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Keine Zukunft? "So können wir den Wintersport erhalten"

Nachhaltigkeits-Experte Michael Dunkl spricht über die aktuellen Probleme von Ski- und Motorsport und erklärt, was sich ändern muss.

Keine Zukunft? Foto: © GEPA

Mit der Protestaktion der Klima-Aktivisten beim Männer-Slalom in Obergurgl wurde das Thema Nachhaltigkeit auch im Sport wieder einmal etwas prominenter auf das Tapet gebracht.

Wie man auch zur verursachten Unterbrechung beim Ski-Weltcup steht, eines sollte klar sein: Auch der Sport wird "grüner" werden müssen.

Dafür zuständig sieht sich Michael Dunkl. Der Steirer wird auch am Freitag bei der Sportopia in St. Veit an der Glan zu Gast sein – dem Forum für Nachhaltigkeit im Sport.

Dunkl ermittelt mit seiner Firma "Mission Zero" die CO2-Fußabdrücke von verschiedenen Sportevents.

Neben einem umfangreichen Forschungsauftrag von der ASKÖ hat das Unternehmen unter anderem für Greenpeace eine Studie über die CO2-Fußabdrücke der FIS-Events ausgearbeitet.

Darüber und über viele andere Nachhaltigkeits-Themen im Sport wie zum Beispiel die Formel 1 oder den normalen Fußball-Verein, hat Dunkl in einem großen LAOLA1-Interview Stellung genommen.

LAOLA1: Du versuchst mit deinem Unternehmen "Mission Zero" die Nachhaltigkeit in den Sport zu bringen. Kannst du vielleicht grob zusammenfassen, wie ihr das macht?

Michael Dunkl: Wir ziehen für den ASKÖ durch die Länder und haben einen Forschungsauftrag, indem wir in erster Linie ermitteln, was durch gewisse Sportvereine an CO2 emittiert wird. Wo sieht man Potenziale? Sei es jetzt Energie, Treibstoffe, Abfälle oder Materialien. Es gibt viele Arten von Energieverbräuchen. Manche Hallen brauchen viel im Strombereich, andere im Heizbereich. Ein Fußballverein braucht viel Energie im Treibstoffbereich, dafür eher weniger Energie im Strombereich. Dadurch sehen wir, welcher Verein Einsparungspotenziale im CO2-Sektor hat. Deswegen machen wir Klimabilanzen. Die Bundesorganisation kann dann gezielt Aktionen setzen. Wir werden aber nicht den Vereinen irgendwas auf dirigieren. Das ist nicht unserem Sinn. Wir zeigen den Vereinen nur auf, wo es Potenziale geben könnte.

LAOLA1: Viele werden sich fragen, ob der CO2-Fußabdruck bei sportlichen Aktivitäten überhaupt sonderlich groß ist. Gibt’s da Beispiele für überraschende Erkenntnisse?

Dunkl: Der normale Fußballverein am Land ist überhaupt kein Thema. Da haben wir vielleicht die Anreise der Mitglieder, aber sonst nicht viel. Bei den größeren Sporthallen haben wir vor allem im Winter aber schon einen immensen Wärmebedarf. Es gibt hier ein vorgeschriebenes Regelwerk bezüglich Mindesttemperaturen, Mindestbeleuchtung und so weiter. Dahingehend werden Optimierungspotenziale für die Vereine ausgehoben. Wenn man es pro Mitglied rechnet, können da auch kleinere Vereine einen überraschend großen Verbrauch haben. Größere Hallen sind aufgrund der höheren Auslastung oft energieeffizienter als kleinere Hallen.

LAOLA1: Was für Möglichkeiten gibt es denn, um nachhaltiger zu werden?

Dunkl: Wir haben bei Sporthallen zum Beispiel Heizungsoptimierungen, wo die Heizung der Halle auf den Ausbuchungskalender zusammengeschaltet wird. Je nachdem wie die Halle gebucht ist, wird dann die Heizung eine Stunde vorher erst aktiviert. Was bei den Sportlern nicht so gut ankommt, sind drückbare Duschknöpfe, weil man da nicht drei Minuten duschen kann, ohne drei Mal draufdrücken zu müssen. Es geht dabei gar nicht ums Wasser, sondern um die Energie die nötig ist, um das Wasser zu erhitzen. Einfach Kleinigkeiten, die den Betrieb nachhaltiger gestalten. 

Der Skisport an sich ist nicht zu verdammen. Das ist ein Kulturgut und wir sollten alles tun, um den Skisport zu erhalten.

