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Walkner: "Dem Sieg nachzuweinen, wäre Wahnsinn"

Ein Jahr nach Oberschenkelbruch am Dakar-Podest: Matthias Walkner über Weg zurück.

Walkner:

Vom Kalt-Warm Südamerikas in die mitteleuropäischen Minusgrade, von Buenos Aires nach Kitzbühel und Wien.

Matthias Walkner kann sich über mangelnde Abwechslung in Sachen Wetter und Landschaft auch einige Tage nach seinem historischen zweiten Platz bei der Rallye Dakar 2017 nicht beschweren.

Ein Erfolg, der das Interesse an seiner Person schlagartig erhöht hat, sei es beim Ski-Event am Hahnenkamm oder dem gut besuchten Medienempfang in der Hauptstadt.

"Wenn ein Stephan Eberharter einem gratuliert und sogar weiß, was man geschafft hat, ist das schon cool", freut sich der 30-Jährige über seine Ankunft in höheren heimischen Sportlerkreisen – nach einem langen Weg voller harter Rückschläge.

Der zähe Weg auf Krücken zurück

Eine Lebensmittelvergiftung und ein Oberschenkelbruch bereiteten den ersten beiden Dakar-Anläufen des ehemaligen Motocross-Weltmeisters jeweils ein jähes Ende. Der Unfall 2016 kostete ihn darüber hinaus ein halbes Jahr Vorbereitungszeit und Nerven.

"In den 26 Wochen Rehabilitation schaut man eher, dass man wieder in den normalen Alltag zurückfindet", waren die Gedanken lange nicht bei der Rückkehr auf das Motorrad angesiedelt.

"Der Weg war extrem lang. Ich war ehrgeizig, aber ursprünglich hätte die Heilung nur zwei bis vier Monate dauern sollen."



Aus den Fehlschlägen entstand schon erster Druck, erinnerten die unglücklichen Ausfälle doch an Heinz Kinigadner, dem Zeit seiner Karriere eine gewertete Dakar-Ankunft verwehrt blieb.

Nun stärkt dieser dem Salzburger den Rücken und spornt ihn an: "Einen Top-3-Platz hätte ich nie in den Mund genommen, obwohl er mir schon im zweiten Jahr gesagt hat, dass ich das Ding gewinnen kann", meint Walkner in Bezug auf einen seiner ersten Gratulanten.

Kein Grant, weil einer schneller war

Im dritten Jahr blieb das ganz große Pech endlich aus. Eine verlorene Zeitkarte und ein gröberer Navigationsfehler waren die einzigen Ärgernisse. Das große Vorhaben Zielankunft wurde trotzdem übertroffen.

"Ich habe die Frage schon oft gestellt bekommen, ob mich der zweite Platz sogar ärgert. Aber ich hätte auch fünf Minuten mehr verlieren können und wäre nur Vierter geworden", zeigt sich Walkner hochzufrieden. Immerhin fehlten 32 Minuten auf den britischen KTM-Markenkollegen Sam Sunderland.

"Es wäre ein Wahnsinn, zweimal nicht durchzukommen, sich so zurückzukämpfen und dann dem Sieg nachzuweinen. Sam hat es sich verdient."

Zudem bleibt so noch Luft nach oben für den vierten Anlauf.

In 200 Metern links abbiegen?

Woran Österreichs neuer Motorsportheld zu arbeiten hat, um einmal ganz vorn zu landen, hat sich im Zuge der Auflage 2017 abgezeichnet.

Die Schwierigkeiten beim Navigieren waren mitunter vom Veranstalter beabsichtigt, um die Herausforderung zu erhöhen und das Tempo zu drosseln. Mit Erfolg, gab es diesmal doch kein Todesopfer zu beklagen.

Sportlich hatte das aber Folgen. Fehler beim Lesen des Roadbooks schlugen sich bei knappen Zeitabständen umso deutlicher nieder. Auch Walkner verlor auf der fünften Etappe durch eine falsche Abzweigung viel Boden.

