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Seidl/Pristauz: "Wien ist überlebenswichtig für uns"

Robin Seidl und Moritz Pristauz sind seit Jahresbeginn sportlich "fix zusammen". Ein Doppel-Interview über Visionen, Vorurteile & die Beachvolleyball-Realität.

Seidl/Pristauz: Foto: © GEPA

Wien wird in diesen Tagen wieder zur größten Sandkiste Europas. 

Bei der Beachvolleyball-EM auf der Donauinsel wird von Mittwoch bis Sonntag um Gold, Silber und Bronze gekämpft. 

Der Traum von einer Medaille bei der Heim-EM und in weiterer Folge bei der WM im Oktober sowie bei den Olympischen Spielen im kommenden Jahr hat Robin Seidl und Moritz Pristauz zu Beginn das Jahres dazu bewogen, sich von ihren langjährigen Partnern Philipp Waller und Martin Ermacora zu trennen und gemeinsame Sache zu machen. 

"Wir haben eine Vision gehabt und der sind wir dann gefolgt", erklärt Seidl den doch überraschenden Partnertausch. 

LAOLA1 hat Robin Seidl und Moritz Pristauz vor der EM auf der Donauinsel zum Doppel-Interview getroffen. Dabei sprechen sie über ihren aktuellen "Beziehungsstatus", ihre Vision, Geld und sie räumen mit Vorurteilen gegenüber "Beach-Boys" auf. 

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LAOLA1: Teams, die lange zusammenspielen, werden oft mit einem alten Ehepaar verglichen. Ihr seid noch relativ frisch zusammen, wie ist denn euer "Beziehungsstatus" aktuell?

Moritz Pristauz: Es ist noch sehr frisch, wir müssen immer noch ein bisschen rausfinden, wie wir miteinander am besten umgehen. Dass es Sachen gibt, die man am anderen nicht leiden kann – soweit sind wir noch nicht. Ich würde sagen: Noch nicht verheiratet, aber fix zusammen (lacht).

Robin Seidl: Vielleicht haben wir schon ein Kind – aber nicht verheiratet (lacht).

Pristauz: Anders als bei einer Beziehung, wo sich das immer mehr aufbaut, wirst du in so einer Arbeitsbeziehung ins kalte Wasser geschmissen. Du musst sofort zusammen funktionieren. Es ist in gewisser Art und Weise also vielleicht etwas schwieriger als eine Beziehung.

LAOLA1: Was war ausschlaggebend dafür, dass ihr euch von euren jeweiligen Partnern getrennt habt und jetzt ein Team bildet?

Pristauz: Ich denke, dass wir einfach die Chance gesehen haben, dass wir zusammen besser performen und dass wir ein besseres Team bilden können, als wir es jeweils gehabt haben. Wir haben einfach die Möglichkeit gesehen, den nächsten Schritt zu machen. Man tauscht sich natürlich über Dinge wie die Spielphilosphie aus, bevor man so einen Schritt geht, und das hat gepasst.

Seidl: Ich glaube, wir haben eine Vision gehabt und der sind wir dann mehr oder weniger gefolgt. Diese Vision konnten wir dann gleich im ersten Turnier gut umsetzen. Jetzt arbeiten wir daran, die Vision - wurscht, wie es uns geht und wie es am Court steht - aufrecht halten zu können. Das ist die Challenge. Das ist, worauf es in diesem Sport ankommt.

LAOLA1: Was ist die Vision?

Seidl: Wir sehen das Spiel so, dass es durch positive Emotionen dominiert sein muss. Dass es – unter Anführungszeichen - leicht von der Hand gehen muss. Dass man loslassen und vertrauen kann, auf sich selbst, auf seinen Partner und auf den Ausgang des Spiels. Wir wollen locker am Feld stehen und uns nicht zu irgendwas zwingen müssen. Wir wollen nicht in einen Druck verfallen und 'kämpfen' müssen. Es geht darum, alle Situationen am Court meistern zu können, ohne unsicher, frustriert oder aggressiv zu werden. Je besser wir das beherrschen, desto besser werden wir in unserem Spiel. Wir haben schon einen guten Schritt vorwärts gemacht und wissen immer besser, wie wir schwierige Situationen als Team positiv überstehen können. Wir stehen an einem – vielleicht nicht gerade Wendepunkt – , aber wir gewinnen mehr und mehr Sicherheit.

