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Marko Stankovic: Mein verrücktes Leben in Indien

Der Steirer erzählt von Kobras, Smog und einem Börsencrash.

Etwas mehr als zwei Jahre hat Marko Stankovic als Fußballer in Indien verbracht. Zunächst bei Pune City, nach einem Börsencrash bei Hyderabad.

"Damit hätte ich absolut nicht gerechnet", sagt der 34-Jährige, der 2008 sein einziges ÖFB-Länderspiel bestritten hat, im LAOLA1-Interview.

Der Offensivspieler, der mittlerweile gar kein Offensivspieler mehr ist, erzählt von seinen kuriosen Erlebnissen in Indien. Es geht unter anderem um Trainer ohne Visum, Kobras beim Trainingsplatz und den Straßenverkehr.

LAOLA1: Wie hältst du dich an Tagen wie diesen fit?

Marko Stankovic: Das macht mein Sohn. Ein neunjähriger Bub setzt sich nicht auf die Couch und schaut mit dir fern. Außerdem werde ich ab und zu eine Laufeinheit einlegen.

LAOLA1: Geht dir der Fußball mittlerweile ab?

Stankovic: Sicher. Die Saison für mein Team in Indien hat am 20. Februar geendet. Und schauen kann ich ja auch nichts. Das ist eigentlich für alle ein richtig wilder Entzug.

LAOLA1: Ich denke mal, du bist froh, dass du in Graz und nicht in Indien sitzt…

Stankovic: Definitiv. Der Hygienestandard in Indien ist ein ganz anderer. Ich bin es gewohnt, eine Maske zu tragen, hab das bei den Flügen innerhalb Indiens mehrmals getan.

"Sie können laufen und kämpfen, aber das Spielverständnis fehlt"

LAOLA1: Du warst zwei Jahre lang in Indien. Hast du geglaubt, dass es so lange wird, als du damals dorthin gewechselt bist?

Stankovic: Nein, damit hätte ich absolut nicht gerechnet. Ich habe damals für eineinhalb Saisonen unterschrieben, wir hatten aber damals schon ausgemacht, dass wir uns nach der ersten Halbsaison zusammensetzen und entscheiden, ob wir weitermachen – es gab damals eine beidseitige Option. Der Verein war mit mir zufrieden und ich war positiv überrascht von den Umständen in Indien. So lange dort zu bleiben, ist auch eine Leistung, immerhin werden die Legionäre in den Klubs in der Regel halbjährlich ausgetauscht. Ich muss betonen: Ich bin Ranko Popovic mein Leben lang dankbar, dass er mir die Möglichkeit gegeben hat, in Indien zu spielen!

LAOLA1: Es hat dir also getaugt…

Stankovic: Sehr! Die einzige Challenge war, dass ich meinen Sohn teilweise drei Monate lang nicht gesehen habe. Aber was den Fußball angeht: Es ist immer angenehm warm, die Platzverhältnisse sind perfekt, wir hatten Spiele vor sehr, sehr vielen Zuschauern. Und es wurde sich toll um uns Spieler gekümmert.

LAOLA1: Du hast das Niveau immer ungefähr mit dem oberen Drittel der HPYBET 2. Liga verglichen. Wie groß ist der Niveau-Unterschied innerhalb der Mannschaften – vor allem indische Kicker und Legionäre betreffend?

Stankovic: Die Inder haben ein großes Manko: Sie haben keine richtige Jugendausbildung genossen, da wird erst jetzt investiert. Deswegen sind die einheimischen Spieler taktisch sehr weit hinter uns. Sie können laufen und kämpfen, aber das Spielverständnis fehlt. Das war am Anfang schon gewöhnungsbedürftig. Als Ausländer nimmt man da schon auch ein bisschen eine Trainer-Assistenten-Rolle ein.

LAOLA1: Wie läuft das gruppendynamisch innerhalb der Mannschaft ab?

