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Hinter den Kulissen: So läuft ein ICE-Transfer ab

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller erklärt das Transfer-Business in Österreich:

Hinter den Kulissen: So läuft ein ICE-Transfer ab Foto: © GEPA

Es war eine der aufregenderen Transferwochen in den letzten Jahren: Die Vienna Capitals verloren gleich fünf Spieler an die Ligakonkurrenz, woraufhin General Manager Franz Kalla in einer Pressekonferenz vom Leder zog.

Werden Spieler wirklich abgeworben? Wie kommt es zu solchen Wechseln? Fließen da wirklich keine Ablösen?

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wirft einen Blick hinter die Kulissen:

Der zeitliche Ablauf

Im Gegensatz zur Schweiz und Deutschland, wo Übertritte oft fast schon ein Jahr vor Vertragsende angeleiert werden, kommt in der ICE erst nach Jahreswechsel Bewegung in die Sache. Vorher passiert bei Verlängerungen als auch bei Neuerwerbungen nur in absoluten Ausnahmefällen etwas.

Um bei den österreichischen Spielern zu bleiben: Eher im Februar als im Jänner wenden sich die Agenten an die Teams, entweder schriftlich oder mündlich. Da kann es sich um eine Liste mit vertragsfreien Cracks handeln, die an alle Teams geht oder schon konkrete Fragen: "Wärt ihr an Spieler X interessiert?"

Dabei handelt es sich um eine Art Denkanstoß, Teams selbst brauchen diesen oft erst, um in die Gänge zu kommen. Nach meiner Erfahrung: Dass ein Team von sich selbst wegen eines Spielers nachfragt, ohne dass dieser zuvor angeboten wurde, kommt eher selten vor, würde aber im Ablauf der Geschehnisse ohnehin nichts ändern.

Das Wort "Abwerben" hat immer noch etwas Agentenkrimihaftes an sich, so als ob die Vereinsmanager mit dem Geldkoffer vor der Kabinen- oder Wohnungstür warten. Wer das glaubt, ist geistig im Alter von etwa zehn Jahren stehengeblieben. Die ersten Gespräche verlaufen immer erst mit den Agenten, erst danach wird auch mit dem Spieler über seine sportlichen Vorstellungen (keinesfalls die Zahlen) geplaudert.

Diese Gespräche können durchaus auch im Sande verlaufen und zu keinen Abschlüssen führen, aber sie sind ein sicheres Indiz für konkretes Interesse und finanzielle Potenz. Teams wie Dornbirn oder Innsbruck – bei aller Wertschätzung – werden bei österreichischen Spitzenkräften kaum in die Phase der persönlichen Gespräche einsteigen, der VSV war da heuer dagegen um einiges aktiver.  

Konkrete Verhandlungen über Zahlen können sich ziehen, gehen aber meist bei gutem Willen des aufnehmenden Teams relativ flott über die Bühne. Noch kann das Ex-Team natürlich matchen, nur lange darf man nicht zuwarten. Wenn ein Spieler einmal einen Transfer ernsthaft in Erwägung zieht (sportliche und finanzielle Perspektiven steigen), schaut er eher selten zurück.

Vertragspoker ja oder nein?

(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt.)

Wenn ein Vereinsmanager darüber informiert wird, dass einer seiner Spieler ein Angebot vorliegen hat, gibt es folgende Möglichkeiten:

Ignorieren - falls er wirklich geht, ist das kein großer Verlust.

Das als Bluff abtun – es kommt durchaus vor, dass die angeblichen Angebote eher lose sind oder gar nicht existieren. Agenten wollen natürlich den Wert ihres Spielers anheben oder ihn zumindest nicht sinken lassen. Ein Satz wie "Macht's ein Angebot, ich hab' sonst eh nichts für ihn" wäre nicht gerade Dienst am Kunden. Aber Passivität von Klubseite kann natürlich dazu führen, dass der Spieler wirklich geht, das ausbleibende Gegenangebot seines derzeitigen Teams bestärkt ihn dann eher.

