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Kultur der Unkritik

Würde das Kind öfter beim Namen genannt werden, wäre es Balsam für die Seele der Fans.

Kultur der Unkritik

"Besser kann man auswärts nicht Fußball spielen", gab Sturm-Trainer Franco Foda nach der 0:1-Niederlage seiner Mannschaft in Mattersburg zu Protokoll. Von einer "Top-Leistung" und "irrsinnig gutem Fußball" erzählte Rapid-Übungsleiter Zoki Barisic im Anschluss an das 0:0 beim Abstiegskandidaten Altach. Und generell fällt in der Liga immer öfter auf, dass noch so dürftige Vorstellungen in der Nachbetrachtung von den Verantwortlichen an der Linie – höflich formuliert – "differenziert" gesehen werden.

Natürlich ist es so, dass nicht in jedem Fall ein schlechtes Ergebnis mit einer ausschließlich schlechten Leistung einhergeht. Aber das reflexartige "wir waren eh so gut, es hat nur ein bisschen Glück im Abschluss gefehlt"-Gerede nervt mittlerweile schon ganz gehörig. Den Vorwurf der Schönrederei kann man einigen Protagonisten wirklich kaum noch ersparen. Dass die Fans - wie im Fall von Sturm - vor allem nach wochenlanger Schonkost, die sie von den Rängen verfolgen mussten, auf solche Aussagen dann eher ungehalten reagieren, verwundert nicht weiter.

Kein Mensch verlangt, dass Trainer oder Sportdirektoren öffentlich ihre Mannschaft abwatschen oder über die Maßen kritisieren. Niemand sagt, es sollen vor der Kamera Trainerdiskussionen gestartet werden. Aber dieser um sich greifende Vernebelungs- und Schönfärbersprech nimmt dem Produkt Ö-Bundesliga die Authentizität. Sinnvoll angebrachte Kritik, auch an der eigenen Leistung als Team, wäre durchaus erfrischend und man könnte den einen oder anderen Pluspunkt bei den Fans sammeln. Konstruktive Kritik kann außerdem positive Impulse geben und schädigt keineswegs das Produkt Fußball in Österreich, wie so mancher Manager irrtümlich meint.

"Wie das viele Vereine oft handhaben, führt einen zum Querverweis zur Politik, wo dieses Glaubwürdigkeitsproblem längst virulent ist. Da wird dann ein Zaun an der Grenze zu einer Tür mit Seitenteilen. Zu Recht fühlen sich die Empfänger dieser Botschaft verarscht."

Die angesprochene Authentizität ist ein wichtiges Stichwort: Diese geht einher mit Glaubwürdigkeit und davon hängt es ab, ob ein Durchhänger vom Umfeld akzeptiert und begleitet wird oder ob sich die Fans resigniert abwenden und die Stimmung in Ablehnung kippt. Wie das viele Vereine oft handhaben, führt einen zum Querverweis zur Politik, wo dieses Glaubwürdigkeitsproblem längst virulent ist. Da wird dann ein Zaun an der Grenze zu einer Tür mit Seitenteilen. Zu Recht fühlen sich die Empfänger dieser Botschaft verarscht. Genauso verhält es sich für Fans einer Mannschaft, die in zwölf Runden elf Punkte geholt hat, und die Verantwortlichen reden von guten Spielen, Fortschritt und Zufriedenheit. Dass beim SK Sturm die Anti-Foda-Transparente mehr werden ist angesichts dessen nicht verwunderlich.

Ein "es läuft gerade nicht, wir tun unser Bestes aber die aktuelle Performance reicht nicht. Wir wissen das" wäre äußerst erfrischend und würde außerdem dem Klub ein wenig Credibility zurückgeben. Außerdem würde helfen, auf Kritik nicht immer nur beleidigt und angriffig zu reagieren. Hinsichtlich medialem Gegenwind ist in Österreich ohnehin nur ein laues Lüftchen zu spüren. Profis, die einen Job gewählt haben, wo sie der öffentlichen Beurteilung ausgesetzt sind, müssen das aushalten, auch wenn die eine oder andere Frage vielleicht manchmal nervt. Das sind sie, vor allem dann wenn es nicht so gut läuft, den Fans schuldig.

Nicht zuletzt hat sich diese "Kritikkultur" auch aufgrund der hiesigen "lauen" Medienlandschaft nie wirklich entwickeln können und auch Leute, die von außen nach Österreich kommen, nehmen den Status Quo schnell und gerne an. Ist ja nicht schwer, wenn einem die Mehrheit der Journalisten, vor allem von den großen, einflussreichen Medien, die Plattitüden und Stehsätze immer durchgehen lassen, ohne sie groß zu hinterfragen. Ein Dauerzustand der "Unkritik" ohne jegliche Substanz in der Debatte ist unter dem Strich das Ergebnis.

 

Jürgen Pucher war Gründungsmitglied der Plattform „sturm12.at“ und hat dort über Jahre hinweg mit seiner Kolumne „12 Meter“ die Diskussionen rund um den Grazer Verein und den österreichischen Fußball extrem bereichert. Nun beschäftigt er sich als Betreiber der Podcast-Plattform "blackfm.at" mit den Geschehnissen bei den Schwarz-Weißen. Bei LAOLA1 verfasst er in regelmäßigen Abständen Gastkommentare zum Geschehen im heimischen Kick.

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