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Oliver Achermann: Ein Hüne als Spätzünder

Der bisherige Karriereweg des ÖEHV-Teamspielers war steinig. Nach seiner ersten Einberufung ins Nationalteam platzte ihm der Knoten:

Oliver Achermann: Ein Hüne als Spätzünder Foto: © GEPA

Man kann schon einmal in Ehrfurcht erstarren, wenn Oliver Achermann vor einem steht.

1,95 Meter groß, 93 Kilogramm schwer - der gebürtige Schweizer sticht sofort aus der Masse heraus. Und bringt Maße mit, die es so im heimischen Eishockey-Nationalteam zu selten gibt. Der 29-jährige Forward ist der größte Spieler im Team, übertrifft Kapitän Thomas Raffl um einen Zentimeter.

Doch kommt man erst einmal mit dem beim HC La Chaux-de-Fonds engagierten Angreifer ins Gespräch, begegnet einem ein selbstreflektierter Mensch, der im Laufe seiner Karriere schon vieles erlebt hat.

Von Davos herumgeschoben

Angefangen hat für den in Altdorf (Kanton Uri) geborenen Achermann alles beim EHC Seewen, für den er schon als Bub die Schlittschuhe schnürte. Der Wunsch, Eishockey-Profi zu werden, entwickelt sich schon früh.

Einzige Bedingung seiner Eltern: Die Ausbildung darf nicht zu kurz kommen. So geht der Sohn eines Schweizers und einer Österreicherin mit 14 Jahren nach Davos, wo er das dort ansässige Sportgymnasium besucht und für die Junioren des HC Davos spielt.

Obwohl der heute 29-Jährige gute Zahlen vorweisen kann, wird er immer wieder herumgeschoben. Arosa, Prättigau-Herrschaft, Chur - die Karriere eines großen Eishockey-Spielers rückt von Jahr zu Jahr in immer weitere Ferne.

Achermann zeichnet es schon früh aus, sich nicht von Rückschlägen zurückwerfen zu lassen. Mit der abgeschlossenen Ausbildung in der Hand verbringt der Rechtsschütze 2013/14 sein letztes Junioren-Jahr in Schweden bei Asplöven/Kalix. Dort kommt er im selben Jahr in der zweitklassigen HockeyAllsvenskan zu seinen ersten Profi-Einsätzen.

Oliver Achermann (li.) hatte in Dornbirn nicht viel zu lachen
Foto: © GEPA

Im Sommer 2014 geht es für ihn zurück in die Heimat seiner Mutter, Achermann unterschreibt in Dornbirn seinen ersten Profi-Vertrag. Bei den Bulldogs sollte es jedoch nie so richtig klappen, immer wieder wird er zum Partnerteam EHC Bregenzerwald geschickt.

Drei Jahre nach seiner Ankunft strebt der ÖEHV-Teamspieler nach einer neuen Herausforderung, geht zurück in die Schweiz zum EHC Visp. Beim ehemaligen National-League-Meister fühlt er sich schnell wohl, entwickelt sich zu einem konstanten 20-Punkte-Scorer.

Der ganz große Durchbruch bleibt ihm jedoch (noch) verwehrt. Nach weiteren drei Jahren in Visp sichert sich Liga-Konkurrent La Chaux-de-Fonds seine Dienste, auch dort punktet Achermann konstant, aber keineswegs wie ein Topscorer.

Der Durchbruch

Bis zur Saison 2021/22: Plötzlich verbucht der Hüne einen Punkt pro Spiel, beendet den Grunddurchgang mit 45 Punkten (25 Tore, 20 Assists) aus ebenso vielen Spielen. In zwölf Playoff-Partien lässt er weitere sechs Punkte folgen.

Doch woher kam der unerwartete Aufschwung? "Im November 2021 wurde ich erstmals für die österreichische Nati aufgeboten. Das hat mich beflügelt und diesen höheren Rhythmus konnte ich mitnehmen", erzählte Achermann im vergangenen März der Schweizer "Blick".

Der gebürtige Schweizer profitierte damals im Vorfeld des Vier-Nationen-Turniers in Jesenice von zahlreichen Absagen anderer Spieler und nützte seine von ÖEHV-Teamchef Roger Bader erhaltene Chance.

Denn nur wenige Monate später steht er mit Österreich bei der A-WM in Tampere auf dem Eis - der vorläufige Höhepunkt seiner Karriere und das Ende eines steinigen Weges, von dem Achermann viel mitnehmen konnte.

"Dieser Weg prägt einen sicher sehr", sagt er, "dass man, wenn der Widerstand mal größer ist, nicht gleich aufgibt und versucht, einen Ausweg zu finden oder probiert, an sich zu arbeiten. Das hat mich sicher geprägt, dass ich nicht gleich aufgebe und versuche, stärker aus Situationen rauszukommen."