Stankovic: Das Verhältnis zu den Indern war sehr, sehr gut. Aber die Inder haben in Appartements gewohnt, die Legionäre im Hotel – dadurch bist du permanent mit den Legionären zusammen. Die Inder haben perfekt Englisch gesprochen. Und ich war der Kommunikator innerhalb des Teams, weil ich fünf Sprachen spreche. Man muss dazu sagen: Indien ist riesig, da kommen Spieler ganz aus dem Norden und ganz aus dem Süden zusammen und können sich dann gar nicht vernünftig unterhalten, weil sie nicht dieselbe Sprache sprechen.

LAOLA1: Wie ist es, zwei Jahre im Hotel zu leben?

Stankovic: Wie wenn du zwei Jahre im Trainingslager bist. Teilweise ist es mühsam. Aber wir hatten schon größere Hotelzimmer, praktisch Junior Suites.

LAOLA1: Wieviel hast du vom echten Leben in Indien mitbekommen?

Stankovic: Wenn du willst, kriegst du als Fußballer gar nichts mit. Ich habe mir aber sehr viel angesehen, habe hinter die Kulissen geblickt.

LAOLA1: Spürt man das Kastenwesen noch?

Stankovic: Ja, sehr! Die Inder wissen genau, wer in der Hierarchie ober und wer unter ihnen ist – dementsprechend ist der Ton miteinander. Ich habe das teilweise als schockierend empfunden. Unser Masseur, der wesentlich älter als ich war, hat mich permanent mit „Sir“ angesprochen. Es war nicht möglich, ihn davon abzubringen. Auch die von den Eltern arrangierten Hochzeiten sind eigentlich unvorstellbar.

"Nach ein paar Sätzen bin ich dann draufgekommen, dass das gar nicht mein neuer Mitspieler, sondern irgendein Hotelgast ist"

LAOLA1: Wie ist es vom Bekanntheitsgrad als Kicker? Haben die Leute gewusst, wer du bist, wenn du auf die Straße gegangen bist?

Stankovic: In Pune weniger, in Hyderabad umso mehr – dort sind wir in Einkaufszentren und Restaurants von den Leuten oft angesprochen worden. Aber in Relation zur Einwohnerzahl war es eigentlich recht wenig. Cricket und Badminton stehen über dem Fußball.

LAOLA1: Kennst du dich im Cricket mittlerweile aus?

Stankovic: Ich habe es im TV permanent geschaut, aber trotzdem keine Euphorie aufbauen können. Es hat mich nie fasziniert. Ich habe es auch selbst ausprobiert – das ist verdammt schwer. Da kommt ein Ball mit über 80 km/h daher, den musst du erst einmal mit dem Holzschläger treffen, ohne dir selbst weh zu tun.

LAOLA1: Bist du irgendwann selbst mit dem Auto gefahren?

Stankovic: Das würde ich nie im Leben tun. Ich habe in über zwei Jahren die Regeln nie so richtig verstanden. Es wird permanent gehupt, wenn Stau ist, fährt man einfach langsam als Geisterfahrer dahin, aber es passieren praktisch keine Unfälle.

LAOLA1: Was hast du sonst noch so erlebt?

Stankovic: Ich habe mir am Anfang schwer getan, mir zu merken, wer wer ist. Nach meinem allerersten Spiel ist der Präsident in die Kabine gekommen und neben dem Korb gestanden, wo die Dreckwäsche reinkommt. Ich dachte, er wäre der Zeugwart und habe ihm mein verschwitztes Dress zugeworfen. Und noch ein paar witzige Geschichten habe ich.

LAOLA1: Welche denn?

Stankovic: Wir haben einen neuen indischen Spieler bekommen. Ich wollte freundlich sein und habe mich im Hotel beim Frühstück zu ihm gesetzt und mit ihm gesprochen. Nach ein paar Sätzen bin ich dann draufgekommen, dass das gar nicht mein neuer Mitspieler, sondern irgendein Hotelgast ist. Das war mir richtig peinlich. Und einmal hatten wir zwei Kobras neben unserem Trainingsplatz. Nie vergessen werde ich auch den Moment, als ich in Dehli aus dem Hotelfenster geschaut und wegen des Smogs keine zehn Meter weit gesehen habe. Mir hat ein Trainer erzählt, er musste in Dehli hin und wieder das Training abbrechen, weil man wegen der schlechten Luft nicht von einem Tor zum anderen gesehen hat.

