tag gehabt haben. Ich sage immer: Es sind nicht zwei, sondern drei Teams am Eis. Die Mannschaften, die beide gewinnen wollen, und genauso will das dritte Team – die Spieloffiziellen – für "sich das Spiel gewinnen", indem es das Match nach Möglichkeit fehlerfrei leitet. Ein Schiedsrichter hat in einem Spiel oft hunderte Entscheidungen zu treffen. Denn zum Beispiel keine Strafe zu geben, ist auch eine Entscheidung. In 60 Minuten keine einzige Entscheidung zu treffen, die vielleicht anders hätte aussehen oder interpretiert werden können, ist unrealistisch. Es gibt Entscheidungen, die "schwarz oder weiß" sind, aber es gibt auch manchen Interpretationsspielraum.


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