Wenn England und Spanien am Sonntag (18.00 Uhr, im LIVE-Ticker) in Basel um den Frauen-Fußball-EM-Titel rittern, schaut Irene Fuhrmann von der Tribüne gespannt zu.
Nicht als Fan, sondern zum letzten Mal in diesem Turnier als Technische Beobachterin der UEFA. Eine Rolle, die für Stress sorgt, aber von ihr als "coole Erfahrung" eingestuft wird. Im Kampf um den Europameister-Titel sieht die 44-Jährige Weltmeister Spanien "in Summe ganz klar im Vorteil".
Die Ibererinnen hätten ihre Sache bis zum Halbfinale gegen Deutschland in einem gewissen Flow souverän runtergespielt. Dann war ein Geniestreich von Aitana Bonmati zum 1:0 in der 113. Minute nötig.
"Man muss sagen, dass es dann um diese Schlüsselmomente geht, das war wirklich genial von ihr und macht eine Topspielerin aus, dass sie in so einem Moment glänzt", erläuterte Fuhrmann im APA-Gespräch. Die Auszeichnung als beste Spielerin des Turniers ist ihr deshalb noch lange nicht sicher, auch aufgrund einer Gehirnhautentzündung im EM-Vorfeld lief nicht alles nach Plan.
Fuhrmann von Guijarro begeistert
"Die Wahl zur Spielerin des Turniers wird eine spannende Sache, weil eine Spielerin, bei der man sagt, dass sie über das ganze Turnier auffällig war, würde mir nicht einfallen", schilderte Fuhrmann, die da mitstimmt, ihre Sicht.
Im spanischen Lager schaut sie aktuell vor allem Patri Guijarro gerne zu, die meist im Schatten von Bonmati und der ebenfalls zweifachen Weltfußballerin Alexia Putellas steht. "Sie macht keine Fehler, ist so ruhig am Ball, verteilt die Bälle, ist einfach ein Wahnsinn." Mit 27 Jahren zählt die Barcelona-Akteurin schon zu den routinierteren Akteurinnen.
Viele davon konnten der EM nicht wie gewünscht den Stempel aufdrücken. "Einige Stars haben für mich enttäuscht, junge Spielerinnen waren die Überraschungen", verlautete die Wienerin. Dazu zählt die 19-jährige England-Stürmerin Michelle Agyemang, die die "Lionesses" zweimal mit Toren vor dem Aus bewahrte.
"Es ist unfassbar, welche Körperlichkeit und Präsenz sie reinbringt. Sie hat auch einen guten Speed und den Instinkt, richtig zu stehen und dann auch die Bälle aufs Tor zu bringen", charakterisierte Fuhrmann den "Rohdiamant".
"Scheint, als wären sie unbesiegbar"
Ihre Trainerin Sarina Wiegman brachte sie immer zum richtigen Zeitpunkt. Dadurch machte sie sich selbst einen Gefallen, steht sie doch zum fünften Mal in Folge in einem Finale (EM und WM). "Das sind die Geschichten, die der Fußball schreibt", sagte Fuhrmann.
Dass England über weite Strecken nicht überzeugend agierte, kam für sie "nicht so überraschend". Den großen Coup traut sie dem Titelverteidiger trotzdem zu. "Es scheint, als wären sie unbesiegbar. Sie haben viel Vertrauen aufgebaut und können vielleicht auch einen Gegner, der fußballerisch im Vorteil ist, knacken", vermutete die Ex-ÖFB-Teamchefin.
Möglicherweise in einem Elfmeterschießen. Vom Punkt präsentierten sich die EM-Akteurinnen wenig ruhmreich, nur 24 von 42 Elfmetern wurden verwandelt. "Das ist ein auffallender Negativtrend, ich kann es mir nur so erklären, dass es Nervensache ist."
Sonst überwog das Positive. "Die Spiele in der K.o.-Phase waren unfassbar eng, man hat gesehen, dass jeder Fehler entscheidend sein kann", skizzierte Fuhrmann. In Summe habe man "attraktiven" Fußball geboten bekommen, abgesehen von Portugal am Anfang habe sich auch "kein Team nur eingeigelt".
"Gewisser Wehmut" noch da
Aus physischer, technischer und taktischer Sicht sei eine Weiterentwicklung erkennbar gewesen. Veränderte Grundaufstