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Eintagsfliege oder Hoffnung auf bessere Zeiten?

Nur Eintagsfliege? LAOLA1-Scout Freimüller analysiert ÖEHV-Leistung bei U20-WM.

Eintagsfliege oder Hoffnung auf bessere Zeiten?

Den zweiten Platz schon vor dem Abschlusstag gesichert, Nationen wie Norwegen und Deutschland hinter sich gelassen: Die U20-Junioren-WM in Wien stellte Österreichs Eishockey auf eine Stufe, auf der es in den letzten Jahren weder im Nachwuchs- noch im Seniorenbereich stand. Eine Eintagsfliege oder Hoffnung auf bessere Zeiten?

Die Gründe

Die Silbermedaille im Endklassement bedeutet den zwölften Platz in der (inoffiziellen) Weltrangliste, so hoch war ein U20-Team seit 2009 (A-WM) nicht mehr klassiert. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die 97-er Generation ist die talentierteste seit Jahren, schaffte im letzten Jahr auch den Aufstieg in die zweihöchste WM-Stufe. Zehn Spieler dieses Jahrgangs sind auch im nächsten Jahr noch spielberechtigt, darunter Cracks wie der zum besten Stürmer des Turniers gewählte Florian Baltram, Lukas Haudum oder Bernd Wolf.

Doch abgesehen vom Talent-Level dieses Jahrgangs hat sich die Nachwuchsarbeit in Österreich in den letzten Jahren auf ein professionelleres Niveau begeben, sowohl beim Verband als auch in den Vereinen. ÖEHV-Sportchef Alpo Suhonen und Nachwuchsadministrator Roger Bader führten eine Reihe von Trainingscamps ein und verstärkten Spielmaßnahmen.

Bezeichnend dafür die Vorbereitung des U18-Teams auf die WM im April: Heute hob das Team zu einer Reise nach Kanada ab, vor der WM spielt man in Brünn gegen die Schweiz und Deutschland. Gegner also, die Spiele gegen Österreich noch vor kurzem als unter ihrer Würde abgetan hätten.

Das alles wird vor allem durch Gelder von Ligasponsor Erste Bank ermöglicht, der sich aber auch im Nachwuchsligenbereich einbringt. Von der Einführung der internationalen U18- und U20-Ligen schienen zuerst die Ungarn und Slowenen zu profitieren, aber die damit einhergehende Professionalisierung der Trainingsarbeit trägt nun auch hierzulande erste Früchte. Dazu kommt noch die Red-Bull-Akademie, ein Projekt, das sowohl in Europa als auch in Übersee Lobeshymnen hervorruft.

Unsere Nachwuchscracks präsentierten sich bei den letzten Turnieren taktisch weit disziplinierter und körperlich besser. Die mangelnde Größe vor allem in der Defensive ist weiter ein Problem, aber immerhin ist ein Zuwachs an Muskelmasse bei vielen Spielern zu sehen. Das führt dazu, dass die Teams bei den Turnieren zumindest ihr Potential ausspielen können, was in den letzten Jahren bei der U20 stets zu einem Top-16-Platz führte. Ob dies auch bei etwas schwächeren Jahrgängen gelingen kann, wird schon die U18-WM in Minsk beweisen.

Die Baustellen

Baustellen gibt es im österreichischen Nachwuchs natürlich weiter: Die Quantität an Spielern ist weiter das größte Problem, ein Jahrgang wirft schließlich nicht einmal 100 Spieler ab. Diese Zahl produziert in den großen Eishockeyländern schon eine Kleinstadt. Das Eishockey konzentriert sich in den letzten Jahren auf immer weniger Standpunkte, nach Graz droht im nächsten Sommer auch Innsbruck sein U20-Team zu verlieren.

