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"Mit der Gelassenheit eines Gas-Kassiers"

LAOLA1-Scout Freimüller klärt die vielleicht strittigste Situation der EBEL-Saison auf.

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Linz und Salzburg legen im EBEL-Halbfinale vor, Riksman und die Regelbücher.

Auswärtssiege in Znojmo sind selten, noch mehr wenn der Gegner Linz heißt. Im Grunddurchgang stets ohne Chance, aber das 4:3 zum Halbfinalauftakt war für die Black Wings ein erster kleiner Schritt zum Finaleinzug. Einige Gedanken zum Spiel:

Linz hatte das Geschehen über knapp 35 Minuten gut im Griff – so gut wie man ein Spiel bei den bekannt heimstarken Znaimern halt im Griff haben kann. Erst eine dumme Strafe von Dan DaSilva erweckte die Adler wieder zum Leben, doch die Tore zum 3:1 (gleich nach Wiederbeginn) und 4:2 fielen in starken Druckphasen der Heimischen.

Von diesen Schlüsselszenen abgesehen, war Linz-Goalie Michael Ouzas der wichtigste Faktor beim Sieg. Nach einer Schwächephase zu Ende des Grunddurchgangs ist das jetzt wieder der Michael Ouzas vom Saisonbeginn, der bei den vielen knappen Spielen der Linzer den Unterschied ausmacht.

Ouzas widmete sich den Znaimer Schüssen mit der routinierten Gelassenheit eines Gas-Kassiers beim Zählerablesen. Im Gegensatz dazu schwächelte sein Gegenüber Jan Lukas doch mitunter, beim (herrlichen) Powerplaytor der Linzer brachte er sich mit einem übereilten „Paddle down“-Move in eine Position, aus der er nicht mehr herauskam.

Apropos Powerplay: Ich kann mich an keine Überzahlformation in der jüngeren EBEL-Geschichte erinnern, die einen Gegner so filetieren kann wie die Linzer Top-Garnitur. Es hilft natürlich, wenn Spieler wie Sebastien Piche und Brett McLean quasi mit Fischblut agieren und unter Druck nie in Panik geraten.

"Ouzas widmete sich den Znaimer Schüssen mit der routinierten Gelassenheit eines Gas-Kassiers beim Zählerablesen."

Bernd Freimüller

Überhaupt Brett McLean: Der 37-jährige Center ist das Um und Auf der Linzer. Er nimmt alle Key Face-Offs, beherrscht die Mitte des Eises, dirigiert das Powerplay und beweist, warum er in seiner langen Karriere bis zum letzten Sommer nur in Topligen (NHL, SHL, NLA) agierte. Er steht noch ein Jahr in Linz unter Vertrag.

Natürlich wird aufgrund seines Alters die Leistungskurve sukzessive nach unten gehen, doch wie bei Curtis Murphy könnte einem überragenden Jahr noch ein (sehr) gutes folgen. McLean und Murphy sind die besten Beweise dafür, dass Spieler, die sich über lange Jahre in der NLA behaupten, über große Klasse verfügen. Logisch aber auch, dass diese Spieler erst bei ausbleibenden Schweizer Angeboten überhaupt erst über die EBEL nachdenken.

 
Oberkofler und der Lange

Überraschend, aber schon gegen Dornbirn der Fall: Znojmo in Tat und Wahrheit nur mit drei Linien, die vierte mit Sedivy (ersetzte im letzten Drittel Novak)-Bartos-Rehus hatte nur Cameo-Auftritte. Das bedeutete für Linz, dass deren vierte Linie (über zwei Drittel regelmäßig im Einsatz) öfters gegen eine der beiden Toplinien zum Einsatz kam, was dann zu längeren Druckphasen und Strafen führte. Doch ob Znojmo gut damit beraten ist, ältere Semester wie Roman Tomas und Peter Pucher so auszulutschen, wird der weitere Verlauf der Serie zeigen…

Unsung Heroes der Linzer: Daniel Oberkofler, der wie schon gegen Bozen seinen Speed wieder besser einbringt und Mario Altmann. Der Defender wird aufgrund seiner Größe immer seine ungelenken Momente haben, vor allem wenn sich der Puck zwischen seinen Beinen befindet. Doch Altmann nimmt gleichzeitig mit seiner immensen Reichweite und seinem langen Stock viele Passing Lanes weg…


 
Es würde nicht überraschen, wenn Znojmo so wie gestern auch bei den weiteren Spielen stets ein klares Schüsseplus aufweisen wird. Das „Collapse“-System der Linzer basiert darauf, den Raum im Slot wegzunehmen und Schüsse zu blocken, der Gegner darf sich an der Seitenbande und hinter dem Tor oft austoben und „Low Percentage Shots“ abgeben. So extrem, wie das die Linzer spielen, kenne ich es nur von den Iserlohn Roosters.

