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Jürgen Melzer: "Djokovic ist nahezu perfekt"

Jürgen Melzer hat es schon mal geschafft. Was er Dennis Novak sagen kann:

Jürgen Melzer: Foto: © getty

Das angekündigte große Tennis-Fest kann es aufgrund des aktuellen Lockdowns wegen der Coronavirus-Pandemie zwar nicht werden, trotzdem sind die Davis Cup Finals in den kommenden Tagen in Innsbruck ein ganz besonderes sportliches Highlight.

Das ÖTV-Team kämpft am Freitag gegen Serbien mit Superstar Novak Djokovic (ab 16 auf ServusTV) und am Sonntag gegen Deutschland (ab 16 Uhr auf im ServusTV-Stream) um den Aufstieg ins Viertelfinale, das in der kommenden Woche in Madrid über die Bühne gehen wird.

Der erhoffte Heimvorteil hält sich allerdings in engen Grenzen. Aufgrund der Corona-Bestimmungen darf kein einziger Zuschauer in die Olympia-Halle kommen und das rot-weiß-rote Davis-Cup-Team unterstützen.

"Das ist auf jeden Fall extrem bitter. Wir hätten ein großartiges Event zu Hause haben können. Durch das Fehlen von Dominic sind wir ja noch mehr in der Außenseiterrolle, als wir es ohnehin gewesen wäre. Da hätte der Heimvorteil mit den Fans im Rücken viel bringen können“, trauert ÖTV-Sportdirektor Jürgen Melzer im LAOLA1-Interview dem verpassten Tennis-Fest nach.

Vor allem Dennis Novak hätte am Freitag in der zweiten Partie nach 16 Uhr gegen den Weltranglisten-Ersten Djokovic jede Hilfe nötig, die er bekommen könnte. "Die Bezeichnung 'krasser Außenseiter' trifft’s aber glaube ich ganz gut", meint Melzer, der dem Wahl-Klosterneuburger aber durchaus auch eine Sensation zutrauen würde. „Es gibt immer eine Chance, wenn man auf den Platz geht."

Der mittlerweile 40-jährige Niederösterreicher muss es wissen. Gemeinsam mit Dominic Thiem ist Melzer der einzige Österreicher, der Novak Djokovic auf der ATP-Tour schon einmal bezwingen konnte. 2010 zwang er den Serben im Viertelfinale der French Open in die Knie. Es ist das einzige Match, das Djokovic in seiner Karriere nach einer 2:0-Satz-Führung noch verloren geben musste.

„Djokovic ist heute aber ein ganz anderer Spieler damals. Von dem Djokovic von 2010 ist heute nicht mehr viel übrig“, zieht Melzer vor der Entwicklung des Serben vom Spitzenspieler zum absoluten „Dominator“ auf der Tour den Hut.

Im LAOLA1-Interview gibt Melzer eine Einschätzung zu dem mit Spannung erwarteten Duell Novak vs. Novak, bei der auch erklärt, warum er Djokovic in Innsbruck nicht für unantastbar hält.

LAOLA1: Wie ist die Lage im ÖTV-Team vor den Davis Cup Finals?

Jürgen Melzer: Es haben sich alle gut eingelebt. Es ist natürlich sehr schade, dass wir ohne Zuschauer spielen müssen, rundherum ist aber alles perfekt organisiert und dementsprechend können wir uns auch über nichts beschweren. Der Platz ist relativ langsam.

LAOLA1: Gerade die fehlenden Zuschauer sind bei so einem Event allerdings natürlich extrem bitter.

Melzer: Ja, das ist auf jeden Fall extrem bitter. Wir hätten ein großartiges Event zu Hause haben können. Gegen diese Mannschaften vor heimischem Publikum spielen zu können, wäre für uns extrem wichtig gewesen. Durch das Fehlen von Dominic sind wir ja noch mehr in der Außenseiterrolle, als wir es ohnehin gewesen wäre. Da hätte der Heimvorteil mit den Fans im Rücken viel bringen können. Aber es ist so wie es ist. Wir müssen es akzeptieren. Schauen wir mal, wie es am Freitag ausgeht.

LAOLA1: Da bekommt ihr es zum Auftakt gleich mit dem stärksten Gegner, Serbien mit Superstar Novak Djokovic zu tun. Die schwierige Aufgabe gegen die Nummer eins der Welt zu spielen, wird Dennis Novak zuteilwerden. Wie schätzt du seine Chancen ein? Was kann man sich von Dennis gegen Djokovic erwarten?

Melzer: Er ist natürlich ganz klarer Außenseiter gegen Djokovic. Da muss sicherlich viel passieren, damit wir diese Partie gewinnen. Es gibt aber immer eine Chance, wenn man auf den Platz geht. Dennis hat in Innsbruck echt gut trainiert, aber ich kann hier nur schwer eine Zahl abgeben. Er hat vielleicht eine 20- oder 10-prozentige Sieg-Chance gegen Djokovic. Die Bezeichnung „krasser Außenseiter“ trifft’s aber glaube ich ganz gut.

LAOLA1: Kann man sich für so eine Partie taktisch etwas überlegen, was vielleicht gegen einen Djokovic aufgehen könnte?