Nachhaltigkeit bedeutet nicht den Tod des Skisports

LAOLA1: Stark in der Kritik steht schon seit einiger Zeit ausgerechnet der in Österreich sehr populäre Skisport. Erst am Wochenende gab es eine Protestaktion der letzten Generation in Obergurgl. Was sind da die großen Problemfelder?

Dunkl: Der Skisport an sich ist nicht zu verdammen. Das ist ein Kulturgut und wir sollten alles tun, um den Skisport zu erhalten. Wo man sich Überlegungen anstellen sollte, wäre zum Beispiel der Rennkalender. Warum muss ich zwei Mal nach Amerika fliegen? Warum muss ich drüben auch noch rauf und runter fliegen? Warum muss ich Schnee zur Verfügung stellen, nur weil sie es nicht schaffen, den Rennkalender weiter nach hinten zu schieben? Da ist viel Potenzial da. Ich war selbst letztes Jahr beruflich in Sölden und wenn du da die Hubschrauber fliegen siehst, die die nötigen Schneemengen her karren, dann wird dir anders. Nur an Traditionen festhalten, bringt unsere Traditionen leider auch um.

LAOLA1: Ihr habt für eine Greenpeace-Studie für die FIS-Events CO2-Fußabdrücke berechnet. Was gab es da für Erkenntnisse?

Dunkl: Die Erkenntnisse im Großen und Ganzen sind, dass der CO2-Fußabdruck von der FIS-Aussendung gegenüber unserer, die wir kalkuliert haben, immens abweicht. Die CO2-Menge, die die FIS für die ganze Rennserie ausgewiesen hat, haben wir schon einmal mit vier Rennen in Mitteleuropa abgefrühstückt gehabt. Die FIS nimmt an, dass die meisten Zuseher aus der Region kommen – das ist unrealistisch. Sie nehmen auch an, dass der herbeigeschaffte Schnee sowieso herbeigeschafft werden müsse und damit mit der FIS nichts zu tun hat. Die schieben das alles ab. Wir wollten FIS-Stellungnahmen einholen, aber das waren leider nur viele eMails, die ins Nichts verlaufen sind. Viel helfen würde einfach den Rennkalender zu überdenken, die Pflichten zu überdenken. Muss ich wirklich Mengen an Kunstschnee produzieren, wenn ein Monat später sowieso der Schnee fallen würde, den ich für ein Rennen brauchen würde? Muss ich nicht einfach flexibler sein bei der ganzen Ausrichtung? Das würde schon extrem viel helfen und uns den Wintersport auch erhalten.

LAOLA1: Also deiner Meinung nach kann das alpine Skifahren auf jeden Fall nachhaltig betrieben werden?

Dunkl: Genau. Nachhaltig auf alle Fälle. CO2-neutral wird es nicht gehen. Die FIS nennt sich ja selbst CO2-positiv, weil sie irgendwelche Wald-Rodungsprojekte auf der Welt verhindert. Da beißt sich die Katze ein bisschen in den eigenen Schwanz. Denn diese Verhinderungsprojekte macht eine Firma, deren Chef FIS-Boss Johann Eliasch ist. Das Statement dieser Firma ist, dass man mit solchen Projekten nie CO2-neutral werden kann. Auf der anderen Seite sagt Eliasch: "Wir sind CO2-positiv, weil wir es mit unserer Firma machen."

LAOLA1: Also aktuell ist nicht unbedingt die große Erkenntnis bei der FIS da, dass man da noch mehr dagegen steuern muss.

Dunkl: Nein, überhaupt nicht. Es ist sehr viel Schall und Rauch bei der FIS, was da raus posaunt wird.

LAOLA1: Mittlerweile sprechen sich auch Athleten selbst für den Klimaschutz aus. Wie bewertest du das Engagement von Skifahrer Julian Schütter?

Dunkl: Es ist sehr willkommen. Julian Schütter macht eine ganz tolle Arbeit. Wie gesagt: Wir sind alle für den Wintersport. Und der Julian Schütter ist jemand, der einfach von innen heraus versucht, das System zu ändern. Und wir ziehen da absolut am gleichen Strang. Wir machen es von außen. Der Julian versucht es von innen, um so eine Veränderung zu bewirken und Nachhaltigkeit in den Sport zu bringen.

Die Formel E könnte die Zukunft des Motorsports sein
Foto: © GEPA

LAOLA1: Traditionell hat auch der Formel-1-Zirkus Rechtfertigungsprobleme. Ist die Formel E eine Lösung? Oder ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, weil ja eh auch wieder ein ganzer Tross um die Erdkugel geschickt wird?

