50 Länderspiele.

Als erst vierter Teamchef in der Geschichte des österreichischen Nationalteams durchbricht Marcel Koller diese Schallmauer – als erst dritter nach Hugo Meisl und Herbert Prohaska bewältigt er diese Distanz in einem Stück, Josef Hickersberger benötigte bekanntlich zwei Anläufe.

Dass dieses durchaus geschichtsträchtige Jubiläum im Vorfeld des Showdowns in Irland im öffentlichen Diskurs maximal eine Nebenrolle spielte, zeigt, dass es in Dublin um Wichtigeres geht als nette Randaspekte.

50 Länderspiele unter Marcel Koller – das war und ist eine für den ÖFB bewegte und denkwürdige Ära. Alleine die Bestellung des Schweizers bedeutete eine Zeitenwende, eine Zäsur, eine Abkehr von heimischen Seilschaften und der schlechten Eigenschaft, im eigenen Saft zu braten.

Etwas verknappt lassen sich die sechs Koller-Jahre im Schnelldurchlauf wiefolgt zusammenfassen: In seinen ersten beiden Vertragsjahren erfolgte die Saat, in den zweiten beiden Vertragsjahren die Ernte, in der dritten Phase seiner Amtszeit fror er diese Ernte ein und taute sie spät (zu spät?) wieder auf.

Das Fragezeichen ist angebracht, denn wie die Irland-Partie endet, wissen wir alle nicht. Dass es in Dublin auch um den Job des Teamchefs geht, ist aber nicht wirklich von der Hand zu weisen – dies deutet er schließlich auch selbst mehr oder weniger eindeutig an.

Man kann Koller im Vorfeld des Anpfiffs zu Gute halten, dass er fest entschlossen um seinen Arbeitsplatz und somit auch gegen ein viel zu frühes Platzen des WM-Traums kämpft.

Der 56-Jährige hat einen schwierigen Lehrgang gut moderiert. Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass er sich wieder in jener Normalform aus den „guten Jahren“ befindet, die er zwischenzeitlich schmerzlich vermissen ließ.

Über Saat und Ernte bishin zur Quali für die EURO wurde genug geschrieben, bleiben wir also beim Bild des Einfrierens und Auftauens.

Dass sich Österreich im Länderspiel-Jahr 2016 nicht weiterentwickelte, war zu einem guten Teil ein Versäumnis Kollers. Die Weiterentwicklung wurde auf Eis gelegt. Anstatt in Zeiten des Erfolgs neue Akzente zu setzen, hieß das Motto eher "more of the same" – so weit, so schlecht, auf diese Analyse kann man sich tendenziell einigen, diese Kritikpunkte kamen schließlich auch von innen.

Gerade im völlig verkorksten Quali-Herbst wirkte Koller nach der EM-Pleite wie in einer Schockstarre. Die taktische Innovation blieb völlig aus, die einzig wirkliche personelle Innovation (Linksverteidiger) war erzwungen, die Antworten zielten ins Leere.

Die monatelange Nachdenkpause über den Winter verfehlte ihre Wirkung indessen nicht. Schon beim Länderspiel-Doppel im März setzte Koller mit neuem System und verstärktem Konkurrenzkampf (beides schon länger geäußerte öffentliche Forderungen) endlich frische Akzente wie sie nach langjähriger Zusammenarbeit inklusive der Gefahr von Abnützungserscheinungen nunmal von Zeit zu Zeit notwendig sind.

Mit seinem viel zitierten Weckruf vor dem Irland-Spiel setzte er die Neuerfindung in eigener Sache munter fort. Ob die erstmalige öffentliche Schelte an seinen Schützlingen wirklich notwendig oder nur eine gezielte Inszenierung war, werden Betreuerstab und Spieler wissen – ihre Wirkung verfehlt hat sie offenkundig nicht.

Der Lehrgang vor der Abreise nach Dublin war ein langer und angesichts der explosiven Stimmung im Vorfeld – nicht zuletzt wegen des Koller-Ausbruchs – gespickt mit Fallen, in die der Eidgenosse jedoch nicht getappt ist.

Die interne Stimmung kippte nach dem Weckruf dem Vernehmen nach nicht (auch dank der in der Folge notwendigen Dosis Zuckerbrot von Koller für seine Spieler). Das Ziel, dass niemand so wirklich genau weiß, was er im Aviva Stadium taktisch und personell im Schilde führt, ging ebenfalls auf – ein Resultat der Innovationsbereitschaft im März.

Und zu guter Letzt sorgten die zahlreichen neuen Gesichter für frischen Wind, indem sie die arrivierten Akteure spüren ließen, dass ihre Nominierung keine Eintagsfliege bleiben soll. Für die vielen gesperrten und verletzten Spieler kann Koller nichts, aber es gelang ihm, die ungute Personallage zu einer Art Vorteil umzumünzen. Jammerei über die Ausfälle? Fehlanzeige. „Chance“ hieß das Modewort.

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Ein gut moderierter Lehrgang garantiert kein erfolgreiches Spiel. Das ist ein Faktum. Aber eine gute Vorbereitung erhöht zumindest die Hoffnung, dass die Wahrscheinlichkeit auf Selbstfaller wie im Herbst gesunken ist – damals war die ÖFB-interne Lähmung vor, während und nach den jeweiligen Camps gerade zu greifbar. Dieses ungute Gefühl fehlt derzeit Gott sei Dank.

Oder wie es Koller trotz des oftmaligen Hinweises auf die starke Vorbereitung ausdrückt: „Vielleicht ist Irland glücklicher und wird gewinnen. Vielleicht sind wir glücklicher und werden gewinnen, das wissen wir noch nicht. Aber wir wissen, dass wir liefern sollten.“

Man darf durchaus hoffen, dass die ÖFB-Erneuerung nicht zu spät eingesetzt hat, der Druck nicht schon zu groß ist und diverse Abgesänge zu voreilig gesungen wurden.

Zu 50. Geburtstagen stößt man gerne „auf die nächsten 50 Jahre“ an. Weitere 50 Länderspiele unter Marcel Koller wird es zu 99,9 Prozent nicht geben. Meine Prognose lautet, dass seine Amtszeit so oder so mit dieser Kampagne endet, also auch im Falle einer Teilnahme an der WM.

Dass er es sich verdienen würde, den bestmöglichen Abschied zu bekommen, steht ohnehin außer Frage. Wichtig wäre aber vor allem, dass er noch (um einiges) mehr als dieses eine Länderspiel bestreiten darf, sprich Österreich mit Punkten im Gepäck zurück nach Wien reist.

Dies wäre wohl im Sinne aller Beteiligten kein Fehler – der Spieler, der Betreuer, der Fans, der Öffentlichkeit, der Entscheidungsträger im ÖFB, der Möchtegern-Entscheidungsträger im ÖFB (okay, ich korrigiere auf fast alle Möchtegern-Entscheidungsträger) und nicht zuletzt Koller selbst.

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