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Melzer: "Vieles geht in die richtige Richtung"

Vor Davis-Cup-Duell gegen Pakistan sieht ÖTV-Kapitän Melzer positiven Trend:

Melzer: Foto: © GEPA

Österreichs Davis-Cup-Team geht in dieser Woche als haushoher Favorit in den Länderkampf in Tulln gegen Pakistan.

Der schon 42-jährige Doppel-Spezialist Aisam-Ul-Haq Qureshi (ATP 52) ist Tennis-Insidern zwar noch bekannt, ansonsten verfügt aber nur Huzaifa Abdul Rehman über ein ATP-Ranking, das mit Platz 1699 allerdings auch nicht sonderlich hoch ausfällt.

"Ich bin sehr zuversichtlich, aber auch Pflichtsiege muss man am Ende auch immer erst einmal einfahren", sagt ÖTV-Kapitän Jürgen Melzer im LAOLA1-Interview über die klare Ausgangsposition. Ein Sieg wäre wichtig. Nur dann bekommt Österreich die Chance, im Frühjahr 2023 einen Startplatz bei den Davis Cup Finals zu ergattern.

Für den ÖTV-Kader nominierte der ehemalige Weltranglisten-Achte aus Deutsch-Wagram Jurij Rodionov, Filip Misolic, Gerald Melzer sowie die beiden Doppel-Spezialisten Alexander Erler und Lucas Miedler.

Bei uns spricht Melzer darüber, wie er seinen Kader nominiert hat, wie er mit der Entwicklung der heimischen Spitzenspieler zufrieden ist und was er sich für den rot-weiß-roten Tennis-Sport in Zukunft von der österreichischen Regierung erwartet.

LAOLA1: Ihr geht als haushoher Favorit in dieses Davis-Cup-Duell gegen Pakistan. Das erhöht natürlich auch den Druck. Wie geht ihr damit um?

Jürgen Melzer: Klar, Pflichtsiege muss man am Ende auch immer erst einfahren. Ich glaube aber, dass alle unsere Spieler die Qualität haben, ihre Spiele auch zu gewinnen. Deshalb bin ich da auch sehr zuversichtlich.

LAOLA1: Im Kader steht auch dein Bruder Gerald Melzer. Wie schwierig ist es als Kapitän da, bei der Aufstellung die Objektivität zu bewahren?

Melzer: Ich glaube, dass ich da Profi genug bin, dass ich da die zwei Spieler aufstelle, die sich in der Trainings-Woche davor am besten präsentieren. In der Vergangenheit habe ich das ja auch schon so praktiziert. Es wird eine Entscheidung werden, bei der ich mehrere Faktoren einbeziehen muss.

LAOLA1: Selten zuvor hat ein österreichischer Davis-Cup-Kapitän soviele Spieler auf einem ähnlich gleichen Level gehabt. Wie schwierig hast du dir bei der Nominierung getan?

Melzer: Auf der einen Seite ist es schwierig, auf der anderen Seite hat es sich dann quasi eh von selbst geklärt. Ich habe davor schon öfters mit Dominic gesprochen und er hat mir gesagt, dass er – sollte er noch einmal von Hartplatz auf Sand wechseln – zur Verfügung stehen würde. Wenn er es nicht macht, dann nicht. Es war dann relativ früh klar, dass er das nicht macht. Und dann hat sich relativ schnell der Kader herauskristallisiert, weil Dennis Novak und Sebastian Ofner gebeten haben, nicht beim Davis Cup dabei zu sein, weil sie danach aus verschiedenen Gründen keine Zeit mehr haben, Turniere zu spielen. Da ich bei allen verfügbaren Spielern zuversichtlich bin, dass sie ihre Spiele gewinnen, war die Entscheidung relativ leicht.

LAOLA1: War Doppel-Spezialist Philipp Oswald ein Thema? Er hat immerhin bei den US Open das Achtelfinale erreicht?

Melzer: Ich muss da immer abwägen: Zerreiße ich das eingespielte Doppel-Duo Miedler/Erler oder nehme ich Ossi mit? Ich habe das auch mit Ossi abgesprochen. Nachdem er sehr lange durchgespielt hat, ist eine Woche Pause okay für ihn. Ich muss mich da auch bei den Spielern bedanken. Das waren immer sehr faire und super Gespräche. Auch mit Dennis und Ofi: Sie haben mir beide zugesagt, dass sie zur Verfügung stehen würden, wenn wir jemand wegen einer Verletzung oder einer Corona-Erkrankung kurzfristig ausfallen würde.

LAOLA1: Hast du dir im Vorfeld irgendwelche Informationen über die Pakistani holen können?

Melzer: Nein, man findet da nicht wirklich etwas. Ich werde mir das in dieser Woche anschauen und dann auch mit den Spielern besprechen.

LAOLA1: Erstmals im Davis-Cup-Team ist diesmal Filip Misolic, der sich im Sommer mit seinem Final-Einzug in Kitzbühel in die Schlagzeilen spielte. Was erwartest du dir von ihm?

