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Wilczynski: "Sterben gerade den langsamen Tod!"

Was Manager Conny Wilczynski an der Corona-Krise und am heimischen Sport stört:

Wilczynski: Foto: © GEPA

Westwien-Manager Conny Wilczynski bereitet die aktuelle Situation rund um die Corona-Pandemie und den heimischen Sport große Sorgen.

Westwien absolviert seine Heimspiele vor den Toren der Hauptstadt im Bundessportzentrum Südstadt schon länger ohne Fans. Handball wird in Niederösterreich - wie alle anderen Sportarten - bereits seit 5. Oktober komplett ohne Zuschauer gespielt.

"Ein absoluter Alleingang", ärgert sich Wilczynski über die Landespolitik und meint: "Ich finde, jede Entscheidung muss eine Grundlage haben. Die Grundlage ist in diesem Fall aber nicht vorhanden. Es gibt keinen einzigen positiven Zuschauer-Fall im österreichischen Handball. Hier bekämpft die Politik nicht das Virus, sondern die Sportart. Da werden Maßnahmen gesetzt, die keine Grundlage haben."

Ab morgen Dienstag wird das Publikum vom Bodensee bis zum Neusiedlersee komplett ausgeschlossen.

"Die aktuelle Krise zeigt die Schwachstellen der Gesellschaft auf"

2014 beendete der "Wuzzlerkönig" seine Karriere
Foto: © getty

Jede Krise bietet aber auch immer die große Chance, etwas Neues zu entwickeln...

Das weiß auch der ehemalige Deutschland-Legionär (Anmerkung: Er spielte 2006 bis 2011 bei Füchse Berlin) und "Wuzzlerkönig" der Nationalmannschaft - 578 Tore in 136 Länderspielen. Conny Wilczynski erklärt im LAOLA1-Interview: "Ich sehe die Chance, unsere Schwachstellen endlich zu erkennen. Der heimische Sport ist nicht auf dem Niveau, auf dem er sein sollte. Es ist aktuell für mich ein guter Zeitpunkt, die Schwächen aufgezeigt zu bekommen. Da muss jetzt allerdings auch jeder genau hinsehen, da dürfen die Verantwortlichen nicht wegschauen. Das ist aktuell vielleicht die große Chance."

Von neuen Ideen und Konzepten will Wilczynski nicht reden. "Die liegen ja alle seit vielen Jahren in den Schubladen des Ministeriums und die Laden gehen längst über. Jede Krise bietet nicht nur eine Chance, sondern jede Krise zeigt auch die Schwachstellen der Gesellschaft auf. Der Sport ist nicht gefestigt. Wir versuchen momentan mit Not-Paketen und Not-Maßnahmen etwas zu retten, aber wir sterben gerade einen langsamen Tod."

LAOLA1: Was stört dich?

Wilczynski: Die veränderten Maßnahmen jede Woche und generell gegen den Sport stören mich sehr. Da gibt es meiner Meinung nach zehn andere Bereiche die man zuerst berücksichtigen könnte oder Maßnahmen ergreifen sollte, auch um das Virus zu bekämpfen und nicht dauernd den Sport vor neue Hürden zu stellen. Gerade jetzt müssen Sport und Bewegung gestärkt werden.

LAOLA1: Was ist das Herausfordernde in diesen schwierigen Zeiten?

Wilczynski: Wir sitzen irgendwie im Teufelskreis fest. Uns im Handball fehlen grundsätzlich viele Einnahme-Säulen, die den Sport finanzieren. Wir haben keine Erlöse aus TV-Gelder, wir haben kein Merchandising, wir haben nur ganz geringe Hospitality-Einnahmen aufgrund fehlender Infrastruktur – das heißt, letztendlich leben wir von Sponsoren aus der Privatwirtschaft. Und manche Vereine bekommen noch ein wenig Fördergelder. So gesehen sind wir eh schon genug gebeutelt und jetzt kommt auch noch Corona dazu. Was machen also die Unternehmen? Sie streichen natürlich – und völlig nachvollziehbar – ihre Marketing-Präsenz.

LAOLA1: Weniger Sponsor-Geld, aber mehr Aufwand, oder?

Wilczynski: Genau, der Personalaufwand – im Sinne von Zeit – aufgrund der Präventionskonzepte, das zusätzliche Personal für Covid-Beauftragte, Testungen, Verwaltung und Administration im Hintergrund ist viel mehr. Das Geld wird aber weniger. Viele ehrenamtliche Mitarbeiter machen diese Arbeit on top zu ihrem Brotberuf. Da habe ich die Befürchtung, dass uns diese Ehrenamtlichen bald wegbrechen werden. Sie klagen bereits, dass sie mit der Situation nicht mehr klarkommen und das Ehrenamt wohl nicht mehr weiter ausüben können. Die Kettenreaktion aus all diesen Maßnahmen – in aller Kürze dargestellt – wird aus meiner Sicht den professionellen Sport im Amateur- und halbprofessionell geführten Bereich umbringen.

LAOLA1: Was ist die Konsequenz daraus?

Wilczynski - ein Lautsprecher der Hanball-Liga
Foto: © GEPA

Wilczynski: Der eigene Nachwuchsbereich wird extrem darunter leiden, die ganze Jugend- und Nachwuchs-Arbeit wird von den professionellen Vereinen getragen und gestützt, diese Kettenreaktion wird meiner Meinung nach von den Politikern nicht berücksichtigt. Da geht es nicht ums Finanzielle, sondern um inhaltliche Themen.

LAOLA1: Um welche Themen?

