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Das ist Salzburgs Erfolgsrezept

Bernd Freimüller verrät, warum die Eisbullen die Konkurrenz zertrampelt haben.

Das ist Salzburgs Erfolgsrezept Foto: © GEPA

Den Grunddurchgang eindeutig gewonnen, danach drei Sweeps – klarer und verdienter kann man einen Titel in der win2day ICE Hockey League nicht holen als Red Bull Salzburg.

Die Eisbullen sind das zweite Team nach den Vienna Capitals der Saison 2016/17, das in der Mindestanzahl von 12 Playoffspielen zum Titel in Österreichs höchster Eishockeyliga spazierte.

LAOLA1-Scout Bernd Freimüller wirft einen Blick auf die Erfolgssaison und erläutert, warum die Mozartstädter heuer so erbarmungslos mit der Konkurrenz umgehen konnten.

Saisonverlauf

Schon nach dem Transfersommer war klar: Die Roten Bullen gehen als ganz großer Favorit in die Saison und bestätigten diese Rolle auch früh.

Im Oktober, als Corona den Kader arg durchbeutelte, nahmen die Roten Bullen von der (damals noch leichteren) Möglichkeit der Absagen keinen Gebrauch, hangelten sich mit einigen Farmteamspielern von Spiel zu Spiel. Nicht alle gewannen sie, aber schon damals sorgten Ausnahmekönner wie Atte Tolvanen und T. J. Brennan für die notwendigen Punkte.

Vielleicht der beste Indikator für spätere Erfolge: Innerhalb von vier Tagen besiegten sie beide Capitals-Teams (Bratislava und Wien) mit 1:0, bewiesen dadurch auch, dass sie im Gegensatz zu früheren Editionen den Gegner nicht mehr outscoren mussten.

Nach Wiedergenesung (insgesamt musste nur ein Spiel coronabedingt verschoben werden) zeigten die Roten Bullen ihre wahre Stärke, setzten sich unangefochten an die Tabellenspitze.

Nicht alle Playoff-Siege waren danach souverän (zwei Tore in den Schlusssekunden in Wien), Niederlagen hätten Sweeps verhindert, keinesfalls allerdings den Weg zum Meistertitel. Der einzige Ausrutscher der Saison: Das Champions-League-Aus gegen Rouen.

Tiefe und Qualität

Ich habe schon in meiner Saisonvorschau geschrieben: "Alles andere als ein Finaleinzug wäre mit dieser Mannschaft nicht vertretbar." Nach den Zuzügen während der Saison (Tolvanen, Mike Dalhuisen, Brian Lebler) musste ich das upgraden, alles andere als der Titel wäre unverzeihlich gewesen, noch dazu, da übliche Konkurrenten wie der KAC oder die Capitals heuer schwächelten.

Die Akademie bzw. das AlpsHL-Farmteam garantierten stets dafür, dass junge Spieler mit sehr guten Beinen parat stehen. Ausfälle von Tiefenspielern, die andere Teams schon zu einem verkürzten Lineup zwingen, spielen daher überhaupt keine Rolle. Mit Ali Wukovits und Benjamin Nissner kamen im Sommer schon zwei einheimische Frontliner ligaintern, Peter Schneider kehrte nach zwei Jahren auf der Walz nach Österreich zurück.

Das ergibt schon eine einheimische Sturmlinie (auch wenn sie nicht zusammen aufliefen). Diese Qualitätstiefe zu verringerten Punkten sorgte auch dafür, dass sie die Legionärspositionen fast voll ausschöpfen und sogar die vier Punkte für Peter Hochkofler als Doppelstaatsbürger unterbringen konnten. Mit Tolvanen und dem lange verletzten J-P Lamoureux leistete man sich im zweiten Jahr in Folge ein ausländisches Goalieduo.

Es war vielleicht bezeichnend dafür, dass T. J. Brennan den vierten Sieg gegen Fehervar mit einem Empty-Netter festzurrte. Der US-Amerikaner, über Jahre in der AHL ein Offensivverteidiger vor dem Herrn, präsentierte sich als eine der dominantesten Spielerpersönlichkeiten im österreichischen Ligenbetrieb der letzten Jahrzehnte. Er scorte nicht nur nach Belieben (fast ein Punkt pro Spiel), sondern agierte auch defensiv überraschend solide, hinterließ nach seinen offensiven Beutezügen keineswegs Löcher.

