Der Abstiegskampf in der Bundesliga und der Ersten Liga nähert sich der Entscheidung!
Die SV Ried und der SV Horn stehen mit dem Rücken zur Wand und sind auf Siege angewiesen. Keine angenehme Situation für Spieler und Betreuer.
Gerade in Drucksituationen kann die geistige Haltung den entscheidenden Unterschied machen – oder umgekehrt zur zusätzlichen Verschlimmerung des Problems beitragen. Psychologische Betreuung und Methoden sind im Spitzensport ein wesentlicher Faktor zum Erfolg.
Doch wie kann man sich aus der Bredouille manövrieren, wenn es um alles geht? Wie begegnet man einer fast aussichtslosen Situation?
LAOLA1 hat mit Haris Janisch gesprochen. Der Fachgruppenobmann der Personenberatung und Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer Wien (mehr Infos gibt es hier) ist als sportwissenschaftlicher und psychosozialer Berater tätig und beschreibt im Interview die grundsätzlichen Vorgänge im Kopf eines Sportlers, schlägt Ansatzpunkte vor und gibt eine Einschätzung über die aktuelle psychologische Arbeit im österreichischen Spitzensport ab.
LAOLA1: Herr Janisch, welche Vorgänge laufen im Kopf eines Sportlers ab, der mit unbedingtem Siegzwang konfrontiert ist?
Haris Janisch: Es treten psychische Kräfte hervor, die motivierend sein können – andererseits tritt man in einen inneren Dialog, wo sich Gefühle wie Wut und Ängste vor Enttäuschung und Niederlage abspielen. Es beginnt ein Negativ-Kreislauf, das wird in der Fachsprache als "negative Selbstinstruktion" bezeichnet.
LAOLA1: Man kommt also in einen negativen Zirkel?
Janisch: Genau. Man wird in ein negatives Gedanken- und Emotionskonvolut hineingezogen, es kann auch von einer Enttäuschungs- oder Angst-Trance gesprochen werden. Im Mentaltraining versucht man, schon im Vorhinein eine positive Sieges-Trance bildlich, emotional, gedanklich zu verankern. Es hängt viel davon ab, ob der Sportler frühzeitig eine mentale Umgangskultur entwickelt hat, um einen Gedankenstopp anzuwenden und sich trotz emotionaler Belastung wieder in einen positiven Sog hineinzumanövrieren.
Sportwissenschaftliche Beratung näher vorgestellt:
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
LAOLA1: Es handelt sich also um eine Fähigkeit, die man über einen langen Zeitraum erlernen muss?
Janisch: Manche werden von der Erziehung, ihrer Grundhaltung her schon so aufgezogen, dass sie sich trotz des Drucks denken: "Der macht mir nichts, ich kann trotzdem noch siegen." Im Laufe der sportlichen Karriere geht es darum, sich diese Fähigkeiten durch einen guten Trainer oder Mentalbetreuer noch besser anzueignen.
LAOLA1: Im Sport ist also generell die positive Herangehensweise zu wählen?
Janisch: Genau. Es kann zwar heilsam sein, einmal "kathartisch zu kotzen" (Katharse ist ein Entladen von Wut zur Reduktion innerer Konflikte, Anm.), aber wenn ich dann im Jammern drinnen bin, werde ich mich wieder in diesen negativen Zirkel psychisch, geistig und emotional hineinmanövrieren. Im Mannschaftssport muss der Trainer "Stopp!" sagen, etwa zum Kapitän. Es ist gefährlich, wenn eine Mannschaft beginnt, nicht mehr als Kollektiv aufzutreten. Es gibt in einem Team eine Schwarmintelligenz, die Trainer und Kapitän beeinflussen können. Das gilt es auch im Vorhinein aufzubauen. Auch entscheidet jeder individuelle Spieler, wie diese kollektive Seele genährt wurde. Wenn man etwa sagt: "Ich helfe dir bei diesem Fehler, hilf du mir bei einem anderen", ist man schon viel weiter. Ist man aber schon in der Negativ-Spirale, ist es umso wichtiger, Teambuilding-Maßnahmen zu ergreifen, um die Seele der Mannschaft durch Korrektive neu zu gestalten. Man kann es sich nicht mehr erlauben, dass jemand mit seinen negativen Gedanken ausufernd wird. Da ist eine einheitliche psychosoziale Front zu bilden, damit jeder, der einen Fehler macht, sofort wieder motiviert wird: "Kein Problem! Mach weiter!". Es ist nicht zielführend, sich gegenseitig runterzumachen. Dann wird eine Mannschaftsdepression tiefer und tiefer zum Vorschein kommen.
LAOLA1: Wenn man schon mit dem Rücken zur Wand steht, etwa im Abstiegskampf, und einen kurzfristigen Input braucht – was lässt sich da noch machen?
Janisch: Dann gilt es, einen Profi zu holen, der im Krisenmanagement der Mannschaft Impulse liefern kann. Trainer und Spieler sind schon in einer Trance gefangen. Es ist auch gut, einen neuen Spieler ins Spiel zu bringen, der als Hoffnungsträger fungieren kann. Den Geist, die Psyche im Hintergrund, die gilt es, mit etwas Neuem zu beseelen. Etwas Hoffnungsspendendes, etwas Veränderndes.

LAOLA1: Was würden Sie einer Mannschaft mitgeben, die sich in einer schier aussichtslosen Ausgangssituation befindet?
