news

Jakob Pöltl: "Jetzt gibt es keine Ausreden mehr"

Warum für Jakob Pöltl der "Welpenschutz" in Toronto vorbei ist:

Jakob Pöltl:

"Alles zusammen war es für mich eine geile Saison, ich kann mich nicht beschweren", resümiert Jakob Pöltl seine erste Spielzeit in der NBA.

Das Rookie-Jahr ist Geschichte, schon gilt es fleißig an der Zukunft zu arbeiten. Denn eines ist dem Wiener auch klar: Der "Welpenschutz" ist für ihn bei den Toronto Raptors nun vorbei:

"Nach der Saison hatten wir einige Gespräche mit Coaches und dem Management. Ihre Botschaft war relativ deutlich in die Richtung: Die erste Saison ist jetzt vorbei, da gibt es noch so ein bisschen Rookie-Bonus, da man noch nicht alles kennt. Aber jetzt geht es sozusagen voll los. Ich habe alles schon einmal gesehen, jetzt zählt die Leistung, da gibt es keine Ausreden mehr."


VIDEO: Pöltl auf Heimaturlaub in Wien!

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)


Eine coole Saison

Nicht dass Jakob Pöltl ein Charakter wäre, der nach Ausreden sucht.

"Auf meiner Position muss ich teilweise gegen die Dwight Howards und Andre Drummonds dieser Welt, die doch um einiges stärker sind als ich, mitspielen können. Mir ist während meiner ersten Saison auf alle Fälle aufgefallen, dass ich gegen manche Gegenspieler diesbezüglich Probleme hatte."

Jakob Pöltl

Mit seinen 21 Jahren schätzt er seine Debüt-Monate in der besten Basketball-Liga der Welt sehr realistisch und reflektiert sein, zeigt sich beim Blick in den Rückspiegel sowohl selbstkritisch als auch selbstbewusst.

"Natürlich gab es Höhen und Tiefen, aber das gehört dazu. Im Endeffekt war es ziemlich genauso, wie ich es mir erwartet habe, dass ich um meine Minuten kämpfen muss. Alles in allem fand ich es rückblickend eine coole Saison", betont der 2,13-Meter-Riese.

Um im zweiten Jahr den erhofften und von seinen Bossen auch eingeforderten nächsten Schritt machen zu können, gilt es nun schon die Basis zu legen. Pöltl befindet sich derzeit auf Heimaturlaub in Wien, steht aber dennoch täglich ein, zwei Stunden für "lockeres Wurftraining" in der Halle - auch, um für die Anfang Juli startende Summer League im Rhythmus zu bleiben.

Zwei Schwerpunkte für den Sommer

Die beiden Schwerpunkte für notwendige Verbesserungen im Sommer liegen auf der Hand: "Der Fokus wird hauptsächlich auf dem Wurf und am Körperlichen liegen. Es ist relativ deutlich zu sehen, dass sich die Spielweise in der NBA in die Richtung entwickelt, dass einfach jeder am Feld werfen können muss. Auch dass ich an Kraft und Masse zulege, wird über kurz oder lang notwendig sein."

Dabei würde es gar nicht so sehr darum gehen, eine gewisse Anzahl an Kilos zuzulegen: "Es geht mehr darum, dass ich in der NBA mit den Größten und Stärksten mithalten muss. Auf meiner Position muss ich teilweise gegen die Dwight Howards und Andre Drummonds dieser Welt, die doch um einiges stärker sind als ich, mitspielen können. Mir ist während meiner ersten Saison auf alle Fälle aufgefallen, dass ich gegen manche Gegenspieler diesbezüglich Probleme hatte. Es geht darum, hier in eine positive Richtung zu gehen und mich immer weiterzuentwickeln, damit ich da ein bisschen näher rankomme. Ich werde von der Statur her vermutlich nie so aufgebaut sein wie manche, die in der NBA herumrennen, aber es gilt, in der Verteidigung nicht so einen großen Nachteil zu haben."


Als ein Aha-Erlebnis ist ihm diesbezüglich ein Duell mit DeMarcus Cousins, damals noch bei den Sacramento Kings, von Anfang November in Erinnerung: "Da hatte ich ein bisschen Probleme. Unser Center Jonas Valanciunas ist ausgefallen, ich war Starter, das Spiel war in den ersten paar Wochen der Saison. Er kennt halt die Tricks. Da ist mir schon aufgefallen, dass er weiß, was er machen muss, um mir ein paar Fouls anzuhängen. Er weiß seinen Körper gescheit einzusetzen. Das wird mir in Erinnerung bleiben, das hat mir rückblickend ein bisschen weh getan."

Zweifel wäre kontraproduktiv

Aber gerade das Rookie-Jahr ist zum Lernen da. Der Jakob Pöltl vom Saisonbeginn ist tendenziell mit dem Jakob Pöltl der Gegenwart kaum mehr zu vergleichen. "Ich finde, ich habe einiges gelernt", sagt der 21-Jährige selbst und berichtet von den "kleinen Details", die einen riesigen Unterschied ausmachen, die man aber nur durch Spielerfahrung lernen kann:

"Deine vier Mitspieler sind davon abhängig, dass du deinen Job machst, weil wir zu fünft als eine Maschine funktionieren müssen."

