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"Merke gar nichts von Anfeindungen"

Rangnicks direkte Art. Ein "Hund" in Leipzig. Stefan Ilsanker im LAOLA1-Tak:

Es war bislang ein aufregendes Jahr für Stefan Ilsanker.

Double mit Red Bull Salzburg. Wechsel zu RB Leipzig, dort voll im Aufstiegsrennen mit dabei. In der EM-Qualifikation in sieben von zehn Partien zumindest als Joker auf dem Platz, also zum erweiterten Stamm zählend.

Es gibt also einiges zu besprechen. Der 26-Jährige spricht im LAOLA1-Interview über die Annäherung an die Idealvorstellung von Fußball, die Vorteile von Ralf Rangnicks direkter Art, eine Art Normalität im Umgang mit dem Projekt RB Leipzig, die „verfälschte“ Situation in Salzburg und erläutert die Frage, wie realistisch ein ÖFB-Stammplatz überhaupt ist, wenn man mit David Alaba und Julian Baumgartlinger zwei denkbar undankbare Konkurrenten hat.

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LAOLA1: Du hast im Sommer von einem Abenteuer gesprochen, das dich in Leipzig erwartet. Wie abenteuerlich waren die letzten Monate wirklich?

Stefan Ilsanker: Bislang läuft es absolut positiv. Wir hatten zwar auch zwei, drei Negativerlebnisse wie das Aus im Pokal oder die beiden Heimniederlagen in der Liga. Aber alles in allem bin ich total positiv von Leipzig überzeugt. Mir gefällt es extrem gut dort. Auch fußballerisch läuft es schon sehr gut.

LAOLA1: Aus der Außenansicht wirkt es so, dass du schnell akzeptiert wurdest, in eine Leaderrolle geschlüpft bist und ähnlich wie in Salzburg funktionierst. Wie ist die Innenansicht?

Ilsanker: Unsere Truppe ist eine extrem junge. Ich habe doch schon ein bisschen mehr Erfahrung als die meisten, die dort spielen. Da muss man zwangsläufig vorangehen. Das ist auch mein Naturell, das möchte ich einbringen. Am Anfang hat es leider noch nicht ganz so gut geklappt, wir haben nicht so konstant gespielt. Dann kommen auch meine Stärken nicht so gut zur Geltung. Denn wenn die Maschine richtig gut läuft, mache auch ich meine besten Spiele, weil wir dann einfach extrem viel in der gegnerischen Hälfte sind, und ich mich extrem viel auf die Balleroberung konzentrieren kann.

LAOLA1: Du hast vor deinem Wechsel nach Leipzig gemeint, unter Roger Schmidt hast du einen komplett anderen Fußball kennengelernt, der perfekt zu dir gepasst hat. Wie nah dran ist man in Leipzig gerade an dieser Idealvorstellung? Man will ja ähnlich agieren.

Ilsanker: Ähnlich auf jeden Fall, aber wir haben schon ein bisschen andere Ansätze. Wir versuchen einen Gegner nicht direkt am eigenen Fünfer festzunageln, sondern machen das Ganze ein bisschen tiefer, lassen uns selbst ein bisschen mehr Raum hinter der gegnerischen Viererkette. Aber die Grundidee vom Pressing, Forechecking und aktivem Ballerobern ist weiterhin dieselbe. Dann wollen wir natürlich sehr viele Torchancen kreieren, schnell und attraktiv nach vorne kommen. Das gelingt uns teilweise schon ganz gut. Aber es ist noch viel Luft nach oben.

LAOLA1: Wie viel Zeit braucht es, bis man bei der Idealvorstellung angelangt ist?