LAOLA1: Zurück zum Fußball: Du hast in Indien eine defensivere Rolle eingenommen. Wie hat sich das entwickelt?

Stankovic: Das ist peu á peu gekommen. Unter Popovic habe ich noch Box-to-Box auf der Acht gespielt. Danach kam der Spanier Miguel Angel Portugal, der mich schon eher auf der Sechs gesehen hat, weil er meine Diagonalbälle geschätzt hat – da habe ich mich oft zwischen die Innenverteidiger zurückfallen lassen, um die Bälle zu holen. Dann ist der Engländer Phil Brown gekommen, der mich von Haus aus als Organisator in der Mannschaft gesehen hat. Ich war vor der Abwehr sein verlängerter Arm am Platz. Das Spiel als Sechser hat mir wahnsinnig gut gefallen. Ich hatte viele Ballkontakte und war permanent ins Spiel eingebunden. Aber teilweise war es ein bisschen langweilig, weil ich ja doch einen Offensivdrang habe.

LAOLA1: Du hast dich also in Indien fußballerisch auch nochmal weiterentwickelt?

Stankovic: Ich habe andere Rollen kennengelernt. Meine fußballerische Erkenntnis aus Indien ist: Wenn ich meine ganze Karriere auf den Positionen Sechs und Acht gespielt hätte, wäre noch einiges mehr möglich gewesen. Ich war als Spieler ja immer extrem polyvalent, bin als reiner Stürmer zu Sturm gekommen, hab im Nationalteam links, bei der Austria rechts gespielt. Ich war überall zuhause. Das stoppt die persönliche Entwicklung.

"Ich bin zur Vorbereitung gekommen und musste das Training leiten, weil der Trainer noch kein Visum hatte"

LAOLA1: Du hast in Indien zunächst für Pune City, dann für Hyderabad gespielt. Klassischer Vereinswechsel war das aber keiner, oder?

Stankovic: Vorneweg, die indische Super League ist eine Franchise-Liga. Der Eigentümer von Pune City ist an der Börse gecrasht und musste den Verein verkaufen. Der neue Investor wollte dann nicht mehr in Pune spielen, sondern nach Hyderabad. Alle, die einen laufenden Vertrag hatten, wurden übernommen, konnten aber auch ablehnen. Aber das war drei Wochen vor Saisonstart, da gab es keine anderen Optionen. Also sind wir alle mitgegangen.

LAOLA1: Wie ist es, für einen Verein zu spielen, den es bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch gar nicht gegeben hat? Auch von den Fans her…

Stankovic: Die Fans waren fantastisch. Es war eine Euphorie da, weil die Stadt Hyderabad eine große Fußball-Historie aus den 1950er Jahren hat. Aber sonst war es Chaos pur. Da gab es Dinge, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Wie gesagt, der Klub ist drei Wochen vor Saisonstart gegründet worden. Ich bin zur Vorbereitung gekommen und musste das Training leiten, weil der Trainer noch kein Visum hatte. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nichtmal noch die Vereinsfarben. Und das Trainingszentrum wurde erst mitten in der Saison fertig, wir haben in der Zwischenzeit auf dem Cricket-Platz einer Universität trainiert. Das hat sich dann alles leider auch auf die Ergebnisse ausgewirkt.

LAOLA1: Dein Vater war sicher stolz, dass du zwischenzeitlich als Trainer in seine Fußstapfen getreten bist.

Stankovic: Ich habe mit ihm via Face-Time ein paar Trainings besprochen. Ich bin im Starbucks gesessen und habe ihn darum gebeten, in seinem Archiv zu kramen, um mir ein paar Tipps zu geben.

LAOLA1: Wie geht es für dich weiter?

Stankovic: Es steht alles Mögliche im Raum. Es gibt Angebote, weiter Fußball zu spielen, kann aber auch in eine andere Richtung gehen. Ich bin 34 Jahre alt, bin topfit, muss mir aber gründlich überlegen, was das Beste für mich ist. Ich habe ein paar tolle Optionen, wo ich im Fußball bleiben würde, aber nicht als Spieler. Mehr will und kann ich nicht sagen.

Im VIDEO erklärt "Stanko", ob er sich eine Zukunft als Trainer vorstellen kann:

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