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"Wir werden in Frankreich nicht Durchmarschieren"

Teamchef Koller blickt auf ein „super geiles“ Jahr zurück und verrät Pläne für 2016.

Wie 2014 kassierte das ÖFB-Team im letzten Testspiel des Jahres eine Niederlage.

So wie gegen Brasilien setzte es auch gegen die Schweiz 2015 zum Abschluss ein 1:2 im Happel-Stadion.

Doch dieser Umstand änderte nichts an der Tatsache, dass die letztenzwölf Monate „richtig fantastisch“ waren.

„Es war super geil“, blickt Teamchef Marcel Koller zurück.

Bei der Nachbetrachtung der Schweiz-Partie wurde daher auch Jahresbilanz gezogen.

MARCEL KOLLER…

… AUF DIE FRAGE, OB IHN DAS 1:2 im LETZTEN SPIEL DES JAHRES VERÄRGERT HAT:

Ich verliere nicht gerne, deswegen ist man nach so einem Abend ein bisschen verärgert. Wir können auch über die Schiedsrichter verärgert sein. Gegen Brasilien vor einem Jahr haben wir ein Tor bekommen, das nicht regulär war. Gegen die Schweiz schießen wir ein reguläres Tor, was nicht gegeben wird. Das passiert halt immer wieder, soll aber keine Ausrede sein. Vom Ergebnis fühlt es sich wie eine Niederlage an, aber es war ein gutes Spiel meiner Mannschaft. Natürlich hatten wir Fehler drinnen, speziell in der ersten Hälfte, als den Schweizern zwei Treffer gelangen. Nach der Pause waren wir spielbestimmend, hatten genügend Chancen auf den Ausgleich. Aber auf diesem Level entscheiden Kleinigkeiten. Auf das müssen wir achten. Wir waren vielleicht teilweise zu wenig konzentriert, zudem hat Tormann Sommer sehr gut gehalten. Es ist nicht schlecht einmal zu verlieren. Wir werden das Spiel genau analysieren und unsere Schlüsse ziehen. Ich bin aber nicht nervös oder angespannt. Ich bin überzeugt, dass wir den Weg wieder finden werden.

… AUF DIE FRAGE, WIE DAS RESÜMEE für 2015 AUSFÄLLT:

Es war super geil. Es hat alles gepasst. Wir sind in der EM-Quali aus Topf drei gezogen worden, hatten eine Gruppe mit Russland und Schweden sowie das unangenehm zu bespielende Team aus Montenegro. Dass wir dann so durchmarschieren und zwei Spieltage vor Schluss als Gruppensieger feststehen, ist fantastisch und zeigt die Qualität und das Selbstvertrauen bei uns. Mich als Trainer freut, dass die Spieler ihr Potenzial umgesetzt haben. Diese Basis müssen wir immer abrufen. Wir haben gebetsmühlenartig vorgetragen, dass wir von Spiel zu Spiel schauen müssen und jede Partie bei Null beginnt. Wenn jeder einzelne im Team das umsetzt, können solche Leistungen herausschauen. Gestern waren wir auch die bessere Mannschaft, die Schweiz wusste gar nicht, wie sie das 2:1 erzielt hat. In den letzten 15 Minuten haben sie sich komplett zurückgezogen.

… AUF DIE FRAGE, OB VIER STAMMSPIELER, DIE GEGEN DIE SCHWEIZ FEHLTEN, ZU VIEL WÄREN, UM SIE GUT ERSETZEN ZU KÖNNEN UND OB DER ZWEITE ANZUG NOCH NICHT GANZ PASST:

