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Wydra: So wurde ich plötzlich Aues Abwehrchef

Dominik Wydra wechselte wegen dem Trainer nach Aue. Doch dann kam alles anders.

Wydra: So wurde ich plötzlich Aues Abwehrchef Foto: © GEPA

Der Fußball schreibt seine ganz eigenen Geschichten. Dominik Wydra kann ein Lied davon singen.

Als der 23-Jährige im Sommer vom VfL Bochum zu Erzgebirge Aue gewechselt ist, tat er das in erster Linie wegen des Trainerteams der Ostdeutschen. Doch nach nur drei Pflichtspielen war Thomas Letsch schon wieder Geschichte.

Für den ehemaligen ÖFB-U21-Kapitän hatte das aber sein Gutes. Denn der Wiener, der eigentlich Mittelfeldspieler ist, ist unter Neo-Coach Robin Lenk gesetzt – als Abwehrchef.

„Ich kann alle meine Stärken ausspielen“, sagt Wydra im LAOLA1-Interview.

Der Ex-Rapidler spricht zudem über sein Dasein als Veilchen, seinen neuen Spitznamen und seine Beziehung zum Bergbau.

VIDEO: Der Wut-Fan des ÖFB-Teams spricht Tacheles:

(Interview beginnt unter dem Video!)


LAOLA1: Hast du gedacht, dass du irgendwann ein Veilchen bist und Violett trägst?

Dominik Wydra: (lacht) Ich wusste, dass die Frage kommt! Mittlerweile habe ich mich schon ein bisschen daran gewöhnt. Wir spielen aber auch oft in Weiß oder Gold.

LAOLA1: Lass uns ein paar Wochen zurückblicken. Warum ist es zu deinem Wechsel nach Aue gekommen?

Wydra: Während der Vorbereitung mit dem VfL Bochum hatte ich ein Gespräch mit Sport-Vorstand Christian Hochstätter. Ich war nicht zufrieden damit, wie die Rückrunde gelaufen ist. Ich habe am Anfang gespielt, dann war ich verletzt und habe nach meiner Rückkehr eigentlich keine Chance mehr gekommen. Er hat damals gemeint, dass er die Situation auch nicht ganz versteht. Jedenfalls habe ich mich nebenbei umgeschaut und relativ schnell den Anruf aus Aue bekommen.

"Thomas Letsch wollte ein ganz anderes System spielen – ein bisschen wie Red Bull mit Gegenpressing"

LAOLA1: Und dann war schon alles klar?

Wydra: Wolfgang Luisser, den Thomas Letsch als Co-Trainer mit nach Aue genommen hatte, kenne ich schon sehr lange. Und von Letsch hatte ich viel Positives gehört. Nach dem Gespräch mit ihm war mir klar, dass das eine gute Option für mich wäre. Danach ist es recht schnell gegangen. Die Hauptgründe waren, dass ich das Trainerteam kannte und auf mehr Spielzeit als in Bochum kommen wollte.

LAOLA1: Da konntest du noch nicht mit dem turbulenten Start rechnen. Zum Auftakt in die Meisterschaft bist du nur auf der Bank gesessen, nach drei Pflichtspielen war Letsch schon wieder weg.

Wydra: Das war so nicht zu erwarten. Da sieht man, wie schnell es im Fußball geht.

LAOLA1: Was war das Problem mit Letsch? Hat es zwischen dem Trainer und der Mannschaft nicht funktioniert?

Wydra: Die Rückrunde ist für Aue unter Domenico Tedesco (Anm.: seit Sommer Schalke-Trainer) richtig gut gelaufen. Dadurch war es für beide Seiten schwer. Der Trainer wollte ein ganz anderes System spielen – ein bisschen wie Red Bull mit Gegenpressing. Das klappte so aber nicht. Und so gab es starken Gegenwind. Ich habe irgendwo Verständnis für beide Seiten.

LAOLA1: Dann wurde Robin Lenk, der schon als Spieler hier war und seit vielen Jahren in Aue arbeitet (Anm.: als Scout, Co-Trainer und Trainer der zweiten Mannschaft), zum Interims-Chefcoach bestellt. Plötzlich hat sich alles ins Positive gewendet.

Wydra: Er kennt die Mannschaft schon lange, weiß um ihre Stärken und Schwächen. Wir wussten als Mannschaft, was wir zu tun hatten – wohin wir laufen, wie wir gegen den Ball arbeiten. Die Abläufe waren klar. Vom ersten Training an hat man gemerkt, dass der Plan schon da war.

Aues neuer Abwehrchef gegen Braunschweig
Foto: © getty

LAOLA1: Dich selbst hat er zum zentralen Verteidiger einer Fünferkette umfunktioniert. Was hast du dir gedacht, als du zum ersten Mal davon gehört hast?

Wydra: Die Idee gab es in Bochum auch schon. Da war es in der Vierkette als Innenverteidiger. Das war schwer, ich wurde ins kalte Wasser geworfen und hatte das vorher eigentlich nie trainiert. In der Fünferkette ist es jetzt ähnlich wie damals in Paderborn. Dort habe ich als Sechser den Spielaufbau übernommen und bin im Spiel dann aber natürlich mit dem Ball weiter ins Zentrum gerückt. Jetzt bleibe ich eine Reihe weiter hinten, was gut funktioniert. Ich werde immer sicherer und kann mir vorstellen, diese Position länger zu spielen.