Die beste Saison seines Lebens - mit einem bitteren Beigeschmack

Den Schwung nahm er in die abgelaufene Spielzeit mit, wo er mit 60 Scorerpunkten zweitbester Scorer des NLB-Grunddurchgangs wurde. 33 Tore aus 38 Spielen waren sogar Top-Wert.

"Schwierig wird es sein, diese nächstes Jahr zu bestätigen und zu zeigen, dass das Jahr nicht nur einmalig war."

Achermann über seine bisher beste Saison

Achermann erzählt: "Wir sind relativ gut gestartet, gegen Mitte der Saison waren wir aber schon über 20 Punkte hinter dem EHC Olten. Dann war unser Ziel, dass wir es schaffen, sie einzuholen. Ab Mitte Jänner haben wir eine unglaubliche Serie hingelegt, von den letzten 32 Spielen haben wir nur vier verloren."

So konnte man den Grunddurchgang noch für sich entscheiden, "den Schwung und den Speed von der Schlussphase des Grunddurchgangs konnten wir in die Playoffs mitnehmen, sind im Finale gegen Olten sogar mit 4:0 durchgelaufen", durfte Achermann mit La Chaux-de-Fonds den Titel in der NLB bejubeln.

Mit dem Letten Toms Andersons und Ex-Capitals-Crack Sondre Olden bildete er eine unfassbar starke Linie, die alleine in den Playoffs für 72 Scorerpunkte kombinierte. "Ich hatte eine super Linie dieses Jahr, mit den beiden Flügeln hat das perfekt harmoniert und extrem Spaß gemacht", freut sich Achermann.

Einziger Wermutstropfen in einer sonst perfekten Spielzeit: Das Aufstiegsplayoff für die NLA. Gegen den HC Ajoie ist der NLB-Meister schon 2:0 voran gelegen, doch vier Niederlagen en suite besiegelten den Verbleib in der zweiten Liga.

"Das war schade, dass wir es nicht geschafft haben. Am Schluss haben wir dann doch wohl zu wenig Breite im Kader gehabt. Wir haben die Energie etwas verloren, es war aber knapp", so der 29-Jährige.

Dass es für ihn persönlich derart gut läuft, ist angesichts seines Karrierewegs "bis zu einem gewissen Grad sicher eine Genugtuung." Natürlich sei es auch schön, "so eine erfolgreiche Saison zu haben. Schwierig wird es sein, diese nächstes Jahr zu bestätigen und zu zeigen, dass das Jahr nicht nur einmalig war."

Der Wunsch von der zweiten WM-Teilnahme

Zuvor will sich Achermann wieder unter Roger Bader beweisen und den neuerlichen Sprung in den WM-Kader schaffen. "Das wird sicher nicht einfach", weiß er um die Konkurrenz auf der Center-Position. Mit Marco Rossi wurde diese zuletzt nicht kleiner. "Wenn ich aber hart arbeite, muss Roger entscheiden", weiß Achermann, der ein zweites Ziel hat.

"Dem mit meiner Spielweise bestmöglich zu helfen, damit wir zusammen Erfolg haben und das Ziel 'Klassenerhalt' schaffen", betont der Forward. Der laut eigenen Aussagen das Spiel gut lesen und auf beiden Seiten des Eises - also offensiv und defensiv - gut arbeiten kann. Seinen Abschluss sieht er nach 45 Saisontoren naturgemäß ebenfalls als Waffe.

Achermann will bei der WM wieder mit Österreich jubeln
Foto: © GEPA

Noch viel wichtiger für das ÖEHV-Team sind allerdings seine Gardemaße, mit denen er ein wichtiges Element für die A-WM ins Team bringen kann. "Die versuche ich auch gut einzusetzen", meint er.

Druck verspürt Achermann noch keinen, zumindest "nicht mehr als letztes Jahr. Ich versuche mein Bestes zu geben. Das ist das einzige, das ich beeinflussen kann. Alles andere versuche ich auszublenden."

Nächstes Jahr trotz Vertrag in die NLA?

Sollte es für die WM reichen, könnte der Torjäger nochmal Werbung in eigener Sache machen. Mit seinen Leistungen hat er bereits das Interesse aus der National League geweckt.

"Es gab dieses Jahr schon Gespräche, noch ist aber nichts zustande gekommen", erklärt der in La Chaux-de-Fonds bis 2026/27 unter Vertrag stehende Crack. "Die Türe ist aber noch nicht geschlossen", hält er fest.

Wo er nächste Saison spielt, ist also noch nicht gänzlich geklärt. Im Sommer wird er sich aber bestimmt einmal in Österreich blicken lassen. Während der Saison ist es "praktisch nie" möglich, Zeit in der Heimat seiner Mutter zu verbringen.

Aber "im Sommer bin ich schon ab und zu mal in Dornbirn bei Ex-Kollegen oder bei den Großeltern in der Nähe von Linz", erzählt Achermann. "Also ich bin schon so oft es geht in Österreich."


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