Es gibt Nationen, die vier Ausfälle kompensieren können, aber dazu zählt Österreich und wahrscheinlich auch die Schweiz nicht. Aber es wichtig, dass die, die dran sind, sehen, was nötig ist. Julian Baumgartlinger hat zuletzt auch drei Wochen pausiert. Er war wegen der fehlenden Spielpraxis nicht ganz auf der Höhe, doch diese Kleinigkeit ist dann gegen einen starken Gegner entscheidend. Selbes gilt für Martin Hinteregger, der früh rein musste. Diese ganzen Fakten muss man berücksichtigen, dürfen aber keine Ausrede sein. Die Debütanten Karim Onisiwo und Florian Kainz haben jedenfalls das bestätigt, was wir im Trainingslager von ihnen gesehen haben. Sie sind gut integriert worden. Es ist wichtig, dass sie nun bei ihrem Klub auf Schiene kommen und sich hineinhängen und ihre Leistungen bestätigen. Das ist jetzt auch ein bisschen eine andere Sichtweise. Jetzt sind sie Nationalspieler. Es wird interessant zu beobachten, wie sie mit ein bisschen erhöhterem Druck umgehen können

… AUF DIE FRAGE, WELCHER DER GRÖßTE ENTWICKLUNGSCHRITT 2015 WAR:

Ganz klar die Auswärtsspiele. Wir hatten ja 2014 drei EM-Quali-Heimspiele, alle gegen die Favoriten. Wir wussten nicht, wie wir das auswärts angehen und umsetzen können. Im März wurde schon die Liechtenstein-Partie hervorragend umgesetzt. Aber Russland war der erste Kracher auswärts. Das Match fand nach einer langen Saison statt. Während die anderen schon auf Urlaub waren, mussten die Teamspieler noch einmal alles aus sich herausholen. Wir wussten, dass jene Mannschaft, die sich mehr quälen kann, gewinnen wird. Es war toll zu sehen, wie wir das durchgezogen haben. Wir haben ein super Spiel absolviert. Man spürte, wie danach das Selbstvertrauen stieg. Die Spieler haben gemerkt, dass die Ideen, das Auftreten passt, dass wir damit Erfolg haben. Dann kam Schweden. In der WM-Quali waren wir damals nur eine Hälfte gut, doch heuer haben wir es komplett durchgezogen. In Montenegro waren wir in Rückstand, doch obwohl wir schon für die EM qualifiziert waren, wollten wir nicht verlieren, wollten unbedingt gewinnen.

… ÜBER DIE VIELEN, ABER SCHWACHEN ECKBÄLLE GEGEN DIE SCHWEIZ:

Es stimmt, wir hatten viele. Und es stimmt, dass sie nicht gut gespielt waren. Wir haben grundsätzlich einen Plan, konnten ihn diesmal aber nicht durchführen. Das kann aber auch einmal so sein. Wenn sie einen Bericht schreiben, werden sie auch nicht immer zufrieden sein. Bei uns gibt es eine klare Einteilung. Wenn sich ein Spieler aber nicht gut fühlt, übernimmt ein anderer. Deswegen hat etwa Fuchs nach der Pause die Eckbälle getreten. Außerdem hat die Schweiz große Leute, steht präsent und fokussiert. Es war schwierig. Doch eine Statistik besagt, dass man etwas 30 Eckbälle benötigt, bis man ein Tor erzielt.

… AUF DIE FRAGE, WIE SCHWIERIG ES IST, EINZUSCHÄTZEN, WO ÖSTERREICH STEHT?

Müssen wir uns einschätzen? Es ist grundsätzlich schwierig zu vergleichen, wenn man nicht gegen jeden schon gespielt hat. Mit Russland und Schweden haben sich zwei weitere Mannschaften aus unserer Gruppe qualifiziert. Das spricht für die Qualität dieser Quali-Gruppe. Bei der EURO gibt es keine leichten Gegner. Beim Blick auf die Töpfe habe ich mir gedacht: „Das ist schon deftig“. Es wird in Frankreich kein Durchmarschieren von Österreich geben. Aber auch wenn wir noch nicht wissen, gegen wen wir spielen werden, ist unser Ziel, die Gruppenphase zu schaffen. Du musst gegen jedes Team alles entgegen bringen. Und Wunschgegner habe ich keine. Wir können es sowieso nicht ändern.