"Es ist für den Beachvolleyball-Sport eigentlich überlebenswichtig, dass wir so ein gutes Turnier in Wien haben."

Moritz Pristauz über das Turnier in Wien

LAOLA1: Locker und positiv zu sein – Wie leicht fällt das bei einer Heim-EM in einem vollen Stadion?

Pristauz: Ich denke schon, dass so ein Publikum einen extrem unterstützen kann. Man muss halt der Typ dafür sein. Manchen macht es Druck, manchen gibt es Energie. Für mich ist es zweiteres. Man kann so viel Positives aufsaugen, das einem helfen kann. Es ist eigentlich was Schönes, einfach ein super Erlebnis.

LAOLA1: Es heißt, dass Wien das beste Turnier des Jahres ist. Ganz ohne rot-weiß-rote Brille betrachtet: Ist es wirklich das beste?

Pristauz: Ja! Wenn man im Stadion spielt, am Center Court, mit all den Fans, dann sicher. Für einen... sagen wir mal Franzosen, der nur am Sidecourt spielt und dem die Fans nicht so wohlgesonnen sind, gibt es vielleicht schönere Locations. Ich denke da zum Beispiel an Gstaad. Aber so wie in Wien alles aufgezogen ist und wie die Fans interagieren, ist es sicher das beste Beachvolleyball-Event der Welt.

LAOLA1: Wie geht ihr mit der gesteigerten Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit beim Heimturnier um? Genießt ihr das oder ist es euch eher unangenehm?

Pristauz: Mir ist das eigentlich egal (lacht).

Seidl: Ich bin da eigentlich auch sehr distanziert. Es ist natürlich schön, aber auch anstrengend.

Pristauz: Eine gewisser Grad an Bekanntheit ist für uns natürlich auch wichtig. Es ist für den Beachvolleyball-Sport eigentlich überlebenswichtig, dass wir so ein gutes Turnier haben. Das ist Teil unserer Arbeit. Deshalb würden wir auch nie ein Interview oder einen Fernsehauftritt ablehnen. Natürlich könnten wir sagen, so kurz vor dem Turnier konzentrieren wir uns lieber nur aufs Training, aber im Endeffekt ist das Produkt so wichtig.

LAOLA1: Das Wort Arbeit ist gerade gefallen. Mit Beachvolleyball verbindet man meistens Sommer, Sonne, Strand und gute Laune. Wie sieht die Realität aus?

Pristauz: Es ist meiner Meinung nach der beste Job der Welt. Aber es ist trotzdem immer noch ein Job. Sicherlich gibt es auch Schattenseiten. Du bist die ganze Zeit irgendwo unterwegs, auf den schönsten Stränden – aber du bist eben die ganze Zeit unterwegs. Ich bin seit ein paar Monaten Papa. Oft sind wir zwei Wochen am Stück unterwegs und das Kind ist daheim.

Seidl: Ich möchte noch was zum Thema Arbeit sagen.

LAOLA: Bitteschön.

Seidl: Das Verlieren gehört zu der Arbeit genauso dazu. Das ist halt auch hart, das wegzustecken, sich weiter zu motivieren und dranzubleiben. Natürlich macht es Spaß zu spielen, aber es macht uns beiden keinen Spaß zu verlieren. Wenn du dann öfter unglücklich verlierst, obwohl du gut spielst, ist das nicht leicht. Das ist dann schon Arbeit.

