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Unschuldig an Austrias Misere ist niemand

Alle! Fink, Fans, Team und Verein tragen alle ihren Teil dazu bei.

Unschuldig an Austrias Misere ist niemand

Vorneweg: Die Austria ist auf Kurs. Sie steht nach 28 Runden auf dem angepeilten dritten Platz und hat gemütliche sieben Zähler Vorsprung auf die Admira. Zudem haben die Veilchen 13 Punkte mehr auf dem Konto als zum selben Zeitpunkt der Vorsaison, als sie nur Siebenter war. Die Stimmung ist trotzdem im Keller.

Die Fans machen keinen Hehl daraus, von den Leistungen enttäuscht zu sein, die Mannschaft ist sauer auf ihre Anhänger und Trainer Thorsten Fink reagiert äußerst unwirsch auf Kritik von außen. Unschuldig an der Misere ist niemand – nicht die Fans, nicht die Mannschaft, nicht der Trainer, nicht der Verein. Jeder hat in den vergangenen Monaten etwas zur angespannten Lage am Verteilerkreis beigetragen.

Das Spiel unter Fink ist auf Ballbesitz ausgelegt. Anstatt in der Offensive Risiko zu nehmen, wird lieber einmal mehr zurückgespielt, um den Ball zu halten. Die Anhängerschaft – zumindest ein nicht zu überhörender Teil davon – quittiert diese Spielweise mit Pfiffen und „Viere“-Schreien. „Ich weiß, dass die Ansprüche bei einer Austria sehr hoch sind. Man möchte daheim einfach immer gerne ein 2:0, 3:0 sehen – dass du dabei extrem attraktiv spielst und sieben Hochkaräter herausspielst – doch diese Zeiten sind vorbei. Wir schicken keine Mannschaft mehr mit vier, fünf Trümmern nach Hause“, sagt Alexander Gorgon, „uns fehlt die hundertprozentige Unterstützung von den Rängen – und das sage ich im Namen der Mannschaft.“

Doch woher rühren die hohen Ansprüche des FAK-Fans? Zwei Mal in Folge wurde der Europacup verpasst, punktemäßig stehen die Veilchen viel besser da als in den vergangenen beiden Jahren. Unmutsäußerungen sind nichts Neues in Wien-Favoriten. In der Vergangenheit waren sie aber eindeutiger adressiert – es wurden die Ablösen von Trainer Nenad Bjelica bzw. Gerald Baumgartner gefordert. Coach Fink wurde von den Fans hingegen nie offen attackiert. Nichtsdestoweniger nimmt auch er die Pfiffe persönlich, ist es doch die von ihm implementierte Spielweise, die die Kritik hervorruft. Das für die Austria typische „in Schönheit sterben“ gehört seit der Übernahme des Deutschen der Vergangenheit an. Das ist per se nicht negativ, und der tabellarische Erfolg gibt ihm durchaus Recht.

Allerdings rührt die gute Tabellenposition in erster Linie von den Auswärtsspielen her. Die Veilchen haben als einziges Team mehr Punkte in der Fremde (24) gesammelt als daheim. 23 Punkte stehen nach 14 Heimpartien zu Buche – zum Vergleich: 2014/15 waren es 22, 2013/14 waren es 23. Dieser Faktor ist nicht zu unterschätzen. Der Großteil der Fans sieht die guten Vorstellungen in den anderen Stadien maximal im TV, bei den Heimspielen bekommen sie vor Ort oft nur Schmalkost geboten.

Gut möglich auch, dass die pfeifenden Fans in den vergangenen Wochen das Gefühl haben, der Mannschaft auf diese Art und Weise mitzuteilen, dass die gebotene Leistung zu wenig ist, weil das sonst niemand tut. Kritische Worte der eigenen Mannschaft gegenüber sind von Fink in der Öffentlichkeit nämlich nie zu hören, regelmäßig äußert er seine grundsätzliche Zufriedenheit mit dem Gezeigten. „Wenn Sie noch besseren Fußball sehen wollen, gehen Sie in ein anderes Stadion“, antwortete er nach dem 0:0 gegen den WAC auf die kritische Nachfrage eines Journalisten.


Dann wäre da noch ein Problem, das in Wien-Favoriten schon vor Jahren seinen Anfang genommen hat, und Einfluss auf die aktuelle Situation nimmt. Seit dem Platzsturm beim Europacupspiel gegen Athletic Bilbao im Dezember 2009 haben in der violetten Fanszene radikale Umwälzungen stattgefunden.

Auf jedes Detail einzugehen, würde den Rahmen sprengen, daher eine Kurzfassung ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Die Fanarbeit des Vereins wurde weitgehend ein- bzw. umgestellt, in der einst so heterogenen Szene kristallisierte sich mit den „Fanatics“ erstmals eine Ultra-Gruppierung mit klarem Führungsanspruch heraus, rechtsradikale Elemente nutzten die Osttribüne als Spielwiese, das wiederum führte zum Bruch in der Fanszene, die sich nur zum Teil von neonazistischen Umtrieben distanzieren konnte bzw. wollte, alteingesessene Fans wanderten auf die Sitzplatztribünen ab, der Verein fuhr indes einen beinharten Kurs gegen die verbleibenden Fans auf der Osttribüne.

Das Ergebnis: Die Szene ist zerrüttet und nur noch in Brocken vorhanden, die einst so stolze Osttribüne bietet ein trauriges Bild, vom organisierten Support ist nicht mehr viel übrig. Man kann lange über diverse Schritte des Vereins diskutieren, viele davon waren sicher richtig und notwendig. Fakt ist aber auch, dass der Austria-Vorstand nicht viel dafür getan hat, die Fast-Auflösung der Szene, die ihrerseits in den vergangenen Jahren auch nicht gerade schlau agiert und immer wieder Eskalation erzwungen hat, zu verhindern. Die schlechte Stimmung bei den Heimspielen kann auch damit begründet werden. Wenn der Lautstärkepegel in der Generali Arena jenen der Zeit vor dem Bruch der Fanszene erreichen würde, wären die Pfiffe und Unmutsäußerungen einfach nicht so deutlich zu vernehmen. Ob und wann sich die Lage im harten Kern der Anhängerschaft normalisiert, ist nicht abzusehen.

In naher Zukunft, nämlich ab Sommer, warten jedenfalls zwei Jahre im Happel-Stadion. Bei einem aktuellen Zuschauerschnitt von 7.155 – das sind übrigens 25 Prozent weniger als in der Meistersaison 2012/13 – sind aber de facto Geisterspiele zu erwarten. Keine schönen Aussichten. Vier Heimspiele bleiben allen Beteiligten noch, um die aktuelle Lage zu entspannen.

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