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Baumgartner: "Habe Zeit gebraucht, das zu verarbeiten"

Der Angreifer zählt zu den Fixgrößen im ÖEHV-Team. Die letzten beiden Weltmeisterschaften verpasst zu haben, nagte an ihm. In Bern reift Baumgartner zum Leader.

Baumgartner: Foto: © GEPA

Als Österreich 2022 und 2023 den Klassenerhalt bei der Eishockey-WM schaffte, konnte Benjamin Baumgartner jeweils nicht mitwirken.

Bei den Titelkämpfen im Vorjahr spielte der 23-Jährige zwar in den Auftaktpartien gegen Schweden sowie die USA, allerdings erlitt der Angreifer bei letzterer Overtime-Niederlage eine Knöchelverletzung, die ihn für den weiteren Turnierverlauf außer Gefecht setzte.

2023 war bereits während der Vorbereitung Schluss, eine Knieverletzung verhinderte sein Antreten in Tampere. Besonders mental war das schwierig für ihn zu verarbeiten.

Den folgenden Sommer nutzte Baumgartner, um den Reset-Knopf zu drücken, erzählt er im LAOLA1-Gespräch am Rande des Deutschland-Cups in Landshut. Das zeigte Wirkung, heuer spielt der Bern-Legionär befreit auf und absolviert bislang eines seiner stärksten Jahre im Profi-Eishockey.

Vor dem Schlagerspiel am Samstagabend zwischen Deutschland und Österreich (18 Uhr im LIVE-Ticker >>>) lässt Baumgartner die ersten Monate einer noch jungen Saison Revue passieren, spricht über seine Vertragssituation und erklärt, warum sich Österreich auf einem guten Weg befindet.

LAOLA1: Wie habt ihr die 1:7-Niederlage gegen die Slowakei aufgearbeitet?

Benjamin Baumgartner: Wir haben analysiert, was alles falsch gelaufen ist, was wir besser machen können. Das Training am Freitag war schon richtig gut, vor allem von der Intensität und vom Speed her. Ich denke, gegen Deutschland sollten wir besser eingestellt sein.

LAOLA1: Worauf wurde im Training der Fokus gelegt?

Baumgartner: Darauf, dass wir nicht zu kompliziert spielen, schnellere Entscheidungen treffen, schneller eislaufen. Du hast auf dem Level keine Zeit, irgendwas zu kreieren, die Plays müssen fast schon einstudiert sein. Da waren wir gegen die Slowakei nicht gut genug eingestellt, die meisten Spieler haben nicht unbedingt gewusst, wo sie hinfahren und welche Rolle sie einnehmen sollen. An dem haben wir am Freitag gearbeitet, jetzt sollte alles einstudierter sein.

"Ich weiß noch, dass wir gegen Schweden gespielt haben – da waren NHL-Spieler wie William Nylander und Elias Pettersson dabei. Wenn du denen beim Training oder im Spiel zuschaust, ist das unglaublich."

Baumgartner über seine erste A-WM 2019

LAOLA1: Teamchef Roger Bader hat nach der Slowakei-Klatsche gemeint, dass die Gründe der Niederlage speziell in den Angewohnheiten einiger Spieler aus dem Liga-Alltag liegen. Gehst du damit d’accord?

Baumgartner: Wir dachten, wir können nochmal abdrehen, nochmal einen Pass spielen, nochmal dribbeln. Wenn wir ins Nationalteam zusammenkommen, müssen die Trainings von Anfang an so sein, dass der Speed höher ist, man keine Zeit hat, alles schneller geht, schnellere Entscheidungen getroffen werden müssen. Das hat gegen die Slowakei alles zu lange gedauert, deshalb haben sie uns im Forecheck die Scheibe geklaut, wir sind gar nicht aus der eigenen Zone herausgekommen. Wir sind so unter Druck gewesen, weil wir zu lange gebraucht haben. Daran haben wir am Freitag im Training gearbeitet, das hat schon viel besser ausgesehen.

LAOLA1: Du bist zwar erst 23 Jahre alt, zählst international aber trotzdem schon zu den erfahreneren Kader-Spielern. Ändert sich für dich dadurch etwas an deiner Einstellung oder der Art, wie du spielst?