Jakob Pöltl

"Wie positioniere ich mich am gescheitesten in der Defense? Wie sind die Timings in der Offense? Wie laufen unsere Systeme? Ich habe mein Leben lang Basketball gespielt, aber das nie so realisiert, weil es jetzt auf einem ganz anderen Level und mit einer ganz anderen Geschwindigkeit gemacht wird, wo man so viel schneller reagieren und so viel schneller dort sein muss. Denn deine vier Mitspieler sind davon abhängig, dass du deinen Job machst, weil wir zu fünft als eine Maschine funktionieren müssen."

Momente des Zweifels habe es trotz der teilweise geringen Einsatzzeit nicht gegeben, wenngleich es natürlich zwischenzeitlich frustrierend gewesen sei, kaum zum Einsatz zu kommen. Aber Zweifel wäre in solch einer Situation ein schlechter Ratgeber.

"Ich kann damit relativ gut umgehen, bleibe ruhig, trainiere einfach weiter und schaue, dass ich, obwohl ich nicht spiele, einfach besser werde. Damit ich dann, wenn diese Chance kommt, ein Spieler ausfällt oder jemand Foul-Probleme hat, bereit bin und zeige, was ich kann. Das ist viel produktiver, als frustriert zu sein über was auch immer schief läuft", findet Pöltl.

Verständnis für geringe Einsatzzeit

Das Franchise-interne Feedback ist ohnehin ein gutes, auch Head Coach Dwane Casey zählt zu den Förderern des Österreichers - und angesichts der Ambitionen der Raptors bringt Pöltl auch irgendwo Verständnis dafür auf, dass er sich zu Beginn seiner NBA-Karriere in der zweiten Reihe anstellen muss:

"Wir sind ein Team, das mit dem Ziel in die Saison gegangen ist, Meister zu werden oder zumindest in die Finals zu kommen. Da geht es nicht darum: Okay, er hat viel Potenzial, er entwickelt sich gut, er macht sein Ding und wir sind zufrieden mit seiner Entwickelung. Im Endeffekt gibt es dann doch Spieler in unserem Team, die schon acht oder zehn Jahre in der NBA sind und Erfahrungen gemacht haben, von denen ich in meiner jetzigen Situation nur träumen kann. Letztlich hängt es davon ab, wer im jetzigen Moment die Leistung bringt, beziehungsweise wer sich schon über Jahre das Vertrauen unseres Coaches erarbeitet hat. Da kann ich teilweise auch nachvollziehen, warum ich den Kürzeren ziehe."


Die Aufgabe lautet, sich Schritt für Schritt zu steigern und dieses Vertrauen zu erarbeiten. Wichtig im Hinblick auf die Einsatzeit in der kommenden Saison wird auch, was sich in Toronto über den Sommer auf dem Spielersektor tut. Mit Kyle Lowry, Serge Ibaka, P.J. Tucker und Patrick Patterson laufen die Verträge von vier namhaften Akteuren aus.

"Wir sind im Moment in einer Situation mit sehr vielen Fragezeichen, was die Offseason angeht. Einige unserer besseren und wichtigeren Spieler haben im Moment noch keinen Vertrag. Man kann noch nicht spekulieren, wie die nächste Saison aussehen wird, weil einfach die Hälfte unseres Kaders noch nicht feststeht", weiß Pöltl.

Abschied vom Eiskönigin-Rucksack

Ändern wird sich bei den Raptors aber definitiv einiges - und der Wiener ist ein Bestandteil dieser Pläne:

"Sie haben sich schon sehr deutlich in die Richtung ausgedrückt, dass sie für die Zukunft mit mir planen."

Jakob Pöltl

"In unseren Gesprächen habe ich ganz klar eine neue Strategie herausgehört, dass wir mehr Werfer haben und am Feld flexibler sein wollen. Sie haben sich schon sehr deutlich in die Richtung ausgedrückt, dass sie für die Zukunft mit mir planen. Was genau das jetzt heißt oder ob es nicht doch irgendwann einen Trade geben wird, damit will ich mich gar nicht zu sehr beschäftigen, denn wenn ich zum Nachdenken anfange, wohin ich vielleicht hingeradet werden könnte, wird man sowieso verrückt."

Ein Rookie-Symbol ist Pöltl in der kommenden Saison auf jeden Fall los - und zwar seinen Eiskönigin-Rucksack. Streiche wie diese kann er in Zukunft selbst den Neulingen spielen.

"Noch ist der Rucksack zu Hause in Toronto", grinst Pöltl, "was ich damit mache, weiß ich noch nicht. Einfach weghauen will ich ihn auch nicht, er ist mir schon ein bisschen ans Herz gewachsen."


Kommentare