news

Bozen oder Salzburg: Wer setzt sich die ICE-Krone auf?

Die beiden besten Teams der Saison bestreiten auch das Finale. Für LAOLA1-Experte Bernd Freimüller gibt es einen leichten Favoriten:

Bozen oder Salzburg: Wer setzt sich die ICE-Krone auf? Foto: © GEPA

Am Donnerstag erfolgt der Auftakt zur Finalserie in der win2day ICE Hockey League zwischen dem HC Bozen und Red Bull Salzburg.

Alle Final-Spiele der "Best-of-Seven"-Serie im LIVE-Ticker bei LAOLA1 >>>

Ist das dritte Duell der beiden Teams das erste, das die Roten Bullen gewinnen?

Für LAOLA1-Experte Bernd Freimüller deutet einiges darauf hin:

Auch wenn man Cinderella-Stories liebt: Es ist nie schlecht für eine Liga, wenn die beiden besten Teams des Grunddurchgangs das Finale bestreiten. Zwar konnte der HC Innsbruck lange mithalten, bevor er gegen Ende des Grunddurchgangs wegbrach, doch die Qualität der beiden Spitzenteams brachte er vor allem defensiv nicht mit.

Parallele Defensivstärke

Bezeichnend: Salzburg ließ nur 97 Tore im Grunddurchgang zu, Bozen acht mehr. Teams wie Innsbruck oder der VSV, die mehr Treffer als diese Teams erzielten, streckten schon im Viertelfinale die Patschen. Auch in den Playoffs ging diese Defensivstärke für beide Teams weiter: Bozen ließ weder gegen Linz noch Wien je mehr als zwei Treffer pro Spiel zu, Salzburg mit der Ausnahme des 2:6 beim KAC ebenfalls.

Man braucht die alte Binse von "Offense wins games usw." gar nicht mehr aufwärmen, doch sie hat schon ihre Richtigkeit, so sie nicht mit einer impotenten Offensive einhergeht, was wohl niemand über die beiden Teams behaupten würde.

Systemunterschiede und parallele Physis

Wer auch nur einem der beiden Teams aufgrund dieser Zahlen eine destruktive Spielweise unterstellen würde, hat nicht zugesehen. Vor allem Salzburg betreibt - wie auch Konzernkollege München - ein aggressives Zwei-Mann-Forechecking, das kaum Luft zum Spielaufbau gibt. Bozen geht nicht so hoch an den Mann, ist aber auch keineswegs ein Trapping-Team, zumindest nicht vor der Endphase mit einer Führung. Im eigenen Drittel jagen die Bullen ihren Gegenspielern ebenfalls energisch nach, Bozen setzt dagegen eher auf ein "Collapse"-System. Die Südtiroler lassen also Schüsse aus Seitenlagen zu, Salzburg will diese zugunsten von Turnovers gar nicht zulassen.

Was beide verbindet: Die Physis im Team. Was Tyler Lewington, Andrew MacWilliam, Dennis Robertson (einst von Bozen in die Liga geholt) und Peter Hochkofler auf der einen Seite sind, stellen Scott Valentine, Mike Dalhuisen, Dylan DiPerna und Mike Halmo auf der anderen Seite dar.

Unterschiede im Temperament

Zwischen diesen Gruppen tun sich aber schon Differenzen auf: MacWilliam etwa ist ein Großmeister der versteckten Attacken und des "After-the-Whistle-Stuffs", ist auch nur für solche Beiträge engagiert worden. Lewington kann mit der Scheibe etwas mehr, hat aber auch keine Hemmungen, wie im ersten Saisonduell als Defender ein Faceoff zu bestreiten und den Gegner mit Faustschlägen einzudecken (interessierte das DOPS damals nicht). Robertson und Hochkofler stellen sich stets mit offenen Visieren. Alle vier wissen meist, wie weit sie gehen können.