…ÜBER DIE TASACHE, DASS IN DEN LETZTEN 20 SPIELEN ZUMINDEST IMMER EIN TREFFER GELANG:

Seit meinem Amtsantritt wurde immer wieder gesagt, dass wir zu wenige Tore aus unseren Chancen erzielen. Gleichzeitig kassierten wir zu Beginn noch zu viele Gegentore. Beides hat sich verbessert. Wir schießen mehr Tore und bekommen weniger Treffer. Das ist gut für das Selbstvertrauen. Es ist wichtig, dass wir viele Chancen herausspielen. Das wollen wir beibehalten und soll unsere Spielweise sein. Wir wollen dabei variabel sein. Wenn außen Platz ist, versuchen wir dort unser Glück, öffnet sich in der Mitte eine Lücke, wollen wir dort zuschlagen.
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… AUF DIE FRAGE, WO MAN SICH IN HINBLICK AUF DIE EURO NOCH VERBESSERN MUSS:

Es ist schwierig, weil das Team bis März nicht mehr zusammenkommt. Es ist wichtig, dass sich die Spieler bei ihren Klubs Selbstvertrauen holen und Spielpraxis sammeln. Für uns wäre es natürlich am besten, wenn alle viel spielen und mit Selbstvertrauen zum Team kommen. Sobald wir die Gruppeneinteilung kennen, werden wir den Plan festlegen, wie wir gegen den jeweiligen Gegner auftreten wollen. Um uns für Frankreich zu rüsten, gibt es aber auch noch das Trainingslager vor Turnierbeginn.

…ÜBER DIE PLÄNE FÜR 2016 UND MÖGLICHE TESTSPIELGEGNER:

Es gibt noch keine Namen. Wir sind aber schon in Gesprächen mit dem einen oder anderen Gegner, gegen den wir gerne spielen würden. Doch ausschlaggebend ist auch der 12. Dezember, damit der kommende Gegner nicht in unserer Gruppe ist. Es sollen aber auf jeden Fall europäische Teams sein. Ob wir auswärts, oder daheim spielen, hängt auch von den Plänen des Kontrahenten ab. Geplant sind jedenfalls zwei Spiele im März und zwei Ende Mai, Anfang Juni.

…ÜBER SEINE PERSÖNLICHE ZUKUNFT:

Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich habe bis zum Ende der EURO einen Vertrag.

….AUF DIE FRAGE, OB ES NOCH SPIELER GIBT, DIE ER SICH NOCH UNBEDINGT ANSEHEN WILL, ETWA MICHAEL GREGORITSCH:

Das ist von den Spielern abhängig. Es ist ja unsere Aufgabe, die Spieler einzuschätzen. Haben sie überhaupt die Qualität, dabei sein zu können? Die Nationalmannschaft ist das Höchste der Gefühle. Dass da nicht jeder dabei sein kann, ist auch klar. Ob sich noch jemand aufdrängt, den wir noch gar nicht kennen, ist unwahrscheinlich. Es ist aber noch zu früh, schon Entscheidungen zu treffen. Wir werden da relativ konservativ sein. Wir haben großes Vertrauen in die, die schon länger dabei sind. Und wegen Gregoritsch: Mal sehen, wenn es die Zeit erlaubt, ob er dazupasst, ob er sich einfindet und dann vielleicht auch bei uns Tore schießt.

…ÜBER DIE SPIELABSAGE DEUTSCHLAND GEGEN NIEDERLANDE UND DIE GEFÜHLE INNERHALB DER MANNSCHAFT:

Ich habe kurz vor Spielbeginn von der Absage erfahren. Ich war aber auf uns konzentriert. Wir haben uns damit erst nach der Partie beschäftigt. Da bekamen wir auch Informationen. Es ist natürlich so wie schon letzte Woche ein mulmiges Gefühl. Das wird leider auch noch eine Zeit lang so sein.

…AUF DIE FRAGE, MIT WELCHEN GEFÜHLEN ER ZUR AUSLOSUNG FLIEGT:

Ich weiß nicht, was die UEFA plant. Vielleicht macht man es im kleineren Rahmen und übermittelt den Verbänden via TV die Gruppengegner. Dann müssten nicht alle vor Ort sein. Das wäre vielleicht keine schlechte Entscheidung.

Aufgezeichnet von Claus Schlamadinger

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