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Sebastian Prödl: Die Serie A im Hinterkopf

Sebastian Prödl: Vereins-Pläne, Nebenschauplätze im Fußball und ÖFB-To-Dos.

Sebastian Prödl: Die Serie A im Hinterkopf Foto: © GEPA

Seit bald zehn Jahren darf sich Sebastian Prödl ÖFB-Legionär nennen - erst bei Werder Bremen in der deutschen Bundesliga, seit 2015 beim FC Watford in der Premier League.

Im englischen Fußball-Schlaraffenland möchte der Innenverteidiger auch noch so lange wie möglich seinen Mann stehen. Als interessante Alternative nennt der Steirer die Serie A.

Ein Wechsel nach Italien würde eine Auslands-Karriere abrunden, deren Anfang von Franco Foda gefördert wurde, unter dessen Anleitung sich der 30-Jährige einst beim SK Sturm Graz im Profi-Geschäft etabliert hat.

Ein LAOLA1-Interview über das Wiedersehen mit dem freundschaftlichen Wegbegleiter als Chef, dessen To-Dos im Nationalteam, drohendes Desinteresse am Fußball und die Entwicklung im Laufe einer zehnjährigen Legionärs-Laufbahn.

LAOLA1: Du spielst seit bald zehn Jahren im Ausland. Wenn du den Sebastian Prödl von 2008 mit jenem 2018 vergleichst, wo sind die größten Unterschiede?

Sebastian Prödl: Ich habe jetzt sicher acht bis zehn Kilo mehr (lacht). Muskelmasse natürlich! Physisch bin ich ganz sicher auf einem anderen Niveau. Ich bin reifer, erfahrener, kann Situationen besser einschätzen, Niederlagen und Tiefschläge besser wegstecken, bin ruhiger und orientiere mich mehr an meinen Zielsetzungen als an irgendwelchen Randerscheinungen wie positiver oder negativer Kritik in Medien. Das kann ich von mir fernhalten und weiß, wie ich zu meiner Leistung komme, ohne mich ablenken zu lassen. Diese Saison in Watford ist ein gutes Beispiel. Der Trainer, der bis Jänner hier war, hat nicht voll auf mich gebaut. Ich habe mein Ding trotzdem durchgezogen und meine Leistung gebracht, wenn ich gespielt habe.

"Langfristiger Vertrag hin oder her, in der Premier League bist du austauschbar, sobald die Leistung nicht mehr stimmt – egal ob es dem Alter oder der Qualität geschuldet ist."

Sebastian Prödl

LAOLA1: Du hast im Herbst deinen ohnehin noch bis 2020 laufenden Vertrag bei Watford vorzeitig bis 2021 verlängert. Das ist einerseits eine Wertschätzung des Vereins. Zeigt dieses Treuebekenntnis andererseits auch, wie viel dir der Verein inzwischen bedeutet?

Prödl: Auf alle Fälle. Letzte Saison habe ich meinen Anspruch und mein Leistungsniveau noch einmal nach oben gehoben und unterstrichen, dass ich ein Leistungsträger in der Premier League sein kann. Das hat der Verein genauso wahrgenommen und mir relativ früh eine Vertragsverlängerung angeboten, um eventuelle Angebote abzuwehren. Ich weiß nicht, ob es diesbezüglich im Sommer etwas gab, denn ich habe mich ohnehin zu Watford committed. Nicht dass ich alt bin, aber wenn man in meinem Alter noch einmal einen langfristigen Vertrag angeboten bekommt, muss man nicht lange überlegen. Diese Wertschätzung hat mich stolz gemacht.

LAOLA1: Du bist kein Wandervogel. Das heißt, Watford ist ähnlich wie Werder Bremen ein Projekt, bei dem du langfristig denkst?