Ilsanker: Unter Roger Schmidt hat es ein dreiviertel Jahr gedauert, bis wir es konstant gespielt haben, und dann noch einmal ein halbes Jahr, bis wir wirklich auf dem Level waren, auf dem wir es uns selbst vorgestellt haben. In Leipzig hat das, finde ich, relativ schnell ziemlich gut geklappt, weil doch viele Neue von anderen Vereinen gekommen sind, die das noch gar nicht gekannt haben. In Leipzig haben sie es zuvor auch ein bisschen anders praktiziert, mit weniger Kombinations-Fußball, das Augenmerk war komplett auf die Arbeit gegen den Ball gerichtet. Von dem her klappt das eigentlich eh schon relativ gut. Die Mannschaft findet sich mehr und mehr, und wir spielen von Woche zu Woche besseren Fußball.

LAOLA1: Du hast Ralf Rangnick drei Jahre lang als Funktionär erlebt, jetzt als Trainer. Gibt es irgendwelche Unterschiede?

Ilsanker: Jetzt hat er natürlich Einfluss auf das tägliche Trainingsgeschehen. Ich glaube, das taugt ihm auch unglaublich. In Salzburg hat er von außen zugeschaut. Da hat man richtig gemerkt, wie gern er eingreifen würde, wenn es nicht so gut gelaufen ist. Er lebt den Fußball wie kaum ein anderer, das ist bemerkenswert, er bringt Energie und seine Ideen ein. Dass er ein unglaublicher Fachmann ist, ist sowieso unbestritten.

LAOLA1: Seine Art ist sehr direkt. Nach der Niederlage gegen Kaiserslautern am vergangenen Wochenende hat er euch als Karikatur der Mannschaft, die ihr normal seid, bezeichnet. Es ist vermutlich ein Vorteil, wenn man stets weiß, woran man ist. Aber ist es immer einfach, damit umzugehen?

Ilsanker: Ein, zwei Tage nach solchen Spielen findet er meiner Meinung nach genau die richtigen Worte. Er geht nie auf einen Spieler los und macht ihn persönlich zur Sau. Es geht immer um das Sportliche, es geht immer um die Arbeit. Die Kritik ist meistens gerechtfertigt und konstruktiv. Fehler müssen angesprochen werden, und das werden sie auch. Von dem her ist es für jeden am besten, denn wenn nur mit dir geschimpft wird und du weißt nicht wieso, ist es schwerer für einen Profi, als wenn klipp und klar gesagt wird, was man falsch macht. Dann kann man auch daran arbeiten.

LAOLA1: Wie zuversichtlich bist du, dass es mit dem Aufstieg in die Bundesliga klappt?

Ilsanker: Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich so schnell wie möglich mit Leipzig aufsteigen will. Es ist ganz klar, dass ich jetzt nicht noch zwei, drei Jahre in der 2. deutschen Bundesliga spielen will. Ich denke, dass wir heuer eine sehr gute Chance auf den Aufstieg haben, weil die Mannschaft schon sehr gut funktioniert. Wir haben uns oben etabliert, sind punktgleich mit dem Ersten. Wenn wir weiterhin so spielen wie in den letzten Wochen, denke ich, dass wir auch zum Schluss der Saison vorne dabei sein werden.

LAOLA1: RB Leipzig hat gerade in der ersten Zweitliga-Saison sehr stark polarisiert. Spürst du diesbezüglich Entspannung oder macht sich dies immer noch bemerkbar?

Ilsanker: Ich merke eigentlich gar nichts von Anfeindungen. In Leipzig selbst sind wir extrem anerkannt. Die Leute leben mit uns mit, wir haben eine riesige Fanbase. Es gibt absolut Sehnsucht nach Bundesliga-Fußball. Vor kurzem hatten wir einen Laternen-Lauf, zu dem 5000 Leute gekommen sind. So etwas kenne ich aus Österreich gar nicht. Wir können eigentlich eh nichts machen, außer gut Fußball zu spielen und uns davon nicht aufhalten zu lassen.

LAOLA1: Ist eine Art Normalität eingekehrt? Das Projekt ist inzwischen nicht mehr neu im Profi-Fußball.