Die zweite Baustelle: Der Übergang vom Junioren- zum Seniorenbereich, natürlich überall eine haarige Sache. Sind die EBEL-Teams in Zukunft mehr dazu bereit, die Früchte ihrer Nachwuchsarbeit zu ernten? Wäre regelmäßige Eiszeit für Cracks wie Erik Kirchschläger, Felix Maxa oder Florian Baltram das Ende der Welt oder muss so mancher Nachwuchsleiter weiterhin wie gegenüber mir im Vertrauen klagen: „Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, wofür wir hier überhaupt arbeiten.“

Gerade bei Florian Baltram werden schon die nächsten Wochen pikant: Der beste Angreifer des Turniers – zugegeben, etwas durch die rot-weiß-rote Brille gesehen - kehrt zu einem Salzburger Team zurück, wo derzeit alle 14 Stürmer wieder gesund sind. Dan Ratushny ist als Red-Bull-Coach höchstens Didi Mateschitz eine Rechenschaft schuldig, ob er für Baltram einen Platz findet, als ÖEHV-Coach jedoch sehr wohl. Wenn er für den besten österreichischen Crack des Turniers keinen Platz findet, gibt er seinen EBEL-Amtskollegen eine wunderbare Ausrede…

Das Turnier

Das Team präsentierte sich unter Roger Bader als Einheit, er machte auch seine Ansage von „vier Triebwerken“ wahr:

Kein Spieler durfte sich über zu wenig Eiszeit beklagen. Das Team war alles andere als „top heavy“, vor allem bei den Siegen gegen Norwegen und Deutschland konnte es im Finish noch zulegen. Niemand stellte sich über die Mannschaft, Ben-Gratton-mäßige Endlos-Shifts gab es keinen einzigen zu sehen. Dazu kam noch der Wille zum Schüsseblocken sowie ein im Rahmen der körperlichen Möglichkeiten physisches Spiel, die Referees ließen hier auch weit mehr laufen als sonst.

Woran fehlt es zum großen Coup und in den Spielen gegen Lettland und Kazachstan? Sicher nicht am Eisläuferischen, vor allem das Transition Game war ausgezeichnet. Mehr Größe wäre immer wünschenswert, die Wasserverdrängung bei einem Defensivverteidiger macht halt doch oft einen Unterschied. Vom Personellen fehlte ein überragender Torhüter wie David Kickert und ein absoluter Einser-Verteidiger – kein Defender fiel krass ab, aber vor allem im Powerplay fühlte sich so recht keiner an der blauen Linie wohl…

Die Reihung der U20-Cracks 

(nach Potential, nicht nach derzeitigem Leistungsstand oder Turnierperformance):

Lukas Haudum (97, Södertälje): Hohe Spielintelligenz und gute Hände im Verkehr…Exzellente Balance, wird so gut wie nie von den Beinen geholt…Bewegt Scheibe unter Druck sehr gut…Schafft Chancen für sich und seine Nebenleute…Sollte seinen ausgezeichneten Schuss aber weit mehr einbringen, zeitweise etwas zu lange am Puck

Mario Huber (96, Victoriaville): Wäre das totale Paket: Groß, sehr gute Hände, harter Schuss und Willen zum Körperspiel…Hat aber große Auf und Abs in seinem Spiel, schöpft sein Potential nur zeitweise aus…Hat er beim Conditioning einen kleinen Rückfall erlitten?...Muss sich entscheiden: Gibt er abseits des Eises alles für eine Karriere oder genügt es ihm, ein sehr guter österreichischer Spieler zu werden?

Florian Baltram (97, Salzburg): Ausgezeichnete Entwicklung im letzten Jahr - von sehr gutem Teamplayer zum Leader…Vor allem Speed und Agilität im Verkehr jetzt auf einem hohen Level…Offensivausbeute profitiert von verbesserter Beinarbeit…Traum für jeden Trainer…Wird körperlich wohl nur Mittelmaß bleiben, Offensivpotential ist noch nicht ganz absehbar…Sollte zumindest eine Karriere wie Konstantin Komarek hinlegen

