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Das ÖFB-Verwirrspiel in Sachen System

Dreier- oder Viererkette? Das ist derzeit eine gute Frage:

Das ÖFB-Verwirrspiel in Sachen System

Dreierkette oder Viererkette? Das ist hier die Frage.

Das größte ÖFB-Betriebsgeheimnis im Vorfeld des Gastspiels in Irland ist, mit welchem System Teamchef Marcel Koller seine Startelf auf das Feld schicken wird.

Die offizielle Sprachregelung lautet in etwa: Beide Systeme haben ihre Vorteile, Variabilität ist im modernen Fußball wichtig, am Ende entscheidet der Trainer.

"Es wird für den irischen Teamchef Martin O'Neill sicherlich schwer sein, seine Mannschaft darauf einzustellen, wie wir spielen. Es ist auch für die Öffentlichkeit in Österreich schwer vorherzusagen. Spielen wir 3-4-3? Spielen wir mit Viererkette?", gefällt Sportdirektor Willi Ruttensteiner dieses Verwirrspiel.

Auch Aleksandar Dragovic meint: "Für den irischen Trainer gibt es ein paar Fragezeichen. Die Iren wissen sicherlich nicht, wie wir spielen. Ich weiß es auch noch nicht."

Auch die Iren wollen verwirren

Nun ist dieses Verwirrspiel kein Geniestreich, sondern eine Gepflogenheit. Die Forderung an Koller, ein zweites System dazuzunehmen, auch um den Kontrahenten im Vorfeld ein wenig mehr rätseln zu lassen, stand schon länger im Raum.

Ein Spielchen, das auch die Iren beherrschen. "Im Testspiel gegen Mexiko hat Irland auf einmal auch mit einer Dreierkette gespielt. Das macht O'Neill unter Umständen auch, weil er etwas verwirren will", betont Ruttensteiner, der am Sonntag vor Ort beobachten konnte, wie O'Neill beim 3:1 gegen Uruguay wieder auf eine Viererkette setzte.

Der ÖFB-Sportchef ist jedenfalls glücklich, dass nun auch hierzulande Variabilität Trumpf ist: "Teamchef Koller hat die Mannschaft in der taktischen Flexibilität weiterentwickelt, und das gefällt mir besonders. Wir versuchen, die Spieler auch bei den Nachwuchs-Nationalmannschaften von der U21 bis runter ähnlich vorzubereiten."

Besagte Weiterentwicklung ist eine Errungenschaft des Jahres 2017. In den fünf Jahren seiner Amtszeit zuvor setzte Koller - das Dreierketten-Experiment bei der EURO gegen Island ausgenommen - stets auf ein System mit Viererkette.

"Ein starres System war es bei uns in den letzten Jahren trotzdem nicht", wehrt sich Ruttensteiner gegen diesen Vorwurf, "denn wir haben in unserer Spielphilosophie immer verschiedene Grundsysteme gehabt: 4-2-3-1, 4-1-4-1 oder 4-3-3 - je nachdem ob mit einem Sechser oder zwei Sechsern, das ist eigentlich immer flexibel gewesen. Ein zweites System hinzuzufügen, finde ich gut. Es verändern sich die Spielanlage und die Anforderungen an die Spieler. Man kann immer nur das spielen, wofür man die Spieler hat. Die Kunst in der Vorbereitung ist jetzt für den Trainer: Was ist das Effektivste? Wie ordne ich die Spieler an?"

Dreierkette eine "extreme Trainingssache"

Vieles spricht für eine Dreierkette in Dublin. Diesbezüglich könnte vor allem die ungewöhnlich lange Vorbereitung auf das Irland-Spiel ein großer Vorteil sein.

"Die Dreierkette ist eine extreme Trainingssache", weiß Martin Hinteregger, "das Wichtigste ist, dass du viele Trainingseinheiten hast. Jeder Innenverteidiger kennt fast nur die Viererkette, das haben wir von kleinauf gelernt. Die Dreierkette ist dann doch etwas anders."


Das sagt Kevin Danso zu seinem ÖFB-Debüt:

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)


Der Augsburg-Legionär hat beim Verein Erfahrungen in dieser Anordnung gesammelt, auch Sebastian Prödl kennt sie vom FC Watford bestens. Generell findet Hinteregger die gestiegene Flexibilität sehr gut: "Es ist ein zusätzlicher Plan, den wir in der Hinterhand haben. Ich denke, dass es von Spiel zu Spiel besser wird. Gut ist, dass Basti sie schon gewöhnt ist. Mit ihm haben wir einen richtig Erfahrenen in der Dreierkette."

Bei den März-Länderspielen gegen Moldawien und Finnland konnte man beobachten, dass die Gewöhnung an ein neues System nicht von heute auf morgen funktioniert.