Ilsanker: Ich denke, die Vereine haben ein bisschen eingelenkt. Letztes Jahr sind teilweise Plakate im Stadion ausgerollt worden, wo ich mir gedacht habe: Da würde ich mein Kind nicht mehr ins Stadion lassen, wenn ich weiß, dass dort so etwas publik gemacht wird. Von dem her ist es respektvoller geworden.

LAOLA1: Also ein akzeptabler Rahmen?

Ilsanker: Auf jeden Fall. Die Stimmung ist immer sehr, sehr gut – egal ob bei Heim- oder Auswärtsspielen. Mir taugt es, Woche zu Woche auf dem Platz zu stehen und die Stimmung in Deutschland aufzusaugen.

Das internationale Ausscheiden hat in meinen Augen die Situation ein bisschen verfälscht. Wenn man noch in der Europa League dabei wäre, dort seine Punkte macht und vielleicht international überwintert, so wie Rapid, dann ist alles eitel Wonne. Man ist in der Meisterschaft vorne dabei, man ist im Cup noch dabei. Dann hätten die Journalisten auch nicht so viel zu schreiben.

LAOLA1: In Österreich war für dich vermutlich der Moment erreicht, wo man sagen konnte, du hast alles gesehen. War das Timing für den Schritt ins Ausland perfekt?

Ilsanker: In Österreich habe ich mit zwei Doublen in Folge einen ganz guten Abschluss für mich selbst gefunden, für mich hätte es nichts Größeres mehr zu holen gegeben als Meisterschaft und Cup. In Deutschland spiele ich in einem unglaublich geilen Heim-Stadion, das ein WM-Austragungsort war. Ich erlebe einen Zuschauerschnitt von über 30.000, jedes unserer Auswärtsspiele ist ausverkauft, die Partien sind rassig. Es gibt so viele Traditionsvereine. Es ist schon richtig geil, obwohl es „nur“ die 2. Liga ist.

LAOLA1: Der eine oder andere tut sich in dieser Saison in Salzburg schwer. Im Sommer gab es beispielsweise Aufregung um Jonatan Soriano, zuletzt um Martin Hinteregger. Das ist gar nicht respektlos gegenüber Salzburg gemeint, aber hast du den Punkt erwischt, an dem man weggehen musste, weil der Fokus mehr auf Leipzig gelegt wird?

Ilsanker: Mein Abgang war unabhängig von Leipzig. Ich wollte für mich etwas Neues finden und einmal einen neuen Schritt in meiner Karriere gehen. Dass ich dann die Möglichkeit mit Leipzig genutzt habe und unbedingt bei diesem Projekt dabei sein will, ist für mich selbstverständlich. Ich denke, auch für Außenstehende macht es Sinn, dass ich dort hingegangen bin. Aber es spricht gar nichts dagegen, wenn man noch länger in Salzburg bleibt und dort um die Meisterschaft und den Cup mitspielt.

LAOLA1: Dennoch ist die Situation dort schwieriger geworden.

Ilsanker: Das internationale Ausscheiden hat in meinen Augen die Situation ein bisschen verfälscht. Wenn man noch in der Europa League dabei wäre, dort seine Punkte macht und vielleicht international überwintert, so wie Rapid, dann ist alles eitel Wonne. Man ist in der Meisterschaft vorne dabei, man ist im Cup noch dabei. Dann hätten die Journalisten auch nicht so viel zu schreiben (grinst).

LAOLA1: Die Unruhe kommt ja nicht nur von außen.

Ilsanker: Natürlich ist man unzufrieden. Man hat Ziele. Gerade Jonny und Martin wissen selbst, wie gut sie sind und dass sie genauso in Deutschland, England oder Spanien spielen könnten. Jetzt spielen sie „nur“ in Österreich, das aber bei der besten Mannschaft. Daher ist nichts falsch daran.

