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Landertinger: "Stockerl ganz, ganz schwer zu erreichen"

Im LAOLA1-Talk spricht "Landi" über seine neue Tätigkeit beim ÖSV, seine berühmten Schlussrunden und ob die Ansprüche der heimischen Fans zu hoch sind.

Landertinger: Foto: © GEPA

Im Frühjahr 2020 verließ mit Dominik Landertinger Österreichs erfolgreichster Biathlet bei Großveranstaltungen die Biathlonweltcup-Bühne. Auf der sprichwörtlich "faulen Haut" hat sich der heute 34-Jährige aber keineswegs ausgeruht.

Nach dem Karriereende gründete der Massenstart-Weltmeister von 2009 sein Unternehmen "Dominik Landertinger Performance", mit dem er Profi- und Hobbysportler in ihrer sportlichen Weiterentwicklung fördert.

Seit dieser Saison unterstützt der Jung-Unternehmer auch das Herren-Team des ÖSV mit seiner Expertise. "Landi" greift dem Trainerteam um Vegard Bitnes und Ludwig Gredler bei der Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung unter die Arme.

Im LAOLA1-Talk erklärt der Ex-Profi, wie seine neue Rolle beim ÖSV aussieht, ob er irgendwann auch als Trainer zu sehen sein wird und wie es dazu kam, dass die "Landi-Schlussrunden" sein Markenzeichen wurden.

LAOLA1: Seit dieser Saison unterstützt das Trainerteam um Vegard Bitnes in der Trainingssteuerung und Leistungsdiagnostik. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?

Dominik Landertinger: Toni Giger hat mich damals, als er noch beim ÖSV war, gefragt, ob ich beratend zur Seite stehen und auch ein bisschen die Leistungsdiagnostik und das Aufstellen einer Teststruktur übernehmen kann. Das ist natürlich ein sehr interessantes Thema für mich, weil ich mich ja gerade in dem Bereich mit meiner Firma “Dominik Landertinger Performance” selbstständig gemacht habe. Ich mache da ja Leistungsdiagnostik für Profi- und Hobbysportler im Bereich Laufen, Fahrradfahren, Langlaufen und dergleichen. Da war das natürlich interessant und so kam es schließlich zur Zusammenarbeit.

LAOLA1: Wie sieht deine Tätigkeit genau aus? Kannst du das für unsere Leser ein wenig näher erläutern?

Landertinger: Man kann sich das so vorstellen: Wenn man ein Sportler im Spitzensportbereich ist, dann braucht man ja immer einen Anhaltspunkt, wie der Status Quo meines Körpers ist. Da macht man dann Leistungstests. Das ist ein sogenannter "Laktatstufentest", wo man sich die Leistung im aeroben und anaeroben (im sauerstoffreichen bzw. sauerstoffarmen, Anm.) Stoffwechsel anschaut. Über eine Laktatkurve bestimmt man schließlich einen gewissen Leistungsbereich eines Athleten. Wenn man das Training nach dem Test ausrichtet, je nachdem wo der Athlet das meiste Steigerungspotenzial hat, kann man den Test dann in zwei Monaten wieder machen und dann sieht man, ob das Training funktioniert.

LAOLA1: Herren-Cheftrainer Vegard Bitnes hat gesagt, du bist jemand, der auch einmal unangenehme Fragen stellt. Was kann man darunter verstehen?

Landertinger: In einer beratenden Funktion muss ich natürlich, wenn mir etwas auffällt, gewisse Dinge kritisch hinterfragen. Ich bin selber auch jemand, der sich selber stets kritisch hinterfragt, ob die Sachen, die ich mache - egal in welchem Bereich - gut sind oder ob man etwas verbessern kann. Da diskutiere ich halt nachher mit den Trainern über alle möglichen Belange, welche die Leistung von Athleten und Trainingsgeschichten beteffen und wir hinterfragen das Ganze dann eben auch kritisch. So versuchen wir herauszufinden, was wir verbessern können. Ich muss sagen, da ist die Zusammenarbeit mit Vegard wirklich super, weil er ein enormes Wissen hat und man gut mit ihm diskutieren kann.

LAOLA1: Wie sieht es mit deiner persönlichen Zukunft aus? Wird man dich, abgesehen von deiner Tätigkeit als Unternehmer, irgendwann auch als Trainer sehen?

Landertinger: Dadurch, dass ich im Oktober wieder Vater geworden bin und jetzt zwei kleine Jungs daheim habe - der Größere ist vier - genieße ich das Leben zu Hause extrem und will die Zeit auch nutzen, um sie mit meinen Kindern zu verbringen. Als Trainer bist du fast nur auf Achse, somit schließe ich aus, dass ich in den nächsten zehn Jahren irgendwo als Trainer einsteige.

LAOLA1: Aber es würde dich grundsätzlich interessieren?

Landertinger: Ich bin ja in dem Bereich tätig, schreibe Trainingspläne für Hobbysportler über meine Firma für verschiedene Sportarten. Das ist eigentlich mein Leben. Aber ich möchte nicht drei Wochen am Stück im Weltcup oder im IBU-Cup herumreisen, das wäre zwar lässig, aber nicht, wenn du zwei kleine Kinder daheim hast.

LAOLA1: Deine sportliche Laufbahn ist wohl ausgiebig genug beleuchtet worden. Du bist Österreichs erfolgreichster Biathlet bei Großereignissen. Was war dein persönliches Highlight, an das du dich besonders gerne zurückerinnerst?