Schon im Grunddurchgang ging es heiß her
Foto: © GEPA

Die Bozner tragen da ihre Emotionen schon weit offener vor sich hin und das könnte im Finale zu ihrem Nachteil werden. Halmo hat ohnehin ein langes Vorstrafenregister, Dalhuisen wird schnell zum Derwisch, Valentine und DiPerna haben sich hier etwas besser unter Kontrolle. Die Physis und Nerven dieser beiden Quartette werden sicher ein Faktor werden, aber Salzburg ist gesamt das größere Team.

Und diese Größe nutzen sie auch aus: Es vergeht kein Shift im Angriffsdrittel, wo sich nicht ein Spieler (meist Hochkofler, Paul Huber oder Thomas Raffl, aber eigentlich fast jeder) vor dem gegnerischen Goalie aufbaut, Sicht daher oft Null. Auch Bozen betreibt Net-Crashing, aber eher der Scheibe folgend als vor ihr. Die Roten Bullen suchen den direkten Weg zum Tor, die Südtiroler ziehen gerne mit Querpässen von der blauen Linie zur Seitenbande und zurück die Gegner auseinander.

Beide Teams sind von einer Reinkarnation der "Broad Street Bullies" weit entfernt. Aber sie haben gelernt, ihr Teamtalent mit Muskelkraft zu umgeben, gerade in den Playoffs braucht man in der ICE nicht darauf zu hoffen, dass die Refs Beschützerarbeit übernehmen. Die Zeiten von Schöngeistern wie Robbie Schremp oder John Hughes, die in den Playoffs aufs Korn genommen wurden, sind in Salzburg seit zwei Jahren vorbei.

Speed und Beinarbeit

Das eisläuferische Niveau beider Teams ist für die ICE natürlich sehr stark - Dustin Gazley und Christian Thomas mögen auf den ersten Metern die schnellsten Spieler sein, doch Salzburg verfügt für mich über den besseren Teamspeed. Und das in beide Richtungen!

Eine Beobachtung aus einem Spiel gegen den KAC: Ali Wukovits, der offensiv sicher keine großartige Saison hinlegte, reagiert nach einem Puckverlust in der offensiven Zone umgehend, legt den Rückwärtsgang ein und findet sich tatsächlich noch vor seinen Defendern im eigenen Drittel ein. Keine Szene für die Puls24-Highlights, aber bezeichnend für die Roten Bullen: Alle - und wirklich alle - Cracks skaten hart in beide Richtungen, der Support für den Nebenmann ist immer da, aber das mit Hirn und Plan. Eine Szene aus der letzten Finalserie gegeneinander, wo sich gleich vier Salzburger hinter der gegnerischen Torlinie befanden und ein 2-1-Break zuließen, wäre heute undenkbar. 

Natürlich gilt das auch für die Bozner, aber nicht im gleichen Maße: Auch sie geben höchst selten Breakaways oder Überzahlangriffe her, aber ab und zu ist der Puckträger (oft Gazley, Brad McClure oder Hults) doch etwas mehr alleine gelassen. Diese Unterschiede in der Beinarbeit (Matt Frattin fällt hier von Haus aus stark ab) könnten sich noch vergrößern, da die Südtiroler drei Spiele mehr in den Beinen haben und sowohl gegen Linz als auch Wien mehr gefordert waren als Salzburg gegen Fehervar und den KAC.

Parallelen und Unterschiede bei den Goalies

Während im Grunddurchgang noch die Backups (David Kickert bzw. Andreas Bernard) einigermaßen regelmäßig zum Einsatz kamen, gehören die Kasten in den Playoffs fest Atte Tolvanen und Sam Harvey. Meine Zweifel an Harvey, die ich noch im Laufe der Saison hatte, sind verflogen - die Bozner hatten gegen Linz und Wien einige Phasen zu überstehen, wo sie sich nicht aus dem eigenen Drittel befreien konnten, Harvey war hier stets da und ließ vor allem wenige Rebounds zu. Gelingt ihm das auch, wenn sich immer ein Koloss vor ihm aufbaut?

Tolvanen (wie Harvey mit 1,83 cm nur mit Durchschnittsgröße ausgestattet) ist für mich der ICE-Torhüter, der solides Winkelspiel beim ersten Schuss am besten mit Recovery vereinigt. Um es so zu formulieren: Ist die Scheibe hinter einem der beiden Goalies, aber noch nicht über der Linie, hat Tolvanen die besseren Chancen, noch ein Tor zu verhindern.