"Als Motorradfahrer ist es besonders hart, weil wir zuerst fahren und keine Spuren haben. Und wenn sich selbst ein Stephane Peterhansel um 10 Minuten verfährt, weiß man, wie schwierig es war", bleiben die neuen Verhältnisse nicht ohne Kritik.

Der Kampf mit Höhe, Kälte und sich selbst

Auch ohne diese Schwierigkeiten werden die fast 9000 Kilometer der Dakar nie zur Routine. Die Temperaturunterschiede, an deren Tiefpunkt Freeriderin und Schwester Eva Walkner mit Spezialwäsche unterstützte, noch als kleineres Übel genannt.

"In der Hinsicht war die erste Dakar das zachste, was ich jemals erlebt habe. Da habe ich schon einmal 20 Minuten in einem herumstehenden Polizeiauto geschlafen, um mich aufzuwärmen. Es ist schlimm, morgens loszufahren und zu wissen, dass einem in den nächsten fünf Stunden so kalt sein wird, wie nie im Leben zuvor. Sich gut vorzubereiten, hilft enorm."

Aber der mentalen Belastung ist auch mit langen Unterhosen nicht beizukommen. Einige enge Situationen, etwa mit kreuzenden Lamas, gingen für den KTM-Pilot diesmal gut aus.


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"Am vierten Tag habe ich im Kopf etwas umgestellt, weil ich die Etappe gewonnen habe. Das ist gefährlich, man fühlt sich unzerstörbar. Dann bin ich zu Tobey Price gekommen, der in ein Flussbett gestürzt ist. In einem Flussbett kann man bei 130 Sachen nicht jeden Stein sehen. Das hat mir wieder die Augen geöffnet."

Den Australier ereilte das gleiche Schicksal wie Walkner 2016 – Out mit Oberschenkelbruch. Sekunden der Unachtsamkeit reichten.

Und nicht einmal auf Verbindungsetappen bleiben bei der Dakar Verschnaufpausen. "Wenn man auf 5000 Metern Höhe unterwegs ist, spürt man einen deutlichen Unterschied. Trotzdem muss man mit 90 Prozent des Tempos unterwegs sein. Ich war noch nie eingeraucht, aber so stelle ich mir das vor – man wird schlapp, träge und langsam im Kopf."

Man bekommt viel zurück

Ob man nun mit einer Beduinen-Siegertrophäe belohnt wird oder nicht, auch das Rundherum ist bei Matthias Walkner wieder hängengeblieben.

"In La Paz hat uns eine halbe Million Menschen empfangen. Schon 40 Kilometer vorher sind sie in Zweierreihen gestanden. Die Begeisterung ist unbeschreiblich. Die Leute haben kaum etwas, aber sind trotzdem zufrieden – und geben uns das Gefühl, dass wir echte Helden für sie sind."

Eine Lebenserfahrung, die nachträglich wirkt: "In Europa hetzt man dann von Termin zu Termin. Das ist doch alles egal. Dort sind die Menschen froh, wenn sie gesund sind und etwas zu essen haben. Da merkt man wieder, wie gut es uns geht."

Badestrand statt Wüstensand?

Im kommenden Jahr will sich Walkner vor allem in Sachen Navigation verbessern, die diesmal noch etwas hakte. Nur zweieinhalb Jahre nach dem Umstieg in den Rallyesport ist das eben relatives Neuland.

"Die Challenge ist: Wie schnell kann ich Information im Kopf umsetzen? Schon in meiner Reha-Phase habe ich versucht, Kennzahlen auswendig zu lernen. Aus der Schule, wo man noch Texte auswendig lernt, bin ich schon länger draußen – und jetzt merke ich, dass man mit der Zeit etwas verblödet", sagt Walkner gewohnt selbstironisch. Letztlich gewinne nicht der schnellste, sondern der klügste Fahrer.

Ob er den Sinn für das Multitasking auch in der Weltmeisterschaft schärfen darf, ist noch nicht entschieden. KTM gehe es nicht um Quantität, sondern Qualität der Einsätze.

Der Alternativplan? "Baden gehen", meint Walkner mit einem Grinsen.

Denn der Ernst der Dakar 2018 wird noch früh genug wieder in die Köpfe zurückkehren.

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