Wilczynski: Es geht beispielsweise darum, dass man dem Virus nur auf Augenhöhe begegnen kann, wenn man fit und körperlich gesund ist. Daher muss man alle sportlichen Aktivitäten versuchen zu pushen und zu fördern und nicht in der Schule als erste Reaktion den Turnunterricht streichen. Zudem kommt noch, dass teilweise die Sporthallen in den Schulen geschlossen werden und die Vereine haben keinen Zutritt mehr. Auch das sind falsche Maßnahmen. Mit den ständig geänderten Richtlinien – sei es national oder regional – entstehen für die Vereine derart viele zusätzliche Aufwände, dass sie diese zum Teil nicht mehr umsetzen können. Daraus resultiert logischerweise auch eine fehlende Planbarkeit.

LAOLA1: Wohin willst du dich wenden, von wem erwartest du dir mehr Hilfe?

Wilczynski: Grundsätzlich zeigt eine Krise ja immer sofort auf, wo sich die Schwachstellen in einer Gesellschaft befinden. Aktuell zeigt sich zum Beispiel sehr gut, dass der Sport in der Politik nur ein Beiwagerl ist. Der Sport ist immer wieder in den unterschiedlichsten Ressorts beheimatet. Einmal war er im Kanzleramt angesiedelt, einmal im Gesundheitsministerium, dann im Unterrichtsministerium, dann bei den Beamten, dann wieder im Verteidigungsministerium – wo auch immer, der jeweilige Resort-Minister war dann halt auch Sportminister. Dabei geht es gar nicht darum, ob das gut oder schlecht ist, sondern es zeigt auf, welchen Stellenwert der Sport hierzulande hat. Dabei gibt es wenige andere Bereiche, die so viele gesellschaftspolitische Themen abdecken wie der Sport. Sei es Integration, sei es Gesundheit, sei es Bewegung allgemein und, und, und, allein deshalb müsste der Sport längst ein eigenes Resort bekommen.

LAOLA1: Was würde sich dann ändern?

Wilczynski: Dann könnte man das Thema Sport und Bewegung an sich vor den Vorhang heben, erst dann werden sich die Fragen beantworten lassen, die wir uns wünschen. Grundsätzlich fehlt mir die Vision, die klare Strategie und ein fixes Konzept, wie man mit dem Sport langfristig umgehen soll und will. Es gibt so viele Themen. Es gibt den Breitensport, es gibt den Spitzensport, es gibt Fördergelder – Spitzensport-Förderung ist ja gut und aktuell sehr wertvoll, aber die Förderung der Nachhaltigkeit fehlt. Sinnvoller wäre es in Sporthallen in ganz Österreich zu investieren und eine neue Basis zu schaffen, dass die Kinder und Vereine eine Möglichkeit besitzen, Sport zu betreiben. In jeder Region im Land gibt es einfach viel zu viele Vereine, die aktiv werden wollen, aber zu wenige Hallen. Man bekommt keine Trainingstermine. Auch die Stärkung des Trainer-Daseins bzw. die Schaffung eines klaren Job-Profils wäre sinnvoll. Gäbe es ein eigenes Resort, dann könnte man sich diesen Themen konsequent annehmen und der Stellenwert des Sports wäre ein viel größerer.

LAOLA1: Wie sieht es mit der Querverbindung von Schule und Verein aus? Da sind viele Synergien geplant, werden die auch gelebt?

Wilczynski: Es wird aktuell regional unterschiedlich gehandhabt. Teilweise kommen Vereine in die Schule hinein, teilweise gar nicht, teilweise sind die Schulen in den Sommerferien gesperrt, da stehen neun Wochen lang alle Turnsäle leer. Warum dürfen die Vereine da keine Trainingseinheiten abhalten? Es gibt immer wieder Initiativen, aber es setzt sich nur wenig durch. Ich glaube, es ist am Ende auch immer wieder ein wenig ein Focus-Thema. Wenn es – groß gedacht – ein eigenes Resort im Sport gäbe, dann wäre das Ganze wohl nicht immer von jeder politischen Wahl abhängig. Dann hätte das Thema eine gewisse Konstante. Was so leider nicht der Fall ist, da ja mit jedem neuen Sportminister neue Beamte kommen und viele Dinge wieder auf null gestellt werden bzw. neu aufgerollt werden müssen.

LAOLA1: Möchstest du nicht in die Politik wechseln?

Wilczynski: Nein! Ich wünsche mir nur, dass die Politik sich einmal intensiv die Wertschöpfungskette Sport anschaut. In allen Belangen. Sowohl aus gesundheitlichen, gesellschaftlichen, ökonomischen und sportlichen Gesichtspunkten. Ich kann mir einfach nicht erklären, warum sich keine politische Partei den Sport ganz oben hinschreibt im Wahlprogramm. Würde ich eine politische Bewegung gründen, dann würde ich einen großen Focus auf den Sport richten - und zwar aus politischen Überlegungen bzw. der Wertschöpfungsketten, die dahinter stehen.

LAOLA1: Aktuell musst du dich aber um deine Mitarbeiter kümmern, oder?

Wilczynski: Ja, es geht um die Menschen, die bei den Vereinen im Hintergrund arbeiten. Wenn wir die nicht abfangen bzw. einfangen, dann werden die Menschen wegbrechen und dann werden die Vereine wegbrechen und dann wird die Jugendarbeit auf der Strecke bleiben, weil ohne Vereinsführung keine Jugendarbeit. Ich sehe das Thema aber auch ein wenig größer und losgelöster, aber gerade in der Krise werden besonders gut die Schwachstellen aufgezeigt. Wenn wir da jetzt nicht aktiv werden oder handeln, dann werden uns die Personen hinter den Vereinen wegbrechen. Die wollen wir nicht verlieren, auch wenn es mittlerweile wohl ziemlich unsexy ist für einen Sportverein zu arbeiten.

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