In der Quali-Partie gegen Moldawien packte Koller erstmals seit dem Island-Match die Dreierkette aus. Der in dieser Begegnung gesperrte Julian Baumgartlinger betrachtete diesen Gehversuch als "positiv".

Von außen sei immer wieder thematisiert worden, dass dieser Schritt an der Zeit sei: "Das ist über allem ein bisschen drübergeschwebt. Für die Mannschaft war es nicht einfach, damit umzugehen, aber sie hat es echt gut gemacht, auch wenn das 1:0 sehr spät gefallen ist. Die Aufgabe wurde erledigt, es waren gute Elemente dabei."

Ein Gedankenspiel

Weniger gut gemacht hat es die ÖFB-Elf in der ersten Halbzeit gegen Finnland, als wenig zusammenlief, und Koller - gleich wie gegen Island - nach der Pause zurück auf die Viererkette geswitcht hat.

Die Flexibilität, während eines Spiels das System zu wechseln, ist im internationalen Fußball längst keine Seltenheit mehr. Auch im ÖFB-Kader stehen diverse variabel einsetzbare Spieler. Manchmal erwischt es einen auch nicht unbedingt auf der Wunschposition. Gegen Finnland musste etwa Hinteregger in der zweiten Halbzeit als Linksverteidiger ran.

Dieses Experiment ermöglicht aber immerhin folgendes Gedankenspiel: Folgende mögliche Startelf mit Dreierkette - Lindner; Dragovic, Prödl, Hinteregger; Lazaro, Baumgartlinger, Junuzovic, Alaba; Harnik, Janko, Burgstaller - könnte man so gesehen auch mit Viererkette anordnen: Lindner; Lazaro, Prödl, Dragovic, Hinteregger; Baumgartlinger, Alaba; Harnik, Junuzovic, Burgstaller; Janko.

"Bereit wäre ich. Wieso nicht? Ich bin froh, dass ich überhaupt wo spiele", grinst Hinteregger bei der Frage, ob er sich erneut die Rolle als Linksverteidiger vorstellen könnte, wohlwissend welche körperlichen Schmerzen ihm die Halbzeit gegen Finnland bereitet hat und dass mit Marko Arnautovic der gewohnte Vordermann diesmal fehlt: "Ich war richtig ausgepumpt. Mit Marko waren diese 45 Minuten schön zu spielen, weil er richtig viel Qualität hat. Ob es in Zukunft auch eine Option ist, weiß ich nicht."

Achillesferse Linksverteidiger

Es wäre tendenziell ohnehin keine Idealvariante, aber ausschließen kann man derzeit kaum etwas. Denn darüber, dass die Position des Linksverteidigers in einer Viererkette die Achillesferse des ÖFB-Kaders ist, weiß auch der Augsburg-Legionär Bescheid: "Wenn zwei zurücktreten und Andreas Ulmer auch nicht dabei ist, wird es schon eng."

Die Dreierketten-Überlegungen haben wohl erst durch diese Umstände so richtig Fahrt aufgenommen: Der jahrelang gesetzte Christian Fuchs und sein treuer Backup Markus Suttner haben ihre ÖFB-Karrieren beendet. Die Causa Ulmer fällt unter die Kategorie Theater. Das Experiment mit Kevin Wimmer hat nicht funktioniert. Stefan Stangl steht zwar im Kader, hat aber im Verein wenig Spielpraxis und kaum Länderspiel-Erfahrung.

Und über die Akte David Alaba wurde in dieser Angelegenheit schon genügend diskutiert und geschrieben - während der Bayern-Star bei der Dreierkette gegen Moldawien ohne zu murren die Rolle auf der linken Seite übernommen hat, gilt bei der Viererkette bis zum offiziellen Widerruf der Stand, dass Koller ihn und er sich selbst im zentralen Mittelfeld als besser aufgehoben betrachtet.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Rechtsverteidiger Stefan Lainer in Salzburg hin und wieder auf links ausgeholfen hat und mit Valentino Lazaro und Florian Klein zwei weitere Alternativen auf rechts im Kader stehen.

Ruttensteiner sieht auch links Möglichkeiten

Während Ruttensteiner angesprochen auf die Außenverteidiger-Situation bezüglich der rechten Seite ins Schwärmen gerät, weicht er die Linksverteidiger-Position betreffend eher aus:

"Ich sehe auch dort Möglichkeiten. Der Teamchef hat ja einiges ausprobiert, wenn man hingeschaut hat. Wofür er sich letztendlich entscheidet, ist Sache des Trainers. Es ist immer die Frage: Wie legt man das Spiel an und wer interpretiert dann diese Position? Ich denke schon, dass wir Alternativen haben, aber da möchte ich nichts vorwegnehmen."

Worte, die gut zum Verwirrspiel und zur Geheimniskrämerei passen.




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