Herausragende Einzelkönner und Breakout-Cracks

Könnte man natürlich alle durchgehen, beide Teams haben neben Muskelkraft und Teamspirit einiges zu bieten. Peter Schneider und Benjamin Nissner haben höchstes Liga-Niveau einschließlich aller Imports, können jederzeit ein Spiel entscheiden. Chay Genoway gehört zu den elegantesten Skatern unter den ICE-Defendern der letzten Jahre. Auf der anderen Seite sind Gazley, McClure (ebenfalls ein explosiver Skater) oder Mitch Hults Offensivgaranten, Letzterer überstand die Wien-Serie aber wie Halmo nicht ohne Blessuren.

Mario Huber spielt die Saison seines Lebens
Foto: © GEPA

Zu ihnen und den Rollenspielern kam heuer bei Salzburg aber noch Mario Huber dazu, der die Saison seines Lebens spielt. Als Junior ein reiner Offensivmann, arbeitete er in Salzburg über Jahre an seiner Kondition und 200-Foot-Game, was er heuer mit einem Scoring-Ausbruch vereinen konnte. Ein ähnlicher Windschattenmann wäre bei Bozen Luca Frigo, der von einem reinen Tiefenspieler auf einmal zu einem 19-Tore-Mann wurde.

Beiderseits alles auf den Erfolg getrimmt

In der Aufzählung hier kommen wohl einige Vorteile mehr für Salzburg als für Bozen zusammen. Wie kann das sein, wenn die Südtiroler den Grunddurchgang und drei der vier Duelle gewannen? Sie kamen halt fast immer ohne Verletzungen über die Runden, während die "Roten Bullen" oft mit einem verkürzten Aufgebot (im letzten Duell gegeneinander aber freiwillig) antreten mussten. Das erklärt den Punkteunterschied, der Heimvorteil ist für Bozen aber sicher ein gewisses Pfund.

Beide Teams stehen bis auf Ty Loney bei Salzburg in voller Besetzung da und da könnte ein Mann einen Unterschied machen: Center Troy Bourke absolvierte nur die ersten fünf Saisonspiele, jetzt ist er von seiner Schulterverletzung wieder gesundet. Ich hätte bis vor kurzem keinen Report über ihn erstellen können, jetzt präsentiert er sich aber als Mann, der sich durch den Verkehr fräst und im Nahkampf für Unruhe gut ist.

Sowohl Bozen als auch Salzburg überließen im Titelkampf nichts dem Zufall: Die Südtiroler sicherten sich mit Terrance Amorosa bzw. Radim Matus zumindest quantitativ gegen Legionärs-Ausfälle ab, Matus wurde gegen Wien auch schon gebraucht. Leute wie Cameron Ginnetti oder Hannes Kasslatter sind nur Bank-Ornamente.

Wie im Vorjahr kannte Coach Matt McIlvane zum Saisonschluss keine Verwandten: War im Vorjahr mit Kilian Zündel sogar ein WM-Defender nur Zuschauer, sind jetzt Paul Stapelfeldt (bestenfalls mit einigen PK-Shifts) und Lukas Schreier die überzähligen Verteidiger. Fünf Legionäre und Dominique Heinrich machen jetzt die Bullen-Defensive aus, bis auf Heinrichs Qualität fast eine Parallele zu früheren Dornbirn-Verhältnissen. Und ein Mann wie Luca Auer muss sich seit der Junioren-WM fragen, ob es wirklich so klug von ihm war, auf sein WHL-Engagement zugunsten eines AlpsHL-Platzes zu verzichten.

Bozen und Salzburg weisen viele Parallelen, aber auch einige Unterschiede auf - die Südtiroler köchelten die ganze Saison auf hohem Niveau daher, während die "Roten Bullen" zuletzt noch einen Gang zulegten. Auch ohne Heimvorteil gehen sie als Favorit in die Finalserie…


Kommentare