Prödl: Ich möchte langfristig denken, aber das hängt immer vom Fitnesszustand ab. Langfristiger Vertrag hin oder her, in der Premier League bist du austauschbar, sobald die Leistung nicht mehr stimmt – egal ob es dem Alter oder der Qualität geschuldet ist. Das heißt, dass ich gar nicht zu weit vorausplanen möchte. Das Ziel ist aber auf alle Fälle, so lange wie möglich auf höchstem Niveau zu spielen. Das Höchste ist die Premier League. Es wäre schön, wenn ich hier noch drei Jahre dabei wäre. Ich fühle mich top, bin physisch auf einem Niveau, das mir Mut macht. Wenn mich noch einmal eine andere Liga interessieren würde, dann wäre es Italien. Die Serie A ist eine Liga, die mich reizen würde, sollte ich das Niveau in der Premier League für mich nicht mehr als zumutbar einschätzen.

"Italienischer Fußball ist von meiner Statur und Spielweise her interessant. Von der taktischen Ausrichtung ist es sehr intelligenter Fußball. Ich möchte es nicht als Ziel ausgeben, aber es ist eine Liga, die ich im Hinterkopf habe."

Sebastian Prödl

LAOLA1: Spricht hier auch der Taktik-Freak aus dir?

Prödl: Mir hat es ganz gut gefallen, letzte Saison mit Walter Mazzarri einen italienischen Trainer zu haben. Seine Herangehensweise hat dieses Interesse noch einmal gefüttert. Italienischer Fußball ist von meiner Statur und Spielweise her interessant. Von der taktischen Ausrichtung ist es sehr intelligenter Fußball. Ich möchte es nicht als Ziel ausgeben, aber es ist eine Liga, die ich im Hinterkopf habe.

LAOLA1: Inwiefern haben die zehn Jahre im Ausland auch deinen kritischen Geist bezüglich des Fußball-Geschäfts geschärft? Du hast im vergangenen Sommer scharfe Kritik am „Transfer-Wahnsinn“ geübt.

Prödl: Ich habe diese Aussagen getätigt, aber ich muss mich fast revidieren. Es wird so weiter gehen. Die Lücke zwischen den Top-Gehältern und den normalen Gehältern wird noch weiter auseinander gehen – in der Weltwirtschaft, der normalen Gesellschaft, genau wie im Fußball. Also ich glaube kaum, dass der Fußball in den nächsten zehn Jahren stagnieren wird. Vielleicht bekommen wir irgendwann ein anderes System, weil sich das viele Vereine gar nicht mehr leisten können. Aber aktuell ist dieses Thema Fußball so interessant, dass es fast nur nach oben gehen kann.

LAOLA1: Letzten Sommer hast du befürchtet, dass angesichts der Entwicklungen die Gefahr von Desinteresse am Fußball besteht. Wenn wir den Seitenblick zu Olympia wagen, konnte man bei den Winterspielen schon den Eindruck bekommen, dass es nicht allzu gut ankommt, wenn es nur darum geht, einen neuen Markt zu erschließen und Geld zu scheffeln.

Prödl: Der Fußball an sich wird weiter sehr interessant bleiben. Der echte Fußball! Das Problem sind die Nebenschauplätze. Bei der WM werden wir wieder miterleben, wer sich irgendwo einen Popel aus der Nase zieht. Ich persönlich lese das nicht mehr alles. Mich interessiert nicht mehr, welcher Spieler welche Frisur hat. Das habe ich mit dem drohenden Desinteresse gemeint. In den letzten Jahren hat sich viel geändert. Aktuell scheint bei manchen Spielern wichtiger, welche Frisur angesagt ist. Welchen Trend kann ich setzen, um bekannter zu werden? Leider werden viele Fußballer anders gesehen, wenn sie einen guten Internet-Auftritt haben. Ich habe gar nichts gegen Internet-Auftritte, aber man muss halt authentisch sein. Mir kommt eben vor, das nährt einige Medien zu sehr mit Informationen über die Spieler. Deswegen fürchte ich, dass es in Zukunft ein bisschen uninteressanter werden könnte. Es wird zu viel präsentiert, zu viel geschrieben – im Prinzip zu viel Unwichtiges. Zu viele Nebenschauplätze eben.

LAOLA1: Definitiv interessant ist das Geschehen am Platz beim Nationalteam. Du kennst Teamchef Franco Foda sehr gut. Was glaubst du, sind die ersten Akzente, die er setzen wird?

