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Alfa-Romeo-Teamchef: Warum die Top-Teams so weit weg sind

Der Cost Cap hat die Formel 1 spannender gemacht, eine Zweiklassengesellschaft bleibt. Warum es noch Zugeständnisse braucht und wie das Projekt Audi startet.

Alfa-Romeo-Teamchef: Warum die Top-Teams so weit weg sind Foto: © getty

Sauber - aktuell noch als Alfa Romeo in der Formel 1 - steht vor einer bewegten Zukunft.

Die Partnerschaft mit den Italienern endet mit dieser Saison, es steht aber Großes an. Der Einstieg von Audi 2026. Bis dahin hat das Team noch um Erfolge in einem Mittelfeld zu kämpfen, das denkbar knapp zusammengerückt ist. Aber irgendwann sollen mit dem neuen, großen Partner auch neue, große Meilensteine kommen.

Im Interview mit LAOLA1 erklärt Neo-Teamchef Alessandro Alunni Bravi, warum es trotz der Budgetgrenze noch eine deutliche Lücke zu den Top-Teams gibt, wie diese geschlossen werden kann und wie die unmittelbare und auch die langfristige Zukunft mit Audi aussieht.

LAOLA1: Sie sind 2023 neu in der Rolle des Teamrepräsentanten eingesetzt worden. Was hat sich Ihnen als größte Herausforderung in der Führung eines Formel-1-Teams der aktuellen "Königsklasse" offenbart?

Alessandro Alunni Bravi: Jede Rolle in der Formel 1 bringt ihre Herausforderungen mit sich. Da ist meine Aufgabe nicht größer als jene eines Mechanikers, eines Mitarbeiters im Aero-Bereich oder in der Produktion. Wir haben alle Verantwortungen und müssen abliefern. Natürlich braucht es in meiner Rolle ein breiteres Verständnis für die Formel 1, müssen viele Aufgaben und Bereiche zusammengeführt werden. Es braucht eine Synthese aller Dinge, um die ganze Gruppe in die richtige Richtung zu führen. Diese Arbeit mache ich gemeinsam mit CEO Andreas Seidl, Chefingenieur Xevi Pujolar und Sportdirektor Beat Zehnder. Für mich ist es ein einfacher Job, weil ich von so einer Gruppe talentierter Leute profitieren kann. Die größte Verantwortung meinerseits ist, das Team korrekt zu repräsentieren.

LAOLA1: Alfa Romeo befindet sich in einem engen Mittelfeld. Die Budgetgrenze sollte alles zusammenrücken lassen. Warum gibt es dennoch eine Zweiklassengesellschaft mit den Top-Teams?

Alunni Bravi: Die Budgetgrenze ist zusammen mit dem neuen Concorde-Agreement essentiell, um ein nachhaltiges Businessmodell für die Teams und die Formel 1 selbst zu schaffen. Mittelfristig sollte es zu einer Angleichung der Kräfteverhältnisse kommen, weil alle Teams mit einem ähnlichen Budget hantieren. Worin jetzt noch die größten Unterschiede liegen? In den verschiedenen Strukturen der Teams. Die Top-Rennställe profitieren noch von ihren jahrzehntelangen Investments ohne Limits. Es ist kein Kampf, sondern eine Arbeit, die wir mit der FIA und allen Beteiligten angehen. Um den kleineren Teams wie uns zu ermöglichen, diese Lücke zu schließen, in unsere Infrastruktur investieren zu können und ein faires Spielfeld zu schaffen. Wenn wir das haben und mehr Teams um Podien kämpfen können, wird nicht nur die Show profitieren, sondern auch die Fans, alle Partner und Sponsoren.

"Die einzige Sache, die man nicht kaufen kann, ist Zeit. Realistisch gesehen muss das Team einen großen Schritt machen, um auf das Level der Top-Teams zu kommen. Das wird diese Zeit benötigen. Wir arbeiten hart, aber ich denke, in den ersten fünf Jahren des Programms werden wir um Siege kämpfen müssen."

Über den Zeitraum für Erfolge mit Audi

LAOLA1: Aber wird die Budgetgrenze allein reichen, um dieses Ziel zu erfüllen?