LAOLA1: Kommen wir zum Nationalteam. Du warst lange Zeit einer der wenigen Bundesliga-Spieler, die sich im Kader etabliert haben. Ist es von der Akzeptanz her ein Unterschied, wenn man als Legionär zur Legionärs-Auswahl stößt?

Ilsanker: Keine Ahnung. Ich merke keinen großen Unterschied, außer dass ich mit dem Flugzeug komme und nicht mehr mit dem Zug... (lacht) Ich glaube, zweite Liga ist noch nicht so das große Ding, dass man komplett anders wahrgenommen wird. Aber sollten wir in die Bundesliga aufsteigen, denke ich, dass man mit einer noch mal breiteren Brust zum Team kommen würde.

LAOLA1: Du bist vor der EM-Qualifikation in den Kader aufgerückt. Du hast dich nah an der Stammelf etabliert, wirst oft eingewechselt. Wenn jemand verletzt ausfällt, vertraut dir Teamchef Koller ohne zu zögern und du rechtfertigst es wie gegen Russland. Ich nehme an, deine Zwischenbilanz fällt sehr positiv aus.

Ilsanker: Ich bin schon sehr zufrieden mit dem Werdegang, den ich genommen habe. Natürlich muss ich noch mal Salzburg danken. Durch den Fußball, den wir damals gespielt haben, und die Erfolge, die wir gefeiert haben, konnte ich mich selbst präsentieren. Dass es im Nationalteam dann so gut klappt, ist natürlich auch ein bisschen mein eigener Verdienst. Darüber freue ich mich sehr.

LAOLA1: Du hast auf deiner Position allerdings zwei sehr undankbare Konkurrenten. David Alaba und Julian Baumgartlinger machen ihre Sache sehr gut. Wäre ein Stammplatz in absehbarer Zeit überhaupt realistisch?

Ilsanker (lacht): Das ist eine ganz, ganz gemeine Frage. Also ich muss ganz ehrlich sagen: Ich freue mich über jede Minute, die ich spiele. Ich bewundere die Arbeit von David, Jules und Zladdi, wie die das in der Mitte machen. Wenn sie weiterhin so spielen, wird es in nächster Zeit kein Vorbeikommen geben. Es gibt keinen Grund zum Wechseln. Aber sollte mal einer ausfallen, ein bisschen in einem Loch hängen oder was auch immer, bin ich da. Der Trainer weiß, dass er sich auf mich verlassen kann. Dann bringe ich meine 100 Prozent ein.

LAOLA1: Die gemeine Frage kommt jetzt erst. Wirst du für dein Verschlafen nach der Feier in Stockholm, weshalb du den Rückflug nach Leipzig verpasst hast, teamintern noch veräppelt?

Ilsanker: Nein, überhaupt nicht! Man kennt die Jungs: Sie sind ganz freundlich, würden mir so etwas nie vorhalten und sich überhaupt keine Späße einfallen lassen. Nein, nein, das passt gar nicht zu unseren Jungs! (lacht)

LAOLA1: Ist das in einem perfekten Jahr der Moment, den du gerne rückgängig machen würdest, oder muss man da einfach drüberstehen?

Ilsanker: Ich glaube, auf das Nationalteam hat es nicht so viel Einfluss. Aber damit habe ich mir bei meinem Verein natürlich einen ziemlichen Hund reingehaut.

LAOLA1: War es so schlimm? Du wurdest für ein Spiel aus dem Verkehr gezogen und bist seither wieder Stammkraft.

Ilsanker: Das ist es ja: Ich habe ein Spiel nicht gespielt! Das darf einem Vollprofi einfach nicht passieren. Es ist mir leider passiert. Jetzt ist die Sache wieder vorbei und Gras darüber gewachsen. Aber es stimmt schon: Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich diesen Moment gerne rückgängig machen.


Das Gespräch führte Peter Altmann

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