Prödl: Ich habe das Gefühl, dass er brutal motiviert ist, die Mannschaft auf ein neues Level zu heben. Es ist auch eine große Aufgabe, die Mannschaft neu zu formen. Es hat ein paar Rücktritte und Veränderungen gegeben. Dass er vor zehn Jahren die Qualität hatte, weiß ich. Ich bin mir auch sicher, dass er sich sowohl taktisch als Trainer sowie menschlich weiterentwickelt hat. Deswegen bin ich schon gespannt, was auf uns und auch auf mich zukommt. Ich traue ihm als wissbegierigen Fußballlehrer einiges zu.

"Franco Foda muss das Beste für die Nationalmannschaft herausholen, da können wir auf die Vergangenheit keine Rücksicht nehmen. Ich werde genauso den Konkurrenzkampf annehmen müssen, und in der Innenverteidigung findet vielleicht sogar der größte Konkurrenzkampf in der Nationalmannschaft statt."

Über die Freundschaft zu Franco Foda

LAOLA1: Du hast in einem Interview mit der „Sportzeitung“ gemeint, dass sich zwischen euch nach deinem Abschied von Sturm Graz eine Freundschaft entwickelt hat. Wie viel Austausch hattet ihr in den letzten zehn Jahren? War er eine Art Ratgeber?

Prödl: Damals war ich noch ein junger Bub. Als ich noch bei Sturm gespielt habe, hatten wir viel Austausch. Ich habe ihn vor meinem Wechsel zu Werder Bremen auch in die Entscheidungsfindung miteinbezogen, weil er schon lange im Fußballgeschäft war und einige Vereinswechsel hinter sich hatte. Für mich war es mein erster großer Vereinswechsel. Daraus ist ein Verhältnis entstanden, das sich danach auf freundschaftlicher Ebene weiterentwickelt hat. In den zehn Jahren, die ich weg bin, haben wir uns Nachrichten geschrieben. Er war einer meiner ersten großen Förderer, also haben wir Kontakt gehalten. Als Trainer war er eine große Respektperson. Das ist er weiter. Jetzt gehen wir wieder auf die Ebene Trainer-Spieler zurück, was für uns als Profis sicherlich einfach wird. Denn er muss das Beste für die Nationalmannschaft herausholen, da können wir auf die Vergangenheit keine Rücksicht nehmen. Ich werde genauso den Konkurrenzkampf annehmen müssen, und in der Innenverteidigung findet vielleicht sogar der größte Konkurrenzkampf in der Nationalmannschaft statt. Ich freue mich darauf und bin gespannt, mit welcher Herangehensweise er jeden von uns noch weiterentwickeln will.

LAOLA1: Ein spannendes Thema in diesem Länderspiel-Jahr wird die Adaption der teaminternen Hierarchie sein. Mit Martin Harnik und Zlatko Junuzovic fallen zwei Führungsspieler weg, die auch als Sprachrohr nach außen Verantwortung übernommen haben. Bei Marc Janko ist noch unklar, ob er noch einmal dabei sein wird. Welche Spieler sind gefordert, dass sie auf diesem Gebiet nachrücken?

Prödl: Alle sind gefordert. Es gibt immer ein paar Spieler, die die Qualität haben, eine Mannschaft zu führen und zusammenzuhalten. Man kann nur nicht im Vorhinein sagen, wer das ist. Das kristallisiert sich heraus. Es gibt natürlich Spieler, die Verantwortung übernehmen wollen. Es gibt auch Spieler, denen man mehr Verantwortung geben muss, damit sie sich weiterentwickeln. Das habe ich in den vergangenen zehn Jahren mitbekommen, dass du manche Spieler mehr einbinden musst, um ihre Persönlichkeit am und neben dem Platz zu stärken. Das wird eine wichtige Aufgabe sein. Dafür haben wir jetzt ein bisschen Zeit. Es wird auch das Feedback von uns Spielern wichtig sein, die länger dabei sind. Wir müssen einen guten Austausch haben, wer diese Positionen einnimmt. Aber es geht nicht nur um die Rolle neben dem Platz, sondern auch auf dem Platz. Wenn ein junger Spieler kommt und am Platz ein Leitwolf ist, gibt es keine Altersgrenze oder Länderspiel-Anzahl, die das entscheidet. Da geht es nur um die Persönlichkeiten, die dazu bereit sind. Es muss immer vier, fünf Spieler geben, die den Rat bilden, Sprachrohre sind oder sich mit dem Trainer über Entscheidungen kurzschließen. Es wird eine spannende Aufgabe für den Trainer, da eine Gruppe herauszunehmen, weil sie in Zukunft andere Gesichter beinhalten wird.