Landertinger: Das ist ganz schwer zu sagen, es waren so viele schöne Momente und so viele lässige Medaillen, wo jede davon eine eigene Geschichte geschrieben hat. Sicher war die emotionalste…

Bei der WM in Antholz 2020 lief "Landi" nochmals zu großer Form auf und errang Bronze im Einzel.
Foto: © GEPA

LAOLA1: Antholz (Bronze bei der WM 2020, Anm.)?

Landertinger: Ja, Antholz war das wo ich sage, das war die schwierigste, weil ich einfach körperlich "am Sand" war. Da dann nochmal das auszupacken, das war wunderschön. Da hatte ich auch das Glück, dass mir die entsprechenden Leute in bisschen in die Karten gespielt haben. Weil so konnte ich meine Karriere gut abschließen.

LAOLA1: Was unvergessen ist, sind deine "Landi-Schlussrunden". Kann man das lernen oder hat man das einfach?

Landertinger: Für so eine Schlussrunde braucht man ein brutales Talent im physischen Bereich. Das kann man nicht zu 100 Prozent trainieren, da muss einfach ein Talent da sein vom Herz-Kreislaufsystem her, das dich von anderen Leuten abhebt. Aber man braucht natürlich auch ein perfektes Training dazu und eine mentale Stärke, um über seine Grenzen hinausgehen zu können.

LAOLA1: Wann hast du das gemerkt, dass die Schlussrunde deine große Stärke ist?

Landertinger: Das hatte ich eigentlich schon immer. Ich hatte zu Schülerzeiten einen guten Trainer, Peter Maier, das weiß ich noch. Der hat immer gesagt: "Die Schlussrunde muss die schnellste Runde sein." Du musst es dir so einteilen, dass du da nochmal alles rausholen kannst, da wird wirklich alles herausgeholt, was geht. Es war dann über die Jahre so, dass ich immer die schnellste Schlussrunde hatte und sogar bei der Bronzenen in Antholz, wo ich eigentlich nicht bei 100 Prozent war, habe ich es dann auch nochmal geschafft (lacht). Das war dann das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.

Österreichs "Goldene Generation": Bis vor einigen Jahren gehörte die ÖSV-Staffel zur Welt-Elite.
Foto: © GEPA

LAOLA1: Du hast gemeinsam mit Daniel Mesotitsch, Christoph Sumann, Julian Eberhard und Simon Eder eine ganze Generation von Biathlon-Fans geprägt. Top-Ten-Plätze waren damals eine Zeit lang quasi Standard. Sind wir Österreicher damals einfach von einer "Goldenen Generation" verwöhnt worden, sodass heute die Ansprüche seitens der Öffentlichkeit zu hoch sind?

Landertinger: Damals haben so viele Faktoren zusammengepasst, wir waren eine megagute Gruppe. Außerdem hatten wir dadurch intern einen Druck, in der Mannschaft zu bleiben, in der Staffel zu bleiben, dass du nicht einmal auch nur ein bisschen nachlassen hast können. Das war eine Wahnsinnszeit. Im Biathlonsport gibt es aber so viele Nationen, die gut sein können und jetzt, wenn man sich ansieht, wie knapp es oft zugeht, ist für mich ein 20. oder 25. Platz kein schlechtes Ergebnis.

LAOLA1: Das ist ja trotz allem mitten in der Weltspitze.

Landertinger: Genau, das ist so. Man muss das auch ein bisschen relativieren. Jeder, der unter die Top 20 kommt, ist da vorne dabei. Jeder, der Top Ten schafft, ist einer der Allerbesten der Welt. Und das Stockerl ist ganz, ganz schwer zu erreichen. Wenn man aber bei Platz 90 herumwurstelt, das ist nicht gut, da braucht man nicht reden. Da ist man halt in der Weltspitze nicht dabei. Da muss man sich dann fragen, ob es etwas bringt, wenn man im Weltcup läuft, oder ob es vielleicht besser ist, im IBU-Cup zu starten. Für mich sind Platzierungen unter den Top 20 hervorragende Leistungen. Da muss man dann schon auch sehen, dass die Athleten wirklich alles geben, da ist keiner dabei, der sich hängen lässt. Aber es ist im Biathlon eben so und das macht den Sport einfach so extrem cool, dass so viele Nationen so gut sind und das ist immer mehr geworden. Das war früher vielleicht so, dass gewisse "Rand-Nationen", nicht ganz so gut waren, aber die haben aufgerüstet. Beim Material, bei den Trainingssystemen, die jetzt professioneller ablaufen und dadurch kommt es jetzt dazu, dass fast jede Nation einen Top-Mann hat. Und bei den großen Nationen, da kannst du von fünf Top-Leuten reden teilweise, wie etwa Norwegen - da kann jeder gewinnen.

LAOLA1: Du hast es angesprochen: Viele "Rand-Nationen" haben aufgeholt. Dennoch dominieren sehr oft die Norweger die Rennen, Athleten wie Boe und Lagreid sind meist ganz vorne zu finden. Aktuell kämpft die Nordische Kombination aus einem ähnlichen Grund mit dem unsicheren Verbleib im Olympia-Programm, um ihren Status und womöglich um ihre Existenz. Droht dem Biathlon in Zukunft ein ähnliches Schicksal?

Landertinger: Sicher nicht. Die IBU macht das sehr, sehr geschickt. Da muss man ihnen wirklich ein Lob aussprechen. Sie fördert anderen Nationen und gerade Nationen, die mit dem Biathlon nicht so viel zu tun haben, bekommen eine super Förderung, um den Sport aufbauen zu können. Jetzt haben wir natürlich viele Nationen, viele Nationen, die gut sind. Das heißt, wir sind global gesehen im Raum Europa eine der stärksten Wintersportarten, was die Einschaltquoten betrifft. Von dem her, wird sowas beim Biathlon als letztes passieren.

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