Die Olympischen Spiele in Tokio werden eine Herausforderung für den Körper und den Geist, müssen die Athletinnen und Athleten doch wegen der Corona-Pandemie ein striktes Protokoll beachten.
Karl Stoss, der Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees, spricht im Interview mit der APA über die schwierigen Rahmenbedingungen, die notwendige Abhaltung dieser Sommerspiele aus wirtschaftlichen Gründen und seine Hoffnung auf das Aufkommen von Stimmung.
Frage: 2016 haben Sie im APA-Interview gesagt 'Zählen tun allein die Medaillen. Wir machen ja keinen Betriebsausflug'. Sie wünschen sich in Tokio nun zumindest drei Medaillen. Aber wie sieht das 2021 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie aus, die zu unterschiedlichen Zeiten den Sportlerinnen und Sportlern auf der Welt unterschiedliche Möglichkeiten für Training und Wettkampf boten? Und ob der ganzen Begleiterscheinungen in Japan?
Stoss: "Selbstverständlich muss man das alles ausblenden, wenn man hinfährt. Das ist die Sportlerin oder der Sportler auch so gewohnt. Sie haben unter schwierigen Rahmenbedingungen internationale Wettkämpfe absolviert und sich zum Teil großartig geschlagen. Für mich wird das sicher das Anspruchsvollste für jeden Einzelnen, der dorthin reist. Wem gelingt es am besten, diese Nebensächlichkeiten, die aber ganz wichtig sind, weil sie im Mittelpunkt stehen, völlig auszublenden und sich auf die eigene Leistung zu konzentrieren. Und nicht diese Rahmenbedingungen zu bejammern oder sich stören zu lassen. Deshalb haben wir auch ein relativ großes Team, das möglichst viel abwehren soll. Aber jeder Einzelne muss sich der Herausforderung stellen."
Frage: Sie haben gesagt "Erfolge beginnen im Kopf". Gab es im psychologischen Bereich besondere Vorkehrungen?
Stoss: "In erster Linie machen das die Fachverbände, das aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen Sportler und Betreuer in den Jahren und Monaten vor den Spielen ist ganz wichtig. Wir haben auch Psychotherapeuten mit, weil es wichtig ist, jemand mitzuhaben, der ein offenes Ohr hat, die Bedenken und Ängste offen annimmt und diskutiert und beredet. Es hilft den Athletinnen und Athleten, wenn sie sich wo anhalten oder ausjammern können über die momentane Situation."
Frage: Wie überlebenswichtig sind diese Spiele für den Sport aus finanzieller Sicht?
Stoss: "Das ist enorm lebenswichtig. Das ist auch einer der wesentlichen Gründe, warum wir uns alle so freuen, dass sie jetzt tatsächlich stattfinden. Weil auch das IOC lebt natürlich in erster Line von den Einnahmen aus den Übertragungsrechten und großen Sponsorenverträgen. Alle diese Einnahmen, die das IOC lukriert, gehen über neunzig Prozent an die Nationalen Olympischen Komitees und an die internationalen Fachverbände und zum Teil an einzelne Sportler über Solidarity. Täglich sind das 2,4 Millionen Euro, die aus dem IOC zurück in den Sport fließen. Für kleinere Sportfachverbände ist das schon existenziell, was da kommt oder eben nicht kommt. Deshalb ist es für uns aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten so wichtig, dass es stattfindet. Jetzt kommt das in dichter Reihenfolge, aber es fließen dann hoffentlich auch die Einnahmen dichter. Weil wir nach Ende der Tokio-Spiele sechs Monate später schon wieder in Peking stehen. Und in drei Jahren schon in Paris. Es kommt Schlag auf Schlag."
Frage: Nach zuletzt keiner Medaille in London und einer in Rio sprachen Sie nun davon, dass drei Medaillen ein Erfolg wären. Hat unter anderem die Zentralisierung der Bundessportförderung dazu beigetragen, dass man doch in einigen Sportarten Medaillenchancen hat?
Stoss: "Wir glauben das schon. Auch aufgrund des Feedbacks der Athleten, weil der Großteil auch immer wieder in den Olympiazentren trainiert und diese Möglichkeiten der umfassenden Betreuung und Möglichkeiten aktiv nützt. Ich glaube, dass die Bündelung der Kräfte der richtige Weg ist, darauf müssen wir hinaus. Geld alleine wird es nicht richten. Da sind wir gemeinsam mit dem Sportministerium und den einzelnen Landesregierungen ein gutes Stück gemeinsam gegangen. Ich hoffe, dass sich die Erfolge einstellen. Wir glauben, es fruchtet, es greift. Es ist noch ein weiter Weg, es ist noch viel zu tun, aber ich bin viel positiver gestimmt als noch vor vier Jahren."
Frage: Die Japaner empfangen die Olympische Familie gemäß den Umfragen nicht gerade mit offenen Armen, viele haben in Pandemiezeiten Bedenken über die Abhaltung der Spiele. Was glauben Sie, könnte einen Umschwung bewirken?
Stoss: "Die Asiaten generell, aber die Japaner im besonderen Maße, sind vornehm zurückhaltend freundlich. Sie können nicht aus ihrer Haut, sie legen nicht diese Flexibilität an den Tag, wie man sie vielleicht aus Mitteleuropa kennt, wo man da und dort ein Auge zudrückt. Das wird wahrscheinlich in Japan nicht stattfinden. Da werden viele daran auch verzweifeln, wenn der Katalog stur abgearbeitet wird - Vorschrift ist Vorschrift und das muss so getan werden. Das ist eine Belastung für jemand, der knapp in der Zeit ist. Es wird eine bestimmte Ablehnung geben, aber ich glaube, mit der Eröffnungsfeier und den ersten Wettbewerben wird die Stimmung doch deutlich angehoben sein. Das haben wir bei allen Olympischen Spielen bisher gesehen, trotz aller Unkenrufe im Vorfeld. So wird es wahrscheinlich auch in Tokio sein. Japan hat ein unglaublich starkes Team, mit den Erfolgen wird auch die Stimmung kommen."
Frage: Als Mitglied im IOC nehmen Sie an der Session dabei. Was steht Besonderes auf der Agenda?
Stoss: "Zum Beispiel, ob wir uns schon festlegen sollen auf den nächsten Ausrichter 2032. Es geht darum, ob wir Brisbane/Gold Coast/Sunshine Coast nehmen. Es gibt eine umfangreiche Dokumentation inklusive detaillierter Budgets. Ich gehe davon aus, dass der Kandidat festlegt wird. Jetzt haben wir Asien, dann Europa mit Paris, Amerika mit Los Angeles, danach Australien wäre großartig und würde gut ins Bild passen."
Frage: Was wünschen Sie sich persönlich, außer dass alle gesund heimkehren, dass am Ende dieser Spiele stehen wird?
Stoss: "Dass diese Spiele einen Beitrag geleistet haben, diese Hürde, die sich bei vielen wegen der Pandemie auch im Kopf aufgetan hat, zu meistern. Trotz der Restriktionen, die wir selber am eigenen Leib schon einige Zeit spüren. Dass es uns Athletinnen und Athleten vormachen, dass es möglich ist. Und dass es trotzdem Völkerverbindungen und Freundschaften, die man bei Olympischen Spielen immer wieder erlebt, geben wird. Das wäre ein schönes Signal neben den sportlichen Ereignissen."