Tolvanen (bereits vor längerer Zeit für die nächste Saison verlängert) machte in vielen knappen Spielen (also fast allen Playoff-Partien) den Unterschied, allerdings wäre der Titel natürlich auch mit Lamoureux (sehr stark gegen Znojmo) gelungen.

Hinten die Goalies, davor Brennan, vorne Nissner mit einer Breakout-Saison, dazu taten Schneider, Thomas Raffl und der nachverpflichtete Brian Lebler das, was sie seit Jahren tun: Toreschießen ohne Unterlass.

Da fiel es überhaupt nicht ins Gewicht, dass Ty Loney eine Saison mit einer großen Krankenakte hinlegte und Miksa Järvinen weit weniger Offensive mitbrachte als erwartet, dafür defensiv überraschend hingebungsvoll agierte.

"The best team money can buy"

Ein guter Satz von Kevin Constantine, der sein Team trotz formidabler Leistungen an Salzburg zerschellen sah. Die Roten Bullen setzten ihre Mittel heuer so ein, dass der Konkurrenz keine Chance blieb.

Es klingt aufgrund der heurigen Transferpolitik unglaublich, aber vor einigen Jahren – während der Ära Greg Poss – gab es aus München (von dort werden alle Entscheidungen zumindest abgesegnet, wenn nicht vorgegeben) Überlegungen, Salzburg zu einem Verbindungsglied zwischen der Akademie und Red Bull München zu machen.

Das hätte geheißen, dass Salzburg vor allem auf eigene Spieler zurückgreifen hätte müssen, die Legionärsanzahl wäre auch reduziert worden, sportliche Erfolge in den Hintergrund getreten und es hätten sich vor allem mehr deutsche Jungspunde im Lineup gefunden.

Sportdirektor Stefan Wagner wehrte sich gegen diese Pläne, konnte sie auch einigermaßen entschärfen. Natürlich arbeiteten sich unzählige Akademiespielern nach oben (im heurigen Kader: Kilian Zündel, Lukas Schreier, Paul Stapelfeldt, Luca Auer, Florian Baltram, Tim Harnisch, Paul Huber sowie die Nicht-Österreicher Peter Hochkofler, Danjo Leonhardt, Jakub Borzecki und Aljaz Predan), aber eben in zweiter oder dritter Reihe und nicht als Zugpferde.

Wären die damaligen Überlegungen in die Tat umgesetzt worden, wäre es etwa unmöglich gewesen, dass ein österreichischer Teamspieler wie Zündel in den Playoffs zugunsten eines Holländers (Dalhuisen) die Zuschauerrolle einnimmt.

Es gab einmal einen Satz von Pierre Page, dem Baumeister der Akademie-Idee: "Wir haben kein Budget, wir haben Ideen." Nun, ganz stimmte das in den letzten Jahren nicht, aus München kamen sehr wohl finanzielle Vorgaben, allerdings standen für Nachverpflichtungen während der Saison (entweder aus Leistungsgründen oder bei Verletzungen) immer Mittel parat.

Salzburg ging aufs Ganze

Heuer ging man allerdings von Haus aus All-in. Der letzte Sommer war keineswegs der erste, in dem Matt McIlvane an die Verpflichtung von Ali Wukovits dachte. München würgte dies zuvor mit dem Hinweis auf die eigenen Akademieprodukte ab, heuer gab es aber für diesen wie auch andere ligainterne Wechsel grünes Licht.

McIlvane, der wie alle Coaches in österreichischen Teams für die Spielerauswahl zuständig ist (Christian Winkler gibt in München seinen Segen, Helmut Schlögl sorgt dann für die vertragliche Abwicklung) bekam alle Wünsche erfüllt und durfte auch während der Saison nachlegen. Vor allem die Lebler-Verpflichtung – der Preis für das Gesamtpaket ließ den auch nicht bettelarmen KAC dankend abwinken – machte endgültig klar, dass der Meistertitel um jeden Preis (auch wortwörtlich gemeint) an die Salzach musste.