Ein Angebot abgeben, mit dem der Verein leben kann, unabhängig von den genannten Zahlen des interessierten Teams - "So viel ist er uns wert, wenn er mehr will, muss er woanders hingehen." Der Agent hat zumindest ein Angebot in den Händen, der Spieler kann sich geschätzt fühlen und dann eine Entscheidung treffen, das alte Team hat sich finanziell nicht verausgabt.  

Das neue Angebot matchen oder gar überbieten - Natürlich sollte man sich da sicher sein, dass dieses Offert auch wirklich existiert, sonst bietet man gegen sich selbst. Gerade der österreichische Markt ist überschaubar, einige GMs sind sich auch freundschaftlich bis zum Rande der Marktabsprache verbunden, sodass dies eher nicht passieren sollte.

Und Teams wie Salzburg oder der KAC können höchstens untereinander oder von einem ausländischen Team überboten werden. Die Erfahrung zeigt: Oft kommen diese Angebote erst, wenn der Spieler bereits beim neuen Team unterschrieben hat oder diesem zumindest im Wort ist.

Man kennt einander…

Weder im Bereich der Vereinsmanager noch dem der Agenten hat sich über die letzten Jahre viel getan, man kennt einander schon seit langem. Jeder Sportmanager sollte daher wissen, welcher Agent seine Worte mit Leben erfüllt und welcher nicht.

Der eine kommt gerne mit fiktiven oder überhöhten Angeboten daher, der andere ist da ehrlicher. Nur: Sich taub zu stellen, tagelang keine Mails oder Telefonate zu beantworten, ist nicht unbedingt vielversprechend und auch keinesfalls professionell.

Grundsätzlich gilt: Wenn fast alle Agenten über einen Manager stöhnen, steckt etwas dahinter. Umgekehrt gibt es natürlich auch Agenten, die bei kaum einem Verein einen guten Ruf haben.  

Auch wenn es um Zahlen geht, sollten einander beide Seiten genau kennen. Der eine Agent ruft gerne Mondpreise ab (von denen ein Monat später keine Rede mehr ist), der andere versucht schon von Haus aus, realistische Preise auszuhandeln.

Umgekehrt kennen natürlich auch die Agenten ihre Pappenheimer: Bei diesem Sport-Manager bedeutet "höchstens" wirklich "höchstens", sein Kollege lässt dem letzten Angebot gerne noch ein allerletztes folgen, ehe man sich beim aller-allerletzten einigt.

Details wie Wohnungsgrößen, Schulgelder oder selbst die Kosten des Übergepäcks beim Flug sind oft mühsamer zu verhandeln als die eigentlichen Gehaltszahlen.

Wozu braucht es eigentlich Agenten?

Können sich die Teams und die Spieler das nicht untereinander ausmachen und sich so die Agentengebühren sparen?

Im Gegensatz zum Fußball, wo jeder 12-Jährige schon einen Agenten zu haben scheint, ist das im Eishockey keineswegs so ausufernd. Nachdem im Nachwuchsbereich kein Geld fließt, greifen die meisten Cracks erst später auf Berater zurück, außer sie haben eine Auslandskarriere im Auge. Alle Engagements von KAC-Cracks (Nickl, Kasper jr., Scherzer) nach Rögle liefen etwa über den gleichen Agenten, Peter Kasper.

Es geht nicht mehr ohne Spielerberater, so traurig das auch klingt. Zu schnell sind Versprechungen vergessen, viele Vertragsbestandteile bringen Arbeitsrechtler selbst bei einem flüchtigen Blick nur zum Kopfschütteln. Spieler, die Gespräche selbst oder nur mit ihren Eltern angehen, werden das eher bereuen.