Pristauz: Oft wird von außen nur das Positive gesehen und nicht die Arbeit dahinter. Ein Turniertag ist auch viel mit Stress verbunden. Du hast zwei Spiele am Tag. Du musst zum Match hin, aktivieren, aufwärmen, dann das Match, dann Interviews, dann Cooldown, Mittagessen, dann zurück ins Hotel, Mittagsschlaf, Massage, dann fährst du nach zwei Stunden wieder hin und hast das nächste Match. Der Tag hat halt nur 24 Stunden und irgendwann solltest schlafen auch. Es ist schon nicht entspannend, so ein Turniertag. Die Leute sehen dich halt nur, wie du im Stadion spielst, die eine oder zwei Stunden am Tag. 

LAOLA1: Gibt es Vorurteile gegen Beachvolleyballer, die euch besonders nerven?

Pristauz: Dass wir immer nur am Strand in der Sonne liegen. Aber da gibt es ein paar.

Seidl: Ein Freund von mir ruft mich immer an sagt: "Hey, Urlauber". Für den bin ich Urlauber (lacht).

"Wenn du die Entscheidung triffst, professionell Beachvolleyball zu spielen, dann machst du das nicht wegen des Geldes. Mir war das bewusst und deswegen rechne ich jetzt nicht damit, dass ich reich werde."

Robin Seidl über die Millionen im Welt-Sport

LAOLA1: In der Sport-Welt wird vielerorts mit Geld nur so um sich geschmissen. Bestes Beispiel ist aktuell die Fußball-Offensive in Saudi-Arabien, wo Milliarden im Umlauf sind. Wie seht ihr als Beachvolleyballer diese Entwicklungen?

Seidl: Wir haben letztes Jahr im August mal einen Vergleich aufgestellt: Ein Tennisspieler, der die Nummer 13 der Welt war, hatte 1,3 Millionen Euro Preisgeld verdient. Wir waren zur gleichen Zeit die Nummer 9 oder 10 der Welt und hatten in der Saison bis dorthin 30.000 Euro Preisgeld. Da haben wir echt gedacht: Alter, das ist eigentlich schon unfair. Aber ich glaube, wenn du die Entscheidung triffst, professionell Beachvolleyball zu spielen, dann machst du das nicht wegen des Geldes. Mir war das bewusst und deswegen rechne ich jetzt nicht damit, dass ich reich werde. Aber ich bin jetzt 13 Jahre dabei und habe eigentlich ein feines Leben. Ich kann mir das leisten, was ich mir leisten will. Das ist schon ein Luxus, den nicht viele haben.

Pristauz: Klar kriegt man mit, wie viel Geld in anderen Sportarten im Umlauf ist, und man denkt sich, warum ist es bei uns nicht so? Aber da sieht man eben nur das Monetäre. Wo in Saudi-Arabien das Geld herkommt, ist halt auch fraglich. Was das für Lebensbedingungen dort sind, weiß ich auch nicht. Ob ich das wirklich machen wollen würde, weiß ich nicht.

LAOLA1: Beamen wir uns von Saudi-Arabien nochmal auf die Donauinsel. Was ist für euch bei der EM möglich, wie weit kann es gehen?

Pristauz: Ich denke schon, dass wir einen relativ schweren Pool haben. Bei einem der Teams ist ein Spieler verletzungsbedingt ausgefallen, das ist jetzt ein neues, etwas zusammengewürfeltes Duo. Das wird schwer zu antizipieren, weil wir keine Statistiken haben. Ich denke, dass es nicht leicht ist, aber dass wir auf jeden Fall jeden schlagen können, wenn wir von Spiel zu Spiel unsere Leistung zeigen.

LAOLA1: Seid ihr eigentlich ein Team, das sich konkrete Ziele setzt – eine Medaille zum Beispiel?

Seidl: Ich für mich setze mir eigentlich schon immer Ziele. Ich betreibe den Sport, weil ich denke, ich bin noch nicht fertig, ich will das und das noch erreichen. Ich war bei einer EM schon Neunter und Fünfter, aber ich habe noch keine Medaille. Das ist schon noch ein großes Ziel von mir, zuhause ist es natürlich immer noch geiler und vielleicht auch möglicher. Das ist für mich ein Ziel oder eine Vision.

Pristauz: Ich glaube, ohne Ziel da reinzugehen, wäre auch dumm.

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