Das Ganze kann oft passiv wirken und zu längeren Druckphasen führen, in der NHL wird gerade darüber diskutiert, ob übermäßiges Schüsseblocken und Verkehr vor dem eigenen Tor nicht auch kontraproduktiv sein kann. Aber umgekehrt vermeidet dieses System eine Situation wie auf der Gegenseite – Jason Ulmer stand vor seinem Treffer so lange alleine vor dem Znaimer Tor, dass ihm fast schon ein Meldezettel vorgelegt wurde.

Linz legte mit einem Auswärtssieg natürlich vor, doch Znojmo agierte bei der ersten Heimniederlage gegen Dornbirn weit schlechter und drehte die Serie dann noch um. Bei ein wenig mehr Glück in den Schlüsselmomenten könnten die Tschechen schon am Dienstag wieder zurückschlagen.

 
Ein Kuriosum

In Salzburg wurde Villach wieder dem Gesetz treu, das Greg Holst schon zu Beginn seiner Amtszeit ausgerufen hatte: „Mit drei Toren pro Spiel können wir gewinnen.“ Alles darunter reicht nicht, die sechs bisherigen VSV-Playoff-Spiele hielten sich bis jetzt an dieses Drehbuch.

Kaum eine Entscheidung der letzten Jahre hat so viel Diskussionsstoff hervorgerufen wie die am Freitag, als Salzburg-Goalie Juuso Riksman beim Penalty Shot von Manuel Ganahl seinen Stock fallen ließ. Ich habe sowas in fast 40 Jahren Eishockey auch noch nicht gesehen und die Szene in Realzeit so wie die Referees erfasst: Zwei Stöcke krachen zusammen, einer bricht ab, der Puck ist nicht im Tor. Die Interpretation der Szene durch Lyle Seitz auf die Anfragen der Klagenfurter: „Ja, Riksman hat den Stock fallengelassen, doch das erfüllt nicht den Tatbestand eines Stockwurfs gegen den Puck oder den puckführenden Spieler.“ Kann man in beide Richtungen diskutieren, Dominik Hasek etwa machte eine Karriere daraus, sich bei Torraumszenen seines Stockes zu entledigen, das hatte auch nie Konsequenzen.

Doch von der Interpretation diese Szene abgesehen, gingen die Diskussionen auch so weiter: Wie wäre ein veritabler Stockwurf bei einem Penalty Shot denn wirklich zu bestrafen? Zuerkanntes Tor oder Wiederholung?

 
Die Antwort ist laut der (englischen) Online-Variante des IIHF-Regelbuchs eindeutig: Regel 226, iii – „Penalty Shot - Bei einem Stockwurf gegen den Puck oder den puckführenden Spieler ist auf zuerkanntes Tor zu entscheiden.“

Nur: In der englischen Printversion des Regelbuchs, die in der EBEL kursiert, umfasst 226 iii zehn ganze Zeilen und ist eine (irrtümliche?) Kopie von Regel 177 v. Elementare Aussage dabei: „Bei einem Foul des Torhüters ist der Penalty Shot zu wiederholen.“ Von Stockwurf keine Rede, ein krasser Widerspruch also…

Offenbar wurde dieser Fehler von der IIHF irgendwann korrigiert, die Online-Variante sowie die deutsche Ausgabe des Regelbuchs auch richtiggestellt. Zwei Ausgaben des Regelbuchs, zwei divergente Varianten – kein Wunder, dass in der EBEL noch heute Unklarheit über die richtige Auslegung herrscht. Dank Riksmans unkonventionellem Eingreifen kann die Frage der divergenten Regelbücher nun per Rundschreiben an die EBEL-Refs gelöst werden.

Video-Beweis nicht zulässig

Damit immer noch nicht genug Verwirrung: Die Heads Gebei (hatte die Torlinie inne) und Smetana mussten sich schon während des Spiels die Frage stellen lassen: Warum zogen sie den Videobeweis nicht her?

Da gibt´s nun keine zwei Meinungen mehr - die Frage war ja: War es ein Stockwurf oder nicht? Mit anderen Worten: War es ein Foul oder nicht? Das hat mit Tor-Entscheidungen gar nichts zu tun, ein Videobeweis war hier nie im Leben zulässig.

Allerdings wird in der EBEL in dieser Hinsicht zeitweise etwas freizügig agiert: Der TV-Beweis bei Rick Schofields Penalty Shot war eher eine Art Placebo-Pille gegen den wild reklamierenden Caps-Goalie Nathan Lawson…

Um es mit Ex-Kanzler Fred Sinowatz zu sagen: „Es ist alles sehr kompliziert…“

 

Bernd Freimüller

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