Djokovic ist am Platz schon nahezu perfekt. Nichtsdestotrotz wird man versuchen, das eine oder andere zu finden, wie man ihm weh tun kann.

Melzer über Taktik gegen Djokovic

Melzer: Wir werden uns natürlich mit Dennis hinsetzen und die wenigen Schwächen, die Djokovic hat, aufzuzeigen. Aber das haben natürlich heuer auch schon mehrere vor uns probiert. Er hat aber trotzdem drei Grand-Slam-Turniere gewonnen und es beim vierten ins Finale geschafft. Djokovic ist am Platz schon nahezu perfekt. Nichtsdestotrotz wird man versuchen, das eine oder andere zu finden, wie man ihm weh tun kann. Außerdem müssen wir auf einen schlechten Tag von ihm und einen super Tag von Dennis hoffen. Dann schauen wir mal, was rauskommt.

LAOLA1: Alex Antonitsch hat in seiner Funktion als ServusTV-Experte gemeint, dass Djokovic in seinem ersten Match in Innsbruck am ehesten verwundbar ist. Könnte das am Freitag ein Vorteil für Dennis Novak sein?

Melzer: Mit Sicherheit. Da ist er noch nicht im Turnier drin. Da kann man Alex Antontisch auf jeden Fall rechtgeben, dass das für uns die beste Ausgangsposition ist, um Djokovic ärgern zu können. Aber natürlich ist Djokovic routiniert genug, dass er sich schnell auf die hiesigen Bedingungen einstellen kann.

LAOLA1: Im ersten Halbjahr war Novak Djokovic heuer überragend, bei den Olympischen Spielen hat er dann scheinbar einen leichten Knacks in seinem Erfolgslauf bekommen. Wie bewertest du dieses unglaubliche Tennis-Jahr von ihm?

Melzer: Die Olympischen Spiele haben Djokovic sicherlich ein bisschen „das Genick gebrochen“. Er hat dort sehr viel Energie verloren. Auch, weil er eben nicht den Olympiasieg holen konnte. Er ist dann schon enttäuscht zu den US Open angereist, weil er den „Golden Slam“ (Anm.: alle vier Grand-Slam-Turniere plus die Olympischen Spiele in einem Kalenderjahr zu gewinnen) nicht holen konnte. Man hat dann bei den US Open gesehen, dass er nicht sein bestes Tennis gespielt hat. Trotzdem ist er bis ins Finale gekommen (Anm.: Niederlage gegen Daniil Medvedev). Er hat sich die zweite Jahreshälfte sicherlich anders vorgestellt und er hat auch danach nicht mehr gespielt – deshalb glaube ich schon, dass ihn das getroffen hat. Wobei man natürlich in keinen Menschen reinschauen kann – dementsprechend ist das natürlich reine Spekulation von meiner Seite. Er wird hier aber trotzdem alles geben. Man weiß ja, dass er sehr gerne für sein Land spielt.

LAOLA1: Die beiden einzigen Österreicher, die Novak Djokovic auf der ATP-Tour besiegen konnten, sind Dominic Thiem und du. Dein Sieg liegt mittlerweile allerdings auch schon elf Jahre zurück, als du ihn im Viertelfinale der French Open nach einem 0:2-Satz-Rückstand noch in die Knie zwingen konntest. Kann man aus dieser Partie noch Rückschlüsse ziehen oder ist das schon zu lange her?

Melzer: Ja, unglaublich wie lange das schon wieder her ist. Djokovic ist heutzutage ein ganz anderer Spieler als damals, wo er noch die Nummer zwei oder drei der Welt war. Mittlerweile ist er der absolute Dominator auf der Tour. Das kann man eigentlich überhaupt nicht mehr vergleichen. Er hat sich im Vergleich zu damals noch einmal ordentlich weiterentwickelt. Von dem Djokovic von 2010 ist heute nicht mehr viel übrig.

LAOLA1: Um den zweiten Startplatz hinter Dennis Novak matchen sich in den kommenden Tagen Jurij Rodionov und auch dein Bruder Gerald, der sich in den vergangenen Monaten nach zweijähriger Verletzungspause über ein sensationelles Comeback auf Challenger-Ebene freuen durfte. Er holte bei seiner Südamerika-Tour im September nicht nur einen Turniersieg, sondern erreichte auch ein Halb- bzw. zwei Viertelfinali. Wie bewertest du seine Rückkehr?

Melzer: Die Freude ist natürlich groß. Er hat in den letzten Monaten gezeigt, was für ein guter Tennis-Spieler er ist. Es ist eine lange Zeit, wenn man zwei Jahre raus ist. Wirklich beeindruckend, dass er es sich in so kurzer Zeit wieder zurück in die Top 300 gespielt hat. Er hat immerhin auch ein Turnier gewonnen. Das taugt mir natürlich nicht nur als Sportdirektor, sondern auch als Bruder extrem. Gerald fühlt sich bei diesen Bedingungen in der Höhenlage wie in Innsbruck sehr wohl und er hat – wie auch der Jurij – in den letzten Tagen sehr gut trainiert.

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