Dominic Zwerger (96, Spokane): Kein Crease Crasher per se, hat aber seine Stärken um das Tor herum…Scort meist aus Nahdistanz, hat gute Reichweite für Wrap-Arounds…Brauchbare Größe und zeitweise mit gutem Durchsetzungsvermögen…Beine sind ok, muss sie aber stets in Bewegung halten…Entscheidungsprozess ist nicht immer der beste, erkennt nicht immer die besten Lösungen und ist nicht unbedingt ein kreativer Spieler…Muss in der nächsten Saison den Übergang in den Seniorenbereich (Schweiz?) schaffen

Bernd Wolf (97, Bern): Unter den Defendern mit dem besten Potential…Findet unter Druck mit der Scheibe gute Lösungen, windet sich mit guten Drehungen aus dem Verkehr…Gegen Deutschland etwas mit Problemen im Zweikampf, sonst aber mit gutem Battle Spirit entlang der Bande und sehr guter Standfestigkeit…Schuss ist größtes Manko

Dario Winkler (97, Everett): Wertvoller Zwei-Weg-Spieler, der seine Leistung fast immer abruft…Bestreitet Zweikämpfe mit Gusto, braucht aber mehr Muskelkraft, um effektiver zu sein und Verletzungen zu vermeiden…Glänzt selber eher selten, macht aber Spieler in seiner Linie besser

Stefan Gaffal (96, Linz): Offensiv-Potential wäre sehr gut, hat feine Hände und einen sehr guten Schuss…Müßte seine Stärken im Powerplay weit mehr einbringen…Entwicklung geht nicht in richtige Richtung…Speed/Size-Ratio ein großes Problem, ist nicht schnell genug, um sich gegen körperlich starke Spieler Raum zu verschaffen…Steifer Eislaufstil…Kein Role Player für EBEL, aber wird er je körperliche Voraussetzungen für Scoring Line haben?...Vielleicht der kniffligste Fall in diesem Team, EBYSL-Spiele lassen eher seine Schwächen als Stärken ansteigen

Erik Kirchschläger (96, Linz): Etwas größer und körperlich stärker als einige Nebenleute, aber sicher kein Punishing D…Gute Bewegung unter Druck, gerät nicht in Panik…Sollte solider Tiefenverteidiger in EBEL werden…Limitiertes Offensivpotential

Gerd Kragl (97, Linz): Spielt seine Shifts ruhig herunter, macht kaum Fehler…Einfaches Spiel mit der Scheibe…Gute Beinarbeit, kann Druck so entkommen…Wie Teamkollege Kirchschläger mit überschaubarem Offensivpotential, beide werden um einen Platz im Linz-Kader/Lineup kämpfen

Sam Antonitsch (96, Okanagan Europe): Crash- und Bang-Player…Körperlich sehr stark, checkt alles, was ihm in den Weg kommt…Nimmt aber keine dummen Strafen…Guter defensiver Hockeysense, covert oft für aufrückende Verteidiger…Beine sind besser geworden, aber immer noch etwas schwer…Kein Finesse Player, macht aber Punkte in Zweikämpfen um das Tor herum und schafft Raum für Nebenleute…Gelingt ihm Sprung ins College?

Ramon Schnetzer (96, Kloten): Hat etwas mehr Größe und ein wenig mehr Offensive als seine Nebenleute…Gute Mobilität…Findet ab und an Löcher und bringt sich etwas nach vorne ein…Könnte EBEL-Tiefenverteidiger werden…Wie bei Spielern wie Kirchschläger oder Kragl – kein Top-4-Kandidat, aber würde Chance wahrscheinlich nutzen

Patrick Kittinger (96, Salzburg): Gebürtiger Wiener, erst in Schweden und USA, jetzt dauernd im Ausland mit Salzburg unterwegs, daher schwer zu scouten…Sehr gute Größe und Reichweite, verwendet lange Arme gut in Bandenkämpfen und hinter dem Tor…Schirmt Gegner gut ab, powert sich so vors Tor…Gute Spielintelligenz…Größtes Problem: Mangelnder Antritt, die ersten Schritte müssen besser werden