Janisch: Wenn ich Trainer wäre, würde ich die Spieler noch schnell zu Teambuilding-Einheiten zusammenführen, zu Trainings, die sehr stark in Richtung Meditation und Innenweltreise führen, wo sie diese Kraftressourcen bildlich und emotional verdichten können. In der Sportpsychologie findet der "Hermann-Maier-Effekt" häufige Anwendung. Er hat fast seinen Fuß verloren, aber geistig hat er sich immer daran orientiert, wieder am Stockerl zu stehen. Dieses Gefühl hat er schon gekannt, er hat es in seinen Mentaltrainings ganz stark bildhaft und emotional verankert. Solche Bilder braucht es: Die Gruppe muss in schönere Zeiten reisen, wo es gedanklich möglich war zu siegen und zu jubeln. Andererseits muss ich in der zwischenmenschlichen Beziehung des Teams nach Störfaktoren suchen. Wer zieht die Mannschaft runter? Wer ist in der Lage, das Team in einer positiven Selbstinstruktion zu halten? Diese Spieler muss ich stärken, ihnen besondere Aufgaben zusprechen – etwa offen zu sagen, du bist zwar nicht der Kapitän, aber der Motivator. Du bist dafür da, jene aufzurichten, die einen Fehler gemacht haben. Du bist stark und stabil. Eine Stunde vor dem Spiel würde ich als Trainer auch asiatische Meditationstechniken anwenden, um meine Spieler emotional und geistig auf Sieg zu programmieren.
LAOLA1: Finden Sie, dass im psychologischen Bereich im österreichischen Sport gut oder schlecht gearbeitet wird?
Janisch: Das neue Bild, dass ich über die geistigen Vorstellungen auch Körperstrukturen verändere, ist noch viel zu wenig verankert. Die Vorstellungskraft, die inneren Kinos helfen einem Spitzensportler in der Optimierung der Motorik. Toni Innauer war etwa einer der ersten, die damit begonnen haben.
LAOLA1: Gibt es noch andere Faktoren, die eine Rolle spielen?
Janisch: Ja, die Haltung. Beim klassischen österreichischen Fußballer ist aus meiner Sicht in der Sozialisierung etwas falsch gelaufen. Etwa bei Kindern aus anderen Kulturkreisen, auch in Österreich, kann man eine Geisteshaltung beobachten, siegen zu müssen, um hochkommen oder gar überleben zu können. Das war auch früher bei afroamerikanischen Sportlern in den USA zu beobachten. Die Erfahrung der Armut und Ausgrenzung hat sie in eine innere Haltung des Sieges, fast um jeden Preis, manövriert. Diese Haltung wird in Österreich kaum vermittelt, nur im Skisport ist das teilweise gelungen. Hermann Maier hat die Geisteshaltung etwa gehabt, diesen unergründlichen Willen. Alleine schon, wenn ich die Körperhaltung mancher Fußballer ansehe: Die empfinde ich zwar als angenehm chillig, aber im Spitzensport hat man damit keine Chance.
LAOLA1: Was kann man sich als Amateursportler, oder allgemein als "normaler" Mensch, im psychischen Bereich von erfolgreichen Spitzensportlern abschauen?
Janisch: Die Grundhaltung, den Kampfgeist, den Willen zu siegen. Diese Fähigkeit, im Alltag durch Schwierigkeiten proaktiv durchzugehen, aufzustehen, durchzuhalten, auch wenn ich nicht motiviert bin, sich zielorientiert zu verhalten und trotzdem Gas zu geben. Wenn viele Verführungen da sind, zum Training zu gehen und durchzuhalten. Davon kann sich jeder etwas abschauen.
"Alleine schon, wenn ich die Körperhaltung mancher Fußballer ansehe: Die empfinde ich zwar als angenehm chillig, aber im Spitzensport hat man damit keine Chance."
LAOLA1: Außerdem wird es wichtig sein, sich Ziele zu stecken?
Janisch: Man braucht ein großes Ziel und kleine Ziele. Das ist das Um und Auf in der Motivation eines Spitzensportlers. Ein Skifahrer weiß: Am Ende des Jahres beginnt die Saison, da muss der Körper wieder voll da sein. Als Mikro-Ziel beginnt er mit Ausdauertraining, um den Körper überhaupt wieder so weit zu bringen, imstande zu sein, die Belastungen des Skifahrens auszuhalten. Und da braucht man einen Sport-Coach, damit man in diesem Bereich gut aufgestellt ist, der einem hilft, diese Ziele zu erkennen. Auch Hobby- und Amateursportler. Wenn man einmal drin ist, geht es immer leichter.
LAOLA1: In welchen Bereichen kann eine sportwissenschaftliche Beraterin, ein sportwissenschaftlicher Berater noch behilflich sein?
Janisch: Sie sind ausgebildet in allen Sportarten, haben Kompetenzen in Trainingslehre, in Trainingsplanerstellung in Motivation und Ernährung. Sie schaffen ein Rundumpaket, damit jeder Mensch seinen persönlichen Sport findet, der ihm Spaß macht, aber der ihm auch körperlich gut tut. Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch einen Coach braucht, eine neutrale Instanz, die in jedem Lebensbereich hilft, gut zu reflektieren, und neue Weichen für eine optimierte Zukunft zu stellen.