Dunkl: Ich sehe in der Formel E schon eine Lösung. Wie bei der FIS bietet auch hier natürlich der Rennkalender eine Angriffsfläche. Wenn ich irgendwo in der Wüste den Asphalt kühlen muss, damit er mir nicht davonrennt, wenn die Autos drüberfahren, dann habe ich einfach ein Problem. Das Gleiche habe ich beim Fußball auch, wenn in der Wüste Spiele stattfinden. Da wird einfach mit Geld über Nachhaltigkeit drübergefahren und ist etwas, was ich prinzipiell verdamme. Da wird der gesunde Menschenverstand ausgeschalten. Wenn ich mit ein bisschen Herz an die Sache gehe und darüber nachdenke, ob das Sinn macht oder nicht, wenn ich den Sport erhalten möchte, dann muss ich einfach anders darüber nachdenken. Es scheint so, als würde nur in Wahlperioden gedacht werden, aber nicht an die Nachhaltigkeit für den Sport. Das ist das Schlimme daran.

LAOLA1: Aber die Formel E bewertest du schon positiv?

Dunkl: Ich bewerte sie sehr positiv, weil du da eine Menge Fans hast, die einfach motorsportgeil sind und das ist auch etwas Cooles. Ich komme ja selber aus der Motoren-Szene, habe in einer Motorenschmiede gelernt. Aber man muss das Ganze nachhaltig gestalten. Und je schlimmer ich da mit dem CO2 umgehe, desto schlechter wird das ganze System ausfallen und desto negativer kommt dann der Backwave zurück. Nicht jetzt oder in 5 oder 10 Jahren, aber vielleicht in 15 Jahren.

LAOLA1: Wie problematisch sind Mega-Events wie Olympische Spiele und Fußball-WM bzw. EM?

Dunkl: In der heutigen Zeit muss ich nicht mehr alles in einem geballten Raum stattfinden lassen. Einerseits stoße ich immobilientechnisch an die Grenzen wie bei Olympia. Da werden ganze Dörfer und viele Hektar Land für Stadien und Hotels verbraten, die genau einmal verwendet werden. Wenn ich mir Sotschi anschaue... Da brauche ich nicht mehr darüber reden, wie die Leute anreisen. Ich glaube aber, dass der Mensch solche Sport-Events braucht, deshalb tue ich mir schwer, solche Veranstaltungen komplett zu verteufeln. Solche Wettkämpfe einigen die Länder oft und es verhindert oder baut Barrieren ab. Deswegen glaube ich schon, dass es notwendig ist, größere Wettkämpfe stattfinden zu lassen. Ich glaube aber auch, dass man da viel mehr an Nachhaltigkeit denken muss.

LAOLA1: Was für große Veränderungen wird der Nachhaltigkeitsaspekt in Zukunft deiner Meinung nach im Sport bringen?

Dunkl: Das ist jetzt die Marter-Frage. Energie wird teurer werden. Deshalb wird man sich überlegen müssen, ob man Fußballspiele am späten Nachmittag oder Abend stattfinden lassen muss oder ob man sich nicht das Flutlicht ersparen kann. Das Gleiche ist mit dem FIS-Rennkalender. Muss er so früh starten oder kann man auch länger hinaus Skifahren? Im Grunde ist das Ganze eine Optimierung. Es ist kein Regelwerk, wo ich mich selbst einbremsen muss, sondern es ist eine Optimierung und der Mensch haltet leider zu sehr an seinen Gewohnheiten fest, weil es bequem ist. Aber wenn ich meine Gewohnheiten ein bisschen und Scheuklappen ablege, dann kann es sein, dass ich nur mehr ein Viertel der Energie für ein Fußballmatch brauche. Dann kann es sein, dass ich nicht mit dem Hubschrauber Schnee einfliegen musss. Es ist ein Mitdenken der agierenden und handelnden Personen gefragt. Es müssen bekannte Wege verlassen und ein nachhaltiger Weg eingegangen werden. Wir haben lange genug unsere Welt und unser Dasein ausgebeutet, jetzt darf Nachhaltigkeit auch einmal Geld kosten. Und wenn wir dieses Geld in die Hand nehmen, können wir das, was wir jetzt ausgebeutet haben, diese Negativbilanz, in eine Positivbilanz ändern. Wir müssen dafür Geld oder Zeit in die Hand nehmen. Mit Zeit meine ich, ob ich zum Bespiel mit dem Auto oder mit dem Fahrrad zum Fußballspiel fahre.

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