LAOLA1: Nach dem ersten Spiel auf deiner neuen Position hast du auf Instagram #franz gepostet. Wieviel Beckenbauer steckt in dir?

Wydra: (lacht) Das war der Spitzname, den mir ein paar meiner Mitspieler gegeben haben. Ich finde es lustig. Aber ganz ehrlich: Ich habe Beckenbauer ja nie spielen gesehen.

LAOLA1: Warum kommt dir diese Position entgegen?

Wydra: Ich kann alle meine Stärken ausspielen. Ich kann ruhig von hinten aufbauen, Diagonalbälle spielen, gutes Stellungsspiel zeigen und ein paar Bälle ablaufen. Ich habe früher ja sogar als Zehner gespielt. Von daher weiß ich ungefähr, was der gegnerische Zehner vor hat und wo er den Ball hinspielen könnte – das hilft mir.

LAOLA1: Du hattest beim 3:1-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg eine Passquote von 91 Prozent. Auf dieser Position darf man sich keine Fehler erlauben, oder?

Wydra: Genau. Es sieht vielleicht einfach aus, aber wenn du einen Fehler machst, ist es meistens ein Gegentor. Das gilt aber für die gesamte Fünferkette. Wir spielen mit viel Risiko. Der Trainer sagt uns auch, dass er es uns nicht übel nimmt, wenn einmal etwas schiefgeht. Bis jetzt machen wir das richtig gut. Ich könnte mich an keinen Fehler im Spielaufbau erinnern, der uns in den letzten zwei Partien unterlaufen ist. Wir dürfen jetzt nur nicht nachlässig werden.

"Dass ich nach Bochum wieder bei einem Klub lande, wo der Bergbau eine wichtige Rolle in der Region spielt, hätte ich auch nicht erwartet"

LAOLA1: Zwei Spiele als Abwehrchef, ein Tor erzielt. Nicht schlecht.

Wydra: Ja. Vor allem war dieses 1:0 der Dosenöffner des Spiels. Ich habe mir vor einem Jahr vorgenommen, als Sechser oder Achter mehr Scorerpunkte zu sammeln. Als Innenverteidiger habe ich jetzt die Aufgabe, dass wir zu Null spielen. Leider haben wir das bisher noch nicht geschafft.

LAOLA1: Darf ich dich mittlerweile Wandervogel nennen? Ich meine nicht nur deine Positionen…

Wydra: Eigentlich schon. Es ist mein dritter Verein im dritten Jahr. Der Abstieg mit Paderborn war so natürlich nicht geplant. In Bochum hätte es anders laufen sollen. Ich hätte ja bleiben können, aber es ist nicht mein Anspruch, in Bochum auf der Bank zu sitzen und zu hoffen, dass entweder der Trainer geht oder sich jemand verletzt. Ich will spielen.

LAOLA1: Nerven die Übersiedlungen schon?

Wydra: Mittlerweile schon.

LAOLA1: Was spricht dafür, dass du in Aue wirklich heimisch wirst?

Wydra: Es spricht nichts dagegen. Für mich ist das Wichtigste, dass wir guten Fußball spielen und eine gute Mannschaft haben. Wer die zwei Spiele gegen Braunschweig und Nürnberg gesehen hat, erkennt unser großes Potenzial. Mit diesem Team ist vieles möglich. So wie es im Moment ist, stelle ich mir das vor. Genau diesen Fußball will ich spielen. Ich sehe derzeit nichts Negatives.

LAOLA1: Bist du schon ein Bergbau-Experte?

Wydra: Es hängen hier einige Fotos von Touren, wo die Mannschaft die Schächte erkundet hat. Ich selbst war leider noch nicht dabei, würde mir das aber gerne mal anschauen. Im Umfeld bekommt man das schon mit. Dass ich nach Bochum wieder bei einem Klub lande, wo der Bergbau eine wichtige Rolle in der Region spielt, hätte ich auch nicht erwartet.

LAOLA1: Wie kann man sich Aue als Außenstehender vorstellen. Rund 16.000 Einwohner – für dich als Wiener muss das eine ganz andere Welt sein.

Wydra: Natürlich ist Aue gegenüber Wien eine sehr kleine Stadt. Hier kennt jeder jeden. Und Fußball ist an jeder Ecke DAS Thema. Aber man ist auch schnell in größeren Städten, die von Aue aus gut und schnell erreichbar sind. Leipzig und Dresden liegen nur rund einhundert Kilometer entfernt. Bis Chemnitz mit seinen rund 250.00 Einwohnern sind es gerade mal 20 Fahrminuten von Aue.

LAOLA1: Aber auch in Aue tut sich etwas…

Wydra: Richtig! Wir bekommen gerade ein neues und wirklich richtig geiles Stadion mit Platz für rund 16.000 Zuschauer. Die Stimmung ist schon jetzt Wahnsinn. Aktuell sind drei der vier Stadion-Seiten fast schon fertig. Und wenn Ende 2017 alles fertig ist, rechne ich damit, dass oft ausverkauft sein wird. Das ist für so eine kleine Stadt wirklich beachtlich. Aber die Fans kommen natürlich aus dem gesamten Erzgebirgskreis (Anm.: einwohnerreichster Landkreis in Sachsen; rund 345.000 Einwohner) und von noch weiter her, um uns anzufeuern und unsere Spiele zu sehen.

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