Melzer: Bei Filip weißt du, dass der mittlerweile ein Level hat, unter das er normalerweise nicht mehr fällt. Insofern freue ich mich schon auf sein Davis-Cup-Debüt. Er ist trotz seines jungen Alters schon sehr professionell, auch wenn es sicherlich auch da noch Luft nach oben gibt. Grundsätzlich weiß er schon, was er will und er ist ein extrem harter Arbeiter. Aber das ist auch wichtig, da es noch einige Dinge gibt, die verbessert gehören, wenn er wirklich Richtung Top 100 oder Top 50 gehen will. Aber er hat in Kitzbühel gezeigt, was möglich ist. Und das muss er jetzt in den nächsten Wochen unter Beweis stellen.

LAOLA1: Beim Challenger-Turnier in Tulln konnten sich wieder einige junge Österreicher präsentieren. Wie zufrieden bist du denn mit den Jungen, die derzeit nachrücken?

Melzer: In der ersten Quali-Runde war ich schwer begeistert. Oberleitner, Andrejic und Kopp haben starke Leistungen abgeliefert. Es geht vieles in die richtige Richtung. Joel Schwärzler hat in der ersten Hauptbewerbs-Runde seine ersten Erfahrungen machen können. Dass er das noch nicht gewinnen wird, war mir schon klar. Er war natürlich auch sehr nervös – wäre schlimm, wenn nicht. Aber man hat schon gesehen, was er für ein Potenzial hat. Für mich ist es wichtig, dass er einmal sieht, was ihm noch fehlt. Dann tut man sich auch ein bisschen leichter, wenn man ihn das eine oder andere Mal ein bisschen härter rannimmt. Damit er weiß, warum.

LAOLA1: Bist du der Haupttrainer von Joel Schwärzler (Im Bild oben mit Jürgen Melzer)? Der 16-jährige Vorarlberger gilt derzeit ja als eines der größten heimischen Tennis-Talente.

Melzer: Ja, ich sehe ihn und trainiere täglich mit ihm. Er ist ein Südstadt-Kind, ist dort auch in die Schule gegangen. Wenn ich da bin – und das ist sehr oft – steh ich täglich ein- bis zwei Mal mit ihm auf dem Platz.

LAOLA1: Wie oft trainierst du mit Misolic?

Melzer: Wenig. Da habe ich eine beratende Funktion. Wenn er in Wien ist und trainieren will, dann mach ich das. Er hat aber einen eigenen Trainer. Er holt sich schon immer wieder Infos, aber das kann ich mir nicht auf meinen Bauch heften.

LAOLA1: Woran muss Misolic noch arbeiten?

Melzer: Der Aufschlag muss auf jeden Fall noch verbessert werden. Auch technisch gibt es bei den Schlägen noch ein paar Sachen, die mir noch nicht so gut gefallen. Er muss mehr schauen, dass das Aufrücken besser funktioniert, dass er die ersten Chancen, die er bekommt, besser nimmt und nicht wartet und er sich nicht nur auf seine Rückhand verlässt, sondern auch mit seiner Vorhand Gas gibt.

LAOLA1: Wie bist du mit der Entwicklung von Lukas Neumayer zufrieden?

Melzer: Es war teilweise okay. Er hat in Tulln in der ersten Runde gegen Elias Ymer eine offene Partie abgeliefert. Ein paar Dinge habe ich mit ihm eh nach dem Match besprochen. Er hätte taktisch ein paar Sachen anders lösen können. Ymer steht nicht umsonst in den Top 200 und Luki steht nicht umsonst dort, wo er steht. Da gibt’s noch Verbesserungspotenzial – vor allem in der Offensive und beim Aufschlag. Er ist jung und auf einem guten Weg, aber es gibt noch genug zu tun, damit er da oben mitspielen kann.

LAOLA1: Hast du auch schon überlegt, ihn mit ins Davis-Cup-Team aufzunehmen? Und sei es nur als Sparringpartner?

Melzer: Ich habe mit ihm gesprochen. Er hat aber schon für ein Turnier genannt und würde dort auch gerne spielen – das kann ich verstehen.

LAOLA1: Heuer fanden in Österreich erstmals drei Challenger-Turniere statt. Wie zufrieden bist du damit?

Melzer: Es gibt Gespräche, dass wir nächstes Jahr noch einen vierten Challenger dazukriegen. Die jetzigen drei sind auf jeden Fall wieder bestätigt worden. Mir taugt, dass wir vor allem auf Future-Ebene richtig Gas gegeben haben und da auf 19 Turniere gekommen sind. Wobei es dann am Ende 16 geworden sind, weil eine Doppel-Veranstaltung abgesagt werden musste. Das haben wir verdoppelt und das war auch ein Ziel von mir, dass wir das internationale Turnier-Angebot sowohl in der Jugend als auch in der allgemeinen Klasse für Damen und Herren aufbessern. Und das ist uns gelungen. Das kann ich mir freilich auch nicht alles selbst dranheften, denn ohne Veranstalter geht das nicht. Ich glaube, dass wir da aber echt einen Aufschwung gebracht haben.