LAOLA1: Du gehörst schon länger zu dieser Gruppe. Bist du in Zukunft in dieser Rolle noch mehr gefordert, da einige Routiniers wegfallen?

Prödl: Das kann ich vor dem Lehrgang nicht beantworten, weil ich noch nicht weiß, in welcher Rolle mich der Trainer gerne sehen würde, und wie das Gefühl mit dieser doch veränderten Mannschaft sein wird. Dass ich vom Naturell jemand bin, der – ob auf oder neben dem Platz - gerne Verantwortung übernimmt, habe ich schon oft bewiesen. Aber die Zusammensetzung dieser Gruppe wird der Trainer entscheiden.

"Am Ende haben zu viele Kleinigkeiten auf die WM gefehlt, und wir dürfen keine Kleinigkeiten mehr auslassen. Egal ob im Training, im Spiel oder im Leben rund um den Fußball."

Sebastian Prödl

LAOLA1: Nüchtern betrachtet hat Österreich zwei Phasen hinter sich. Zwei Jahre ist in der EM-Quali ergebnistechnisch alles aufgegangen. Danach ist zwei Jahre lang ergebnistechnisch nicht alles aufgegangen. Aus welcher Phase habt ihr mehr gelernt?

Prödl: Wir hatten vier intensive Jahre, in denen alles dabei war. Die erste Phase sollte uns Mut geben, die zweite Phase sollte uns Respekt lehren. Am Ende haben zu viele Kleinigkeiten auf die WM gefehlt, und wir dürfen keine Kleinigkeiten mehr auslassen. Egal ob im Training, im Spiel oder im Leben rund um den Fußball. Wir sind ein Land, das sich für eine WM oder EM qualifizieren kann. Wir werden auch eine Mannschaft zusammenstellen, die uns Hoffnung gibt, uns zu qualifizieren. Aber wir sind nicht Deutschland oder Frankreich, wo es quasi eine Garantie gibt. Es werden Kleinigkeiten entscheiden, und wir dürfen nichts auslassen! Wenn es dann nicht reicht, können wir uns nichts vorwerfen. Wir waren in der letzten Quali nicht schlecht, aber wir müssen flexibler werden. In der EM-Quali haben uns viele unterschätzt und wir konnten unser brutales Pressing durchziehen. In der WM-Quali hatten die Gegner mehr Respekt vor uns und haben ihren eigenen Spielstil geändert, sodass wir uns adaptieren hätten müssen. Franco Foda weiß auch, dass er mit verschiedenen Systemen flexibel sein wird müssen.

LAOLA1: Der Umgang des ÖFB mit dem Scheitern hat vergangenen Herbst kontroverse Diskussionen und Personalentscheidungen nach sich gezogen. Vor allem zahlreiche Landespräsidenten haben sich zu Wort gemeldet. Einige deiner Kollegen haben sich damals kritisch geäußert. Du warst in der damaligen Phase verletzt. Wie haben dir diese Vorgänge von außen gefallen?

Prödl: Nicht gut. Im Prinzip haben mehr Leute ihre Meinung öffentlich kundgetan, die man nicht kennt, als Leute, die direkt involviert waren oder Teil des Profigeschäfts sind. Da darf man sich nicht wundern, wenn dann einmal ein, zwei Spieler oder Funktionäre, die in hochrangingen Positionen sind, etwas sagen. Das finde ich völlig okay. Wir brauchen das Thema nicht noch einmal aufrollen, aber wir als Spieler hatten nicht das Gefühl, dass die Kommunikation in der ganzen Geschichte sehr professionell oder sehr international war, sondern eher nach dem Motto: Zurück in die Vergangenheit. Das hat kein gutes Bild abgegeben – nicht bei uns Spielern, nicht in den Medien. Aber ich glaube, aus diesen Fehlern wird man lernen.


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