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Vorbild Schweiz: Es geht auch ohne Landesfürsten

In der Schweiz laufen Teamchef-Entscheidungen anders ab. So funktioniert's:

Vorbild Schweiz: Es geht auch ohne Landesfürsten Foto: © GEPA

Jene 13 Männer, die im ÖFB-Präsidium über die Zukunft des österreichischen Fußballs bestimmen und ihn damit in den vergangenen Tagen gefühlt eher um einige Jahre zurück in die Vergangenheit katapultiert haben, stehen arg in der Kritik.

Der ÖFB-Präsident Leo Windtner, teilentmachtet und hilflos wirkend, die neun „Landesfürsten“, teils völlig jenseitig, teils zumindest mit seltsamem Gebaren, und die drei Vertreter der Bundesliga, die sich diesmal auch nicht mit Ruhm bekleckert haben.

„Dass die neun Landespräsidenten Einfluss haben, ist gesetztes Recht. […] Das ist nicht eine Frage der Kompetenz, sondern des Rechts“, hatte ÖFB-Boss Windtner nach der Bestellung Peter Schöttels als ÖFB-Sportdirektor erklärt.

Doch muss das so sein? Nein! Es gibt durchaus andere Wege, um die zwei wichtigsten Posten eines Fußball-Landes zu besetzen. Die Schweiz, immer wieder als fußballerisches Vorbild genannt, zeigt es vor.

Marco von Ah, Medienchef des Schweizerischen Fußballverbands (SFV), sagt: „Bei uns klappt das wunderbar. Ich bin schon seit zehn Jahren dabei, habe einige Diskussionen mitbekommen – die Diskussionen werden immer sehr sachlich geführt, es wird nachvollziehbar argumentiert.“

Obwohl nur einige Kilometer weiter westlich, klingt diese Beschreibung wie aus einer völlig anderen Welt, angesichts der vergangenen Tage, in denen sich die ÖFB-Granden praktisch stündlich widersprochen, der Lächerlichkeit preisgegeben und jeglichen Kredit in der öffentlichen Wahrnehmung verspielt haben.

Doch wie machen die das, die Schweizer? Im SFV hat der Zentralvorstand das Sagen. Während das ÖFB-Präsidium insgesamt 18 Personen (17 Männer und 1 Frau) – 13 davon sind stimmberechtigt – umfasst, ist der Schweizer Zentralvorstand schlanker konzeptioniert: 13 Personen sind Mitglieder, sieben von ihnen dürfen bei Entscheidungen abstimmen.

VIDEO: Le Schladi kandidiert als Landesfürst!

(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)


Neben dem Verbands-Präsidenten handelt es sich bei den stimmberechtigten Personen um die drei Abteilungs-Präsidenten und je ein weiteres Mitglied der drei Abteilungen.

Die Abteilungen:

  • Swiss Football League – Die beiden höchsten Spielklassen des Landes, also der Profi-Fußball
  • Erste Liga – Die Verbindungsliga zwischen Amateur-Fußball und (Halb-)Profi-Fußball
  • Die Amateurliga – Alle Spielklassen darunter, sie sind in 13 Regionalverbände aufgeteilt

Die drei Abteilungspräsidenten werden jeweils von den Abteilungen gewählt. „Diese drei Abteilungen sind ziemlich autonom, haben auch ihre Jahresversammlungen, wo die Mitglieder Wahlvorschläge bekommen“, erklärt von Ah.

Den Verbands-Präsidenten und die drei weiteren stimmberechtigten Mitglieder der drei Abteilungen („de facto die Vizepräsidenten) wählt wiederum die Delegiertenversammlung. Wenn man so will, das Fußball-Volk direkt. Die Swiss Football League entsendet 28 Delegierte, die Erste Liga 26 und die Amateurliga 47.

„Dieses System ist historisch gewachsen und gefestigt, das ist bei uns schon seit Jahrzehnten so“, sagt der SFV Medienchef.

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Geht es um die Bestellung des Teamchef und des Technischen Direktors, praktisch der Sportdirektor, läuft nichts ohne die Swiss Football League. „Sie hat ein Vorschlagsrecht. Ohne das Einverständnis der Profi-Liga kann der Teamchef eigentlich nicht bestellt werden“, erklärt von Ah.

Als Vladimir Petkovic im Sommer 2014 zum neuen Trainer der Nati bestimmt wurde, sei das so abgelaufen: „Die Swiss Football League hat Marcel Koller favorisiert, er wollte aber beim ÖFB bleiben. Weil man damit rechnen musste, gab es aber schon einen Plan B – Vladimir Petkovic. Das ging alles relativ schlank über die Bühne.“

Nachsatz: „Bis man beim Zentralvorstand ist, sind alle schon sehr gut informiert und die Meinungen schon ziemlich gemacht. Da geht es dann eher nur noch um Vollzugsmeldungen.“

Ähnlich wie beim ÖFB gibt es jedoch auch eine „Trainerfindungs-Kommission“. „Sie führt entsprechende Gespräche und bringt alles sehr effizient auf den Tisch. Wer in der Trainerfindungs-Kommission sitzt, hängt davon ab, wie die Ämter bestellt sind – der Präsident, der Generalsekretär, die Abteilungspräsidenten. Das sind die Leute, die dann auch wirklich in der Verantwortung sind“, führt der Medienchef aus.

ÖFB: Änderungen möglich, aber unwahrscheinlich

Auch der ÖFB hat die Möglichkeit, von seinem aktuellen System abzuweichen. Dafür sind Änderungen der Satzungen nötig. Um solche zu beschließen, bedarf es einer Bundeshauptversammlung.

Alle vier Jahre muss der ÖFB eine ordentliche Bundeshauptversammlung einberufen, nachdem im Juni 2017 die bisher letzte über die Bühne gegangen ist, findet die nächste im Frühjahr 2021 statt.

Stimmberechtigt sind dort die neun Landesverbände mit jeweils einer Stimme und die Bundesliga mit vier Stimmen. Um Satzungen zu ändern, ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig, also zehn Stimmen.

Wenn die Bundesliga geschlossen für eine Änderung der Satzung stimmt, müssen also sechs Landesverbände mitziehen. Dreieinhalb Jahre wäre also Zeit, um sechs Landesfürsten davon zu überzeugen, die Zügel aus der Hand zu geben, wenn es um das österreichische Nationalteam geht.

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