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"Koller verabschiedet sich nicht mit Postkarte"

Auch der ÖFB-Boss darf sich als ein Gewinner der Verlängerung mit Teamchef Koller fühlen.

„Meine Standardformel war ja bekanntlich: Wir wissen vor der EURO, wer nach der EURO Teamchef von Österreich sein wird.“

Am Tag der Vertragsverlängerung wiederholte ÖFB-Präsident Leo Windtner jenen Satz, der ihn seit über einem halben Jahr treu begleitet hatte.

Erstmals getätigt hatte er ihn am Abend des 8. September 2015 in der Friends Arena zu Stockholm - in kleinem Kreis unmittelbar nach dem 4:1-Triumphmarsch des ÖFB-Teams gegen Schweden und der damit verbundenen fixen Qualifikation für die EURO in Frankreich.

Sechs Monate später schärfte das Verbands-Oberhaupt seinen Sager noch einmal nach: „Für mein Dafürhalten war vor der EURO zu wenig. Denn wir wollten jenen geistigen Freiraum schon für die Vorbereitung schaffen, damit sich das Team voll und ganz auf die Aufgabe in Frankreich konzentrieren kann. Da sollte eben dieses Personalthema abgehakt sein.“

Und zwar vor den ersten Länderspielen des EM-Jahres 2016.

Windtners Risiko

Der Oberösterreicher verdeutlichte, wie groß seine persönliche Erleichterung sei: „Denn natürlich belastet das Thema immer mehr, je länger es dauert, bis es erledigt ist. Wenn man solche Dinge abgehakt hat, fällt schon der berühmte Stein vom Herzen.“

Windtner selbst darf sich somit als Gewinner fühlen. Heftige Kritik musste auch er im Herbst 2011 einstecken, als er seinen Segen zur Bestellung des in der heimischen Öffentlichkeit weitestgehend unbeschriebenen Schweizer Blattes namens Marcel Koller gab.


Der ließ seine Arbeit für sich sprechen, erhöhte dementsprechend seinen Marktwert. Dennoch ist es dem ÖFB-Oberhaupt mittlerweile zum zweiten Mal gelungen, mit dem ranghöchsten Trainer des Landes in eine Verlängerung zu gehen.

Mit seiner Ankündigung von Stockholm ging Windtner freilich auch persönlich ins Risiko. Hätte sich Koller zum Abschied entschieden, wäre erstens die Kritik groß gewesen und zweitens hätte er schon vor der EURO einen Nachfolger bestimmen müssen, um Wort zu halten. Ein „Schatten-Teamchef“ während der EURO als Ablenkung auf der Tribüne? Kein wünschenswertes Szenario.

„Gewisses Risiko ist natürlich immer dabei, denn das ist für uns nicht beeinfluss- und steuerbar. Daher haben wir nur hoffen können, dass es gut für uns läuft“, verdeutlichte der 65-Jährige, der im gesamten Verhandlungsprozess stets großen Optimismus ausgestrahlt hatte, dass man mit Koller Einigung erzielen würde.

„Die ganze Zuversicht hilft nichts, wenn ein Großer daherkommt“

Letztlich zurecht. Ob es in all den Monaten einen Moment gegeben hätte, an dem er sich nicht mehr sicher war, dass Koller bleiben würde?

Ich habe immer gesagt, Marcel Koller wird sich von uns und von mir nicht mit einer Postkarte verabschieden. Da sind wir uns gegenseitig zu wertvoll

Leo Windtner

„Ich war immer zuversichtlich. Alleine schon aufgrund des persönlichen Verhältnisses zu Marcel Koller. Ich habe immer gesagt, Marcel Koller wird sich von uns und von mir nicht mit einer Postkarte verabschieden. Da sind wir uns gegenseitig zu wertvoll. Die Verhandlungen waren aufrecht, hart und herzlich. Ich habe nicht wirklich befürchtet, dass sie total kippen. Dafür war diese Achse zu stabil.“

Nachsatz: „Aber diese ganze Zuversicht hilft nichts, wenn ein Großer daherkommt und wirklich viel auf den Tisch legt. Gott sei Dank haben wir das überstanden.“

„Konditionen, die für ihn akzeptierbar und für uns tragbar sind“

Immer wieder war von allen Beteiligten der Verweis auf die „harten, aber herzlichen“ Verhandlungen mit Kollers Berater Dino Lamberti zu hören.

Der Teamchef selbst erläuterte, dass er bei den Gesprächen nicht jedes Mal dabei war: „Ich habe mich frühzeitig ohne Berater mit dem Präsidenten zusammengesetzt und meine Ideen mitgeteilt. Mein Berater hat dann mit dem Präsidenten und Generaldirektor verhandelt und mir mitgeteilt, was gelaufen ist.“

Dass das Gehalt eine Rolle spielte, liegt auf der Hand. Laut Windtner sei diesbezüglich eine Einigung erzielt worden, mit der beide Seiten bestens leben können:

„Dass ein Trainer von der Qualität eines Marcel Koller einen entsprechenden Marktwert hat, ist klar. Aber wir haben uns wirklich zu Konditionen getroffen, die für ihn akzeptierbar und für uns tragbar sind.“

Man darf annehmen, dass es Koller neben dem Gehalt vor allem um die vielzitierten Rahmenbedingungen ging. Wenn der Eidgenosse auf etwas Wert legt, ist er auch durchaus hartnäckig – oder im konkreten Fall an seiner Stelle Lamberti.

Lambertis Liebe zum Detail

Bei aller Cleverness hat Lamberti auch die Liebe zum Detail wie der Teamchef selbst. Also da darf kein Buchstabe wackeln und jeder Beistrich muss sitzen

Leo Windtner

„Bei aller Cleverness hat Lamberti auch die Liebe zum Detail wie der Teamchef selbst. Also da darf kein Buchstabe wackeln und jeder Beistrich muss sitzen. Das ist dann letztlich auch so geschehen“, verriet Windtner über die Verhandlungsrunden mit dem Schweizer.

„Kein Kinderkaffeekränzchen“ also, wie es der ÖFB-Boss im Rahmen der offiziellen Pressekonferenz bezeichnete.

Mit dem erneuten Koller-Deal hat Windtner nun die Vorzeichen für Kontinuität geschaffen. Wenn der Teamchef nach dem vom Oberösterreicher skizzierten Vorbild von Joachim Löw in Deutschland am Ende auch ein Jahrzehnt im Amt bleiben würde, wäre dies aus heutiger Sicht eine Überraschung.

Ein Abschied würde dem 55-Jährigen aber wohl so oder so schwer fallen. Denn bei allen potenziellen Gründen für einen Verbleib ist laut Windtner das Hauptmotiv von Koller das simpelste von allen:

„Die größte Motivation für Koller, bei uns zu verlängern, ist sicherlich das Nationalteam, die Mannschaft als solches. So wie diese Spielergeneration von ihm aufgebaut wurde, ist sie auch noch für die Zukunft vielversprechend.“

Peter Altmann


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