Daniel Jakubitzka (96, Salzburg): Wie so viele Defender hier – etwas undersized, guter Compete Level, im Powerplay keine große Waffe…Offensive aber doch etwas größer als etwa bei Kragl oder Kirchschläger…Wird nicht mehr wachsen, hat aber körperlich über die Jahre zugelegt…Spielt mit großem Herz…Sollte Chance in EBEL bekommen - wäre als gebürtiger Innsbrucker etwa logischer Kandidat für Tiroler Weg

Daniel Wachter (97, Salzburg): Größe wird immer Thema sein, ist klein und schaut auch so aus…Moskito-Typ, bohrt Gegner unaufhörlich an und hat keine Angst…Im Gegensatz zu Gaffal etwa verfügt er über schnelle Beine…Erkennt Situationen sehr gut und hat auch gute Hände…Kann mit guten Spielern spielen, erhält Spielzüge am Leben...Sollte in EBEL Chance bekommen zu zeigen, dass er über seine Größe hinauswachsen kann…Hat Potential für Publikumsliebling

Felix Maxa (97, Capitals): Etwas mehr Feuer als zuvor, aber weiter etwas emotionslos…Smart, guter Puckverteiler und durch gutes Stellungsspiel ausgezeichneter Shotblocker…Offensivpotential vielleicht limitiert, aber könnte schon bald EBEL-Viertliniencenter sein…Erinnert mich etwas an Salzburgs Marco Brucker

Lucas Birnbaum (97, Salzburg): Einziger Defender mit Gardemaß…Trotzdem kein physischer Spieler…Zeitweise mit Energieanfällen, dann wieder im selben Trott…Eigenantrieb könnte besser sein…Eislaufen wäre gut, muss sich entweder selber oder durch Spielen auf höherem Level dazu zwingen, jeden Shift mit voller Dynamik zu bestreiten…Wie so oft bei größeren Spielern muss etwas mehr Zeit in Entwicklung eingeplant werden

Alexander Lahoda (96, Salzburg): Gute Beine und gutes Energielevel…Kann Scheibe schnell übers Mitteldrittel tragen, dann etwas Probleme mit Übersicht…Gibt jeden Shift sein Bestes und ist wertvoller Teamplayer…Mehr ein Disruptive Player als ein konstruktiver Spieler…Könnte sicher jederzeit in einer vierten Linie in der EBEL spielen

Thomas Stroj (96, KAC): Spielte Spiel seines (bisherigen) Lebens gegen Deutschland…Begann wie im letzten Jahr als Backup, war aber im richtigen Moment da und überflügelte Müller…Sehr flinke Beine…Battler, gibt keine Schüsse auf…Läßt aber zeitweise große Löcher über seinen Schultern…Muss sich im Tor größer anstatt kleiner machen

Benjamin Nissner (97, Capitals): Zeitweise etwas zu unauffällig und mit zu wenig Präsenz in den wichtigen Räumen…Beine wären von Technik her gut, aber er braucht unbedingt mehr Kraft in den Oberschenkeln…Hatte Scheibe wenig am Stock, Offensivpotential schwer abzuschätzen…

Florian Nußbaumer (97, Salzburg): Gute Mobilität, aber mit zu viel Panik unter Druck…Ok gegen schwächere Gegner, sonst aber mit Problemen…

Matthias Hagen (96, Davos): Größe überschaubar, Spiel mit Puck ebenfalls…Vom Eislaufen her kann er mithalten…Gerät gegen körperlich starke Gegner in Probleme…

Stefan Müller (96, Lugano): Wie beim letzten Turnier kam er mit Druck als Einser-Goalie nicht klar…Sehr schnell auf Knien, deckt dann aber viel zu wenig Tor ab…Auch mit Fanghandschuh zu langsam

Mit Dominic Hackl (96, Caps) und Ali Wukovits (96, Färjestads) fehlten zwei Cracks verletzungsbedingt, die schon in der EBEL tätig waren.

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