LAOLA1: Kann man nach eineinhalb Jahren also schon deine Handschrift als ÖTV-Sportdirektor sehen?

Melzer: Ich glaube schon, aber das müssen andere beurteilen. Ich bin mit vielen Sachen zufrieden und mit manchen weniger. Da müssen wir schauen, dass wir noch breiter werden. Wir haben international derzeit in jeder Altersklasse in etwa einen oder eine. Da wäre es toll, wenn wir mehr kriegen würden. Ich kann es nicht herbeizaubern, das muss sich entwickeln. In drei bis fünf Jahren kann man das dann bewerten.

Wir glauben, dass wir ein Sportland sind, sind es aber nicht. Wenn man die Infrastruktur in der Südstadt mit anderen Ländern wie Ungarn oder der Slowakei vergleicht, dann fängt der Mund zu tropfen an, wenn man so etwas sieht.

Melzer ortet Verbesserungsbedarf bei der Sportinfrastruktur

LAOLA1: Hast du auch Wünsche an die Infrastruktur?

Melzer: Wir haben es jetzt beim Billie Jean King Cup gemerkt, als wir erfahren haben, dass wir den im November machen müssen – das war eine Mammutaufgabe, eine Location zu finden. Schlussendlich haben wir durch Glück das Multiversum in Schwechat bekommen, wofür ich auch dem Land Niederösterreich sehr dankbar bin, dass die das unterstützen. Wir glauben, dass wir ein Sportland sind, sind es aber nicht. Wenn man die Infrastruktur in der Südstadt mit anderen Ländern wie Ungarn oder der Slowakei vergleicht, dann fängt der Mund zu tropfen an, wenn man so etwas sieht. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir regierungstechnisch ein bisschen mehr Unterstützung kriegen. Die Sportförderung ist derzeit ein großes Thema. Wir müssen auch definitv aufpassen, was da am Energiesektor passiert. Da braucht es dringend Unterstützung vom Bund. Es kommen einige Herausforderungen auf uns zu in den nächsten Jahren. Natürlich hätte ich gerne eine Südstadt, in der ich ein modernes Leistungszentrum habe, mit Hardcourts, Sandplatzen und Hardcourts-Außenplätzen, wo ich auch kleinere Davis Cups oder einen Billie Jean King Cup austragen kann. Da fehlt es einfach hinten und vorne.

LAOLA1: Die Kontakte zum Finanzministerium sollten eigentlich ganz gut sein (Anm.: Ex-ÖTV-Präsident Magnus Brunner ist mittlerweile Finanzminister)

Melzer: Absolut. Das entscheidet aber natürlich nicht nur eine Person. Martin Ohneberg (Anm.: ÖTV-Präsident) hat das erst erklärt, dass es jetzt wieder vom Glücksspielgesetz abhängt. Ich finde, dass man das alles außen vor lassen sollte, wenn es um den Sport geht. Wir haben eine Studie gemacht, was der Tennissport für das BIP bedeutet. Das sind 860 Millionen Euro im Jahr und wir bekommen jährlich nur 1,1 Millionen Förderung. Da stimmt die Rechnung meiner Meinung nach nicht.

LAOLA1: Der ÖTV hat in den letzten Monaten auch schon darauf aufmerksam gemacht, dass im Winter auch für die Tennis-Hallenbetreiber schwere Zeiten zukommen, da die Energiepreise so stark gestiegen sind.

Melzer: Da ist auf jeden Fall Handlungsbedarf. Wir rennen den Entscheidungsträgern eh schon die Türen ein. Ich verstehe schon, dass das eine große Herausforderung ist, aber manche Sachen sollte man schon in die Hand nehmen und das ist eine davon – denn sonst sind wir nur mehr ein Sommer-Sport. Das wäre schade. Man hat in den letzten beiden Jahren gesehen, was in den Corona-Jahren im Wintersport möglich war. Es wäre schön, wenn man den Sommersport da ebenso unterstützen könnte.

LAOLA1: Du bist in den letzten Monaten sehr viel unterwegs gewesen und warst oft vor Ort präsent. Kann es sein, dass du dein Team in Zukunft verstärkst? Aus dem Ausland vielleicht sogar?

Melzer: Ich glaube, dass es in Österreich genug Trainer-Material geben würde. Es ist aber eine budgetäre Sache. Wir müssen schauen, dass wir nicht überziehen. Ich würde natürlich auch gerne ein bisschen weniger unterwegs sein, auch wenn ich es sehr gerne mache – aber es geht im Moment einfach nicht anders. Es ist nicht so, dass ich alles an mich reißen will. Ich stehe nun mal an der Spitze und ich muss mir mein Team einteilen. Es passt derzeit ganz gut glaub ich. Ein bisschen Entlastung wäre natürlich toll – nicht nur bei mir sondern auch bei Thomas Schweda (Anm.: ÖTV-Geschäftsführer). Aber wir können’s nicht drucken.

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