Der 36-jährige McIlvane ist konzernintern als Nachfolger von Don Jackson in München vorgesehen, dieser macht aber auch mit 65 Jahren noch keine Anstalten, seine Pension anzutreten.

Der Meistertitel war aber für McIlvanes Visitenkarte wichtig, er kann nun beruhigter in eine Zukunft sehen, die ihn entweder noch in der Warteschleife in Salzburg, in einer verstärkten Rolle in München (nach NHL-Vorbild "Associate Coach"?) oder gar in einer anderen Organisation sieht.

Gerüchte wie in dieser Woche, dass er in Ingolstadt ein Nachfolgekandidat für Doug Shedden sei, klingen zwar nicht sehr glaubhaft, können ihm aber nicht schaden.

Die Roten Bullen sind böse geworden

Auch fast unbegrenzte Mittel wie heuer in Salzburg können schlecht angelegt werden, frage nur beim KAC über die Reichel-Ära nach. McIlvane leistete sich heuer nicht den geringsten Fehlgriff, kein Legionär musste gegangen werden. Vor allem in einem Punkt unterschied sich das heutige Team aber gewaltig von den titellosen der letzten Jahre.

Es ist schon seit Jahren offensichtlich, dass die Regelauslegung in der ICE in den Playoffs mit der im Grunddurchgang nichts gemein hat. Ein leichter Stoß in der Regular Season? Charging oder die als Allheilmittel verwendete Interference.

Nur ein Ankommen mit dem Stock am Gegner? Haken oder Stockschlag. Die Refs, die bis März so agieren, ziehen sich dann in den Playoffs gerne in die Reihe des interessierten Zusehers (erste Reihe fußfrei) zurück und Teams, die das Gesetz nicht in die eigene Hand nehmen, sind die Angeschmierten.

Daran scheiterten die Roten Bullen in den letzten Jahren öfters, ließen sich von Leuten wie Matt Pelech an der Nase herumführen, bis sie entweder wie die Primeln eingingen oder überreagierten (der Trattnig-Check an Teamkollege Daniel Welser). Davon konnte heuer keine Rede sein, ganz im Gegenteil. Wo Peter Hochkofler oft als einziger Bulle physisch dagegenhielt, brauchte er heuer gar kein Faktor zu sein.

Körperlichkeit und Cleverness als Erfolgsrezept

Keegan Kanzig durfte sich im September und Oktober an die hiesige Regelauslegung gewöhnen, kassierte damals einige Strafen. Völlig irrelevant, in den Playoffs traktierte er die Gegner nach Belieben. James Sheppard etwa, der sich zuvor noch den KAC alleine auf den Buckel schnürte, war nach einem großen Hit quasi spielunfähig, auch Fehervar-Spielmacher Janos Hari oder Brady Shaw lernten das 100-kg-Kraftpaket innigst kennen.

Mit Dalhuisen fand sich noch eine zweite Abrissbirne ein, sodass die defensive Hingabe des Teams mit entsprechender Muskelkraft untermauert wurde. Dazu kommen noch Hünen wie Lebler (im Slot eine Macht) und Raffl (ebenfalls ein Faktor um das Tor herum, allerdings ohne Mean Streak). Loney, der dann gar nicht gebraucht wurde, wäre der dritte Mann für den offensiven Nahkampf gewesen, auch Nissner lässt sich von dichtem Verkehr nicht mehr aufhalten.

Neben Qualität diese Muskelmassen zuzuführen war McIlvanes beste Idee, in Schönheit gestorben sind die Roten Bullen zuletzt oft genug. Dazu begnügte sich das Team, das in Schlüsselphasen jederzeit scoren konnte, bei Bedarf mit einem Low-Risk-Spiel.

Vor allem gegen Znojmo, aber auch gestern in Szekesfehervar, waren oft völlig humorlose Befreiungen angesagt. Eine Szene wie in der Finalserie gegen Bozen vor Jahren, als sich vier Salzburger hinter der gegnerischen Torlinie wiederfanden und prompt einen Kontertreffer kassierten, hört sich heute wie ein Volksmärchen an.

Fast unbegrenzte Mittel sowie der Mut zu einer Philosophieveränderung – die Gegner waren so nur ein Trampelpfad für die Roten Bullen…

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