Baumgartner: Ich weiß genau, was ich am Eis machen muss, wenn ich als Center spiele. Egal ob in der Schweiz oder hier – es ist dasselbe Spiel. Eishockey bleibt Eishockey. Ich konzentriere mich einfach auf meine Aufgaben, schaue, dass ich mit meiner Linie gut bespreche, was wir vorhaben und umsetzen wollen.

LAOLA1: Du hast schon im Alter von 19 Jahren deine erste A-WM gespielt, 2019 in Bratislava. Wie hast du damals alles wahrgenommen?

Baumgartner: Es war eine geile Erfahrung, leider sind wir dann abgestiegen. Ich denke, es ist immer gut, wenn man international spielen kann, egal in welcher Liga du spielst. Es schauen immer viel mehr Leute zu, es ist ein viel höheres Niveau, du kannst dich besser weiterentwickeln, von guten Spielern etwas abschauen. Ich weiß noch, dass wir gegen Schweden gespielt haben – da waren NHL-Spieler wie William Nylander und Elias Pettersson dabei. Wenn du denen beim Training oder im Spiel zuschaust, ist das unglaublich. Du kannst natürlich viel von ihnen lernen, ich möchte jeden Tag besser werden. Deshalb war das eine einmalige Erfahrung für mich. Leider habe ich beide Weltmeisterschaften in Finnland verpasst (Baumgartner absolvierte bei der A-WM 2022 zwei Spiele und ist danach verletzungsbedingt für den weiteren Turnierverlauf ausgefallen, Anm.), das war sehr bitter für mich. Aber die erste WM in Bratislava habe ich noch gut in Erinnerung.

LAOLA1: War es mental schwierig, die Ausfälle bei den Weltmeisterschaften 2022 und 2023 zu verkraften?

Baumgartner: Ja, besonders heuer war es sehr bitter. Da habe ich auch einige Zeit gebraucht, das zu verarbeiten. Ich habe mich zum Saisonende der National League gut gefühlt, auch in der Vorbereitung auf die WM gut gespielt, war gut in Form. Dann hat mich die Verletzung (Knie, Anm.) wieder aufgehalten. Ich bin daraufhin nach Bern zurückgeflogen, habe nochmal zwei Wochen intensiv Physio gemacht, aber es hat am Ende nicht gereicht und ich musste kurzfristig für die ganze WM absagen. Ich habe dann eine Pause gebraucht, habe auch die Verletzung ausheilen lassen und bin gleich einmal für drei Wochen auf Urlaub gefahren, damit ich den Kopf abschalten kann, den Reset-Knopf drücke. Die Zeit im Sommer hat mir wirklich sehr gut getan, weil während der Saison hast du kaum Zeit, gewisse Dinge zu genießen. So konnte ich die gesamte Negativität abbauen, bin danach in Bern auch wieder ins Training eingestiegen, hatte einen schönen Sommer und habe so wieder Energie für die neue Saison getankt.

"Ich fühle mich sehr wohl, konnte auch eine Leader-Rolle übernehmen. Ich habe mich dieses Jahr sehr gut entwickeln können."

Baumgartner ist beim SC Bern glücklich

LAOLA1: Wie hast du die vergangene WM dann verfolgt? Ich nehme an, die Freude über den neuerlichen Klassenerhalt war auch bei dir groß.

Baumgartner: Natürlich, es war auch sehr spannend. Ich denke, dass wir in Österreich langsam auf einem guten Weg sind. Es könnten sicher noch mehr junge Spieler in der österreichischen Top-Liga (der win2day ICE Hockey League, Anm.) spielen, eine größere Verantwortung übernehmen. Es kommen viele gute junge Spieler nach. Wir haben zweimal in Folge den Klassenerhalt geschafft, bei der WM 2022 Tschechien geschlagen, gegen die USA erst in der Verlängerung verloren. Das Potenzial ist da, wir müssen einfach weiterarbeiten und jedes Jahr besser werden.

LAOLA1: Du stehst seit Sommer 2022 beim SC Bern unter Vertrag, wie geht es dir dort?

Baumgartner: Sehr gut! Ich fühle mich sehr wohl, eishockeytechnisch konnte ich auch eine Leader-Rolle übernehmen. Ich habe mich dieses Jahr sehr gut entwickeln können, viel Vertrauen erhalten, spiele sehr viel. Ich darf im Powerplay ran, genauso in Unterzahl, komme offensiv wie defensiv zum Einsatz. Es ist mir sehr wichtig, dass ich ein Allrounder bin, eigentlich überall eingesetzt werden kann. In der Hinsicht habe ich mich definitiv zu einem guten Spieler entwickelt.

LAOLA1: In der National League belegt Bern nach 21 Spielen den vierten Platz, das ist bislang eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den letzten Jahren, in denen viel schiefgelaufen ist. Wie fällt dein Fazit aus?

Baumgartner: Die letzten Jahre waren nicht optimal. Bern ist aber eine Arbeiterstadt, der Verein arbeitet entsprechend hart. Wir sind auf dem richtigen Weg, dieses Jahr wieder vorne dabei, spielen gut. Wir schauen aber immer nur auf die nächste Partie. Was in der Vergangenheit passiert ist, können wir nicht ändern. Darum schauen wir voraus, aktuell läuft es ja gut.

LAOLA1: Du hast deine Leader-Rolle bereits angesprochen, die schlägt sich auch in den Zahlen nieder. Du bist im Schnitt in jedem zweiten Spiel an zumindest einem Tor beteiligt, hast vier Tore und sechs Assists bei 20 Einsätzen verbucht. Täuscht das Gefühl, dass du bisher eine deiner stärksten Profi-Jahre absolvierst?

Baumgartner: In Davos habe ich natürlich zwei unglaubliche Jahre (2019/20, 2020/21, Anm.) gehabt, aber jetzt bin ich ein kompletterer Spieler geworden. Eben, dass man mich in jeder Situation einsetzen kann. Ich glaube, ich habe mich in vielen Bereichen verbessert, jetzt kommt das Scoring auch wieder zurück. Ich muss auch sagen, dass wir uns in der Linie mit Marco Lehmann und Tristan Scherwey sehr gut verstehen. Wir sind gut eingespielt, das macht es natürlich einfacher. Genauso wie, dass das Team heuer besser auftritt. Die Schweizer Liga wird jedes Jahr besser, jetzt mit sechs Ausländer pro Team wird es immer schwieriger, zu punkten und Spiele zu gewinnen. Da bin sowohl ich persönlich als auch die Mannschaft auf einem guten Weg.

LAOLA1: Ebenfalls beim SC Bern spielt Thierry Bader, der Sohn von Teamchef Roger Bader. Wie ist das Verhältnis zwischen euch beiden?

Baumgartner: Sehr gut. Wir sind gute Freunde, gehen oft gemeinsam golfen, haben abseits des Eises eine Gaudi. Im Sommer waren wir gemeinsam im Schwimmbad, haben viel Spaß miteinander.

"Sicher ist das noch ein Ziel, irgendwann einmal in der NHL zu spielen."

LAOLA1: Dadurch stehst du auch unter genauerer Beobachtung von Roger Bader, der sich wohl mehr Bern-Spiele als Partien anderer Klubs ansehen wird.

Baumgartner: Er ist manchmal bei uns in Bern, schaut sich paar Spiele an. Das ist logisch, wenn der eigene Sohn dort spielt. Ich denke, er wird sich auch online einige Spiele von uns ansehen.

LAOLA1: Dein Vertrag in Bern läuft mit Saisonende aus, die Rapperswil-Jona Lakers und der HC Ambri-Piotta sollen Interesse zeigen. Beschäftigst du dich damit?

Baumgartner: Zurzeit möchte ich nicht zu viel davon wissen. Ich spiele gerne Eishockey, konzentriere mich voll darauf. Jetzt bin ich beim Nationalteam, danach komme ich nach Bern zurück, habe zwei Tage Pause und es geht schon wieder weiter. Bis Weihnachten stehen viele Spiele an, daher liegt mein Fokus darauf, für diese intensive Phase fit und bereit zu sein. Ich will weiter gut spielen, eine gute Rolle einnehmen – es sind erst 20 Spiele absolviert, ich will meine Leistungen über die gesamte Saison aufrechterhalten. Irgendwann muss ich eine Entscheidung treffen, es muss für mich einfach passen. Ich will weiterhin ein Leader sein und viel spielen. Wo das ist, wird sich herausstellen.

LAOLA1: Inwieweit lebt noch dein Traum von der NHL?

Baumgartner: Sicher ist das noch ein Ziel, irgendwann einmal in der NHL zu spielen. Dieser Traum stirbt nie. Man kann sich nur mit guten Leistungen und Spielen empfehlen, ausschließen würde ich es nicht.


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