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Kollers unfreiwillige Verjüngungs-Kur im ÖFB-Tor

Die Dichte an Nationalteam-tauglichen Torhütern ist derzeit denkbar gering.

Kollers unfreiwillige Verjüngungs-Kur im ÖFB-Tor

Andreas Lukse, Heinz Lindner, Daniel Bachmann.

Dass ÖFB-Teamchef Marcel Koller im Laufe dieser WM-Qualifikation aus diesem Tormann-Trio seine Nummer eins wird wählen müssen, war so natürlich nicht geplant.

"Es ist noch zu früh, jetzt schon mitzuteilen, wer die Nummer eins sein könnte", lässt sich der 56-Jährige natürlich noch nicht in die Karten blicken und verweist darauf, dass Lukse seinem Arbeitgeber Altach in den letzten drei Wochen nicht zur Verfügung stand, aber am Wochenende sein Comeback feiern könnte.


Lob für Lindner

Lukse debütierte vergangenen November im Test gegen die Slowakei in der ÖFB-Elf und machte dabei eine gute Figur. Laut im Herbst gelebter Hackordnung wäre er der logische Nachrücker. Seine jüngste Blessur sorgt jedoch für Fragezeichen.

Mit Lindner, inzwischen bereits im zweiten Jahr Reservist bei Eintracht Frankfurt, steht eine Alternative parat, die nun schon seit einigen Jahren im ÖFB-Team mit von der Partie ist, nach der EURO die Rolle als Nummer drei jedoch an Lukse abtreten musste.

Bei der Kaderbekanntgabe bedachte Koller den 26-Jährigen auffällig mit Lob: "Lindner ist schon länger bei uns mit dabei, kennt unsere Ideen und hat in Deutschland gezeigt, dass er einen Kaltstart hinlegen kann, wenn ein Torhüter ausfällt. Er hat das zwei Spiele lang sehr gut gemacht. Er ist inzwischen älter und erfahrener geworden. Das heißt, dass er nicht gleich hektisch und nervös wird, wenn er im Tor stehen sollte. Er kennt die Situation."

Der frühere Austria-Keeper hat bis dato drei Pflichtspiele für das Nationalteam zu Buche stehen - zwei gegen die Färöer, eines beim 2:2 in Irland im März 2013.

Verjüngung mit Bachmann und Kuster

Fakt ist: Der Kreuzbandriss der etatmäßigen Nummer eins Robert Almer und der Rücktritt seines Vertreters Ramazan Özcan erinnern Fußball-Österreich an den ohnehin allzu bekannten Umstand, dass die Dichte an Nationalteam-tauglichen Torhütern derzeit denkbar gering ist.

Stoke-Goalie Bachmann ist fraglos ein großes Talent, ansonsten bekäme er auch keinen Vertrag bei einem Verein in der Premier League. Von Einsätzen bei den Profis ist der 22-Jährige derzeit jedoch weit entfernt. Zu mehr als fünf Einsätzen für die Reserve-Auswahl reichte es in dieser Saison noch nicht.

In 16 U21-Länderspielen hat sich Bachmann ÖFB-intern jedoch einen guten Ruf aufgebaut. Tormann-Trainer Klaus Lindenverger stattete ihm am vergangenen Wochenende einen Besuch auf der Insel ab.

"Wir werden ihn jetzt auf Herz und Nieren testen", verspricht Koller und begründet seine Entscheidung für den Wiener auch mit perspektivischen Überlegungen: "Wir wollten einen jungen Torhüter dazunehmen. Er spielt zwar noch nicht in der ersten Mannschaft, hat aber zweifelsohne Talent und Qualitäten, um weiter zu kommen."

Ähnliche Motive spielen bei der Wahl der neuen Nummer vier, Markus Kuster vom SV Mattersburg, eine Rolle: "Wir haben uns im Trainer-Team entschieden, eher auf einen Jüngeren zu setzen, der auch spielt und dementsprechend Qualität hat. Sollte den Dreien, die im Kader mit dabei sind, etwas passieren, ist er derjenige, der nachrücken würde."

Eine Absage an Knaller

Personalentscheidungen, welche die Tür für Marco Knaller, Stammkraft beim deutschen Zweitligisten SV Sandhausen, bereits mehr oder weniger schließen. Kollers Worte über den 29-Jährigen tun dies endgültig:

"Wir haben ihn beobachtet - Klaus Lindenberger vor Ort und ich im Fernsehen. Er war jetzt zehn Jahre nie ein Thema im Nationalteam. Aktuell spielt er bei Sandhausen. Sie sind auch ein bisschen zurückgefallen, sind nicht mehr ganz vorne an der Spitze mit dabei. Wir haben uns gefragt: Ist er auch ein Thema für die Zukunft? Wir sehen ihn nicht gleich als Nummer eins, also haben wir uns für die jüngere Variante als Nummer drei und vier entschieden. Mit ihnen wollen wir arbeiten und versuchen, sie weiterzubringen."


Akut notwendig gemacht hat diese unfreiwillige Verjüngungs-Kur Özcan mit seinem unkonventionellen Entschluss, mitten in der Qualifikation und als amtierende Nummer eins aus dem Kreis des Nationalteams auszuscheiden.

Dieses Timing mag überraschend sein, aus heiterem Himmel kann es jedoch zumindest für den Teamchef nicht gekommen sein.

Koller kann Özcan Nationalteam nicht schmackhaft machen

Der Schweizer verrät, dass er sich bereits im letzten Sommer im Rahmen des Leverkusen-Trainingslagers in Salzburg mit Özcan getroffen und dieser ihm offenbart habe, dass die Familie einen größeren Stellenwert in seinem Leben genieße.

"Damals konnten wir uns darauf einigen, dass er weiter mit dabei ist", erzählt Koller, "vor 14 Tagen war ich in Leverkusen und habe nochmals mit Rambo gesprochen. Da kam die Familie nochmals auf, seine Freundin erwartet das zweite Kind, also liegt die Priorität auf der Familie. Ich habe versucht, ihm das Nationalteam nochmals schmackhaft zu machen."

Letztlich vergebens. Während die ÖFB-Karriere des Vorarlbergers auf dem Feld nicht immer unter einem günstigen Stern stand, galt Özcan stets als mannschaftsdienlicher Akteur. Dies streicht auch der Teamchef nochmals hervor:

"Er war nicht immer die Nummer eins, hatte aber für das Team einen extrem hohen Wert. Er war in der Kabine einer, der die Spieler angefeuert hat, zu jeder Minute und Sekunde voll hinter dem Team gestanden ist und sich voll in den Dienst der Mannschaft gestellt hat. Er konnte bei mir noch ein paar Länderspiele machen, hat sich jetzt aber für die Familie entschieden."

Koller gesteht ein, dass man über den Zeitpunkt streiten könne, dieser "vielleicht nicht optimal" sei - endgültig wurde der Entschluss bei einem Telefonat am Sonntag: "Aber ich werde die Entscheidung voll und ganz akzeptieren. Mein herzlicher Dank an Rambo für seinen vorbildlichen Einsatz."




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