So schön es wäre, dass nach einer Vertragsverhandlung ohne Agenten alle Seiten happy sind – ich würde nicht dazu raten. Einheitliche Verträge oder Kollektivgehälter gibt es im österreichischen Eishockey nämlich nicht, erlaubt ist was gefällt.

Welche Agenten sind denn an den letzten Wechseln beteiligt gewesen?

Eine bunte Mischung, DER Preistreiber ist hier nicht auszumachen.

Ali Wukovits und Benjamin Nissner werden von Roly Thompson (langjähriger Agent von Raffael Rotter) bzw. Michael Bühler vertreten. Wukovits wabert allerdings zwischen Agenten hin und her.

Die Interessen von Ty Loney und Jerome Leduc (hätte fast sogar die ICE in Richtung Frankreich verlassen) nimmt Ex-Teamgoalie Bernd Brückler wahr.

Marco Richter wird von Ex-Caps-Defender Peter Kasper vertreten.

Den Massenexodus der Dornbirn-Legionäre (Rapuzzi, MacKenzie, Yogan) zu Slovan Bratislava hat Ex-Bozen-Coach Pat Curcio in die Wege geleitet. Die dort gezahlten Gehälter liegen auf gutem ICE-Niveau, sind daher für Dornbirn nicht zu matchen.

Was ist mit einer Ausbildungsentschädigung?

Caps-GM Franz Kalla erwähnte im Rahmen seiner "Wutrede" das Schweizer Modell. Vereinfacht erklärt: Für jeden Spieler jeder Spielklasse (inklusive Legionäre) fällt eine Registrierungsgebühr an. Diese wird anhand eines komplizierten Modells vermehrt an jene Teams zurückgezahlt, die Spieler im Alter zwischen zehn und 22 Jahren ausgebildet haben.

Ein äußerst komplexes System, das die Internationalität von ICE- und Alps-Hockey-League ignorieren müsste und Teams wie Dornbirn oder Innsbruck wohl den Garaus machen würde. Das sattsam bekannte ICE-Modell – seit 2002 (!) nicht geändert oder der Inflation angepasst – sieht eine Entschädigung von 30.000 Euro vor. Das gilt für jeden selbst ausgebildeten Crack, egal ob er nur einmal auf einem Spielbericht stand oder ein jahrelanger Stammspieler war, endet aber mit dem 23. Geburtstag.

Um über den Eishockey-Zaun hinauszuschauen: Bei allen Schweinereien, die sich die FIFA in den letzten Jahren gegönnt hat - mehr und bessere Anwälte als die Eishockey-Szene kann sie sich sicher leisten. Diese haben ebenfalls ein Entschädigungsmodell geschaffen, das ausbildende Teams belohnt, wenn Spieler ihren ersten Profivertrag unterschreiben oder wechseln. Aber auch dieses Konstrukt endet mit dem Erreichen des 23. Lebensjahres.

Ich bin kein Anwalt, weiß daher nicht, ob diese Modelle altersmäßig zufällig gleichgeschaltet sind oder ob ein Paragraf dahintersteckt. Rein vom logischen Menschenverstand: Will man wirklich Spieler, die (im österreichischen Eishockey) jahrelang Nachwuchs-Mitgliedsgebühren gezahlt haben und danach bei ihrem Stammverein mehrere Jahre gespielt haben, bei einem Wechsel danach noch einen finanziellen Rucksack umhängen? Das wäre ja dann ein Rückfall in die Prä-Bosman-Zeit, auch wenn man eine Ablöse als Ausbildungsentschädigung verbrämen würde. Das Schweizer Modell ist eine gewisse Umgehung solcher Probleme.

Egal, auf welcher Seite man steht und wem man bei den bisherigen Diskussionen recht geben will – die heurige Transferzeit ist schon jetzt die meistdiskutierte der letzten Jahre und das Anfang Mai. Sowohl in Wien als auch bei den anderen ICE-Standorten wird da noch einiges passieren…


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