Alunni Bravi: Alleine nicht. Es wird wichtig sein, dass die Teams mit Rückstand in Sachen Infrastruktur die Möglichkeit bekommen, diese Lücke irgendwie zu schließen. Wenn uns das nicht gelingt, wird die Budgetgrenze allein nicht genügen. Aber sie ist ein großer Teil. Wir müssen die Rahmenbedingungen, auf die wir alle uns vor drei Jahren geeinigt haben, stärken. Es ist die richtige Richtung. Aber trotzdem müssen wir manchen Teams, die in der Vergangenheit nicht investieren konnten, eine Zulage zugestehen, um aufzuschließen.

LAOLA1: Ende 2022 war Ihr Team gleichauf mit Aston Martin. Über einen Winter hat sich dieser Konkurrent in die erweiterte Spitze des Feldes katapultiert. Wie viel kann man davon lernen, etwa in welchen Bereichen ein Auto entwickelt werden muss?

Alunni Bravi: Zuerst möchte ich darauf hinweisen, dass Aston Martin vor drei Jahren einen solchen Zuschuss gewährt bekam, um in den Windtunnel zu investieren. Davon haben sie enorm profitiert. Dazu wurden die richtigen Leute eingestellt. Ich gratuliere ihnen. Aber nicht vergessen, dass ihnen eine Regulierung ermöglicht hat, dieses Investment zu tätigen. Sie zeigen uns, dass auch Teams, die gerade nicht in den Top fünf sind, mit den richtigen Leuten und Investments einen großen Schritt machen können. Aber wir brauchen diese Möglichkeiten auch.

LAOLA1: Viele Augen sind auf 2026 gerichtet, wenn Sauber der Partner beim Einstieg von Audi sein wird. Was sind eigentlich die Pläne für die kommenden beiden Übergangsjahre nach dem Ende der Zusammenarbeit mit Alfa Romeo? Wird die Partnerschaft mit Ferrari fortgesetzt?

Alunni Bravi: Die Partnerschaft ist für uns ein absoluter Schlüssel, Ferrari war in den letzten Jahrzehnten unser wichtigster Partner. Wir werden mit ihnen bis zum Ende der technischen Periode 2025 zusammenarbeiten. Es gibt auch eine klare Trennung zwischen dem, was Audi in Vorbereitung auf die Formel 1 macht, und unserem Team in Hinwil. Da gibt es keine Berührungspunkte. Wir denken, dass wir die beste Power Unit zur Verfügung haben, die es aktuell gibt. Wir sind hier um zu kämpfen, und nicht nur, um uns auf 2026 vorzubereiten. Wir wollen Resultate für das Team, für Alfa Romeo und Sauber.

LAOLA1: Wie viele Investments werden in diesen zwei Jahren getätigt? Und wird das Team wieder Sauber heißen?

Alunni Bravi: Ich werde oft nach dem Teamnamen gefragt. Der kann in der Formel 1 auch Teil einer kommerziellen Partnerschaft sein, wie es bislang mit Alfa Romeo der Fall war. Natürlich wird unser Team auf dem Fundament von Sauber aufgebaut bleiben. Es ist eines der Top-Teams im Klub mit mehr als 500 Rennen, also haben wir eine starke Identität. Wir sind Sauber. Ich möchte die nächsten zwei Jahre auch nicht eine Übergangsphase nennen. Es sind zwei Jahre, in denen das Team sein Wachstum fortsetzen soll. Eine Entwicklung, die wir 2017 begonnen haben, als ich zusammen mit Frederic Vasseur gekommen bin. In diesem Jahr waren wir Letzter. Vergangenes Jahr wurden wir Sechster.

LAOLA1: Wenn es eine klare Trennung gibt und die kommenden zwei Jahre noch nichts mit der Audi-Zukunft zu tun haben sollen – wie sieht der Plan dieser Zusammenarbeit aus?

Alunni Bravi: Dieser Transformationsprozess hat natürlich schon begonnen, mit der Einsetzung von Andreas Seidl als CEO im ersten Schritt. Wir trennen da nicht in "vorher" und "nachher", wir haben schon eine solide Basis für Audi, müssen uns in allen Bereichen einfach weiter verbessern.

LAOLA1: Red Bull hat sich von der Idee einer Zusammenarbeit mit Porsche verabschiedet, weil es Bedenken gab, der große Volkswagen-Konzern würde zu viel Einfluss auf das Team nehmen. Haben Sie dazu eine Meinung? Sind die Entscheidungswege in so einem riesigen Unternehmen ein Nachteil, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein?

LAOLA1 im Gespräch mit Alunni Bravi
Foto: © Sauber Group

Alunni Bravi: Ich kann die Entscheidungen eines Konkurrenten natürlich nicht kommentieren. Was wichtig ist: Eine Vision zu teilen. Wir sind sehr stolz, dass Audi uns als technischen Partner für den Einstieg ausgewählt hat. Wir teilen eine Vision, die Ziele und den Plan. Darum bin ich sehr zuversichtlich. Es geht auch nicht um die Prozesse in einem großen Unternehmen. Wir bauen unsere Zukunft gemeinsam auf.

LAOLA1: Was ist Audis große Vision für die Zukunft der Formel 1, auch über 2026 hinaus?

Alunni Bravi: Die Formel 1 geht da schon in die richtige Richtung: Eine noch nachhaltigere Power Unit zu haben. Wir nutzen aktuell zehn Prozent nachhaltige Kraftstoffe, 2026 wächst der Anteil auf 100 Prozent. Wir werden mehr Gewicht auf die elektrischen Komponenten des Antriebs legen. Das waren für Audi schon einmal die wichtigen Elemente, um in die Formel 1 zu kommen: Die beste Plattform, um möglichst viele Dinge zu entwickeln, die auf ihre zukünftigen elektrischen Autos transferiert werden können.

LAOLA1: Was ist die realistische Zeitspanne, um mit der Partnerschaft erfolgreich zu werden?

Alunni Bravi: Die einzige Sache, die man nicht kaufen kann, ist Zeit. Realistisch gesehen muss das Team einen großen Schritt machen, um auf das Level der Top-Teams zu kommen. Das wird diese Zeit benötigen. Wir arbeiten hart, aber ich denke, in den ersten fünf Jahren des Programms werden wir um Siege kämpfen müssen. Ob das gelingt, wird von der Qualität unserer Arbeit abhängen. Und von den Investments, die wir tätigen können.

LAOLA1: Wird die Budgetgrenze dabei nicht sogar zum Hindernis?

Alunni Bravi: Nein, da sie ja alle betrifft. Sie war sogar ein Faktor für den Hersteller, um in die Formel 1 zu kommen. Jedes Projekt muss nachhaltig sein, auch auf der ökonomischen Seite. Wir müssen in den herrschenden Rahmenbedingungen arbeiten, also müssen wir effizient sein. Nicht nur mit den effizientesten Hybridmotoren der Welt. Sondern auch in Sachen Struktur, Kostenaufbau und Management unserer Prozesse. Effizienz ist das Schlüsselwort für die Formel 1.

LAOLA1: Einer der ersten großen Schritte des Projekts mit Audi war die Verpflichtung von Entwicklungsfahrer Neel Jani. Was werden die nächsten Schritte sein?

Alunni Bravi: Zuerst einmal, warum Neel Jani? Wir wollten die Trennung zwischen unseren Tätigkeiten in der Basis in Hinwil und jenen von Audi Formula Racing in Neuburg. Wir haben unserem jetzigen Partner Ferrari gegenüber Verpflichtungen und setzen für die Zukunftsarbeit mit Audi daher keinen unserer aktuellen Stammfahrer, Testfahrer oder Simulatorfahrer ein. Jani hat enorme Erfahrung, war für Audi die beste Wahl, weil er auch in der Entwicklung der Power Unit für das LMP1-Programm von Porsche dabei war. Er hat also Wissen und könnte enorm wichtig dabei sein, alle Ingenieure bei der Entwicklung der Power Unit zu unterstützen. Diese Politik der Trennung der Agenden wollen wir überall aufrechterhalten. Im Moment sind wir in Design und Entwicklung des Audi-Teams also nicht involviert. Wir haben unseren Job. Der besteht darin, das beste Chassis aufzustellen. Und wir wissen, dass diese Aufgabe riesig und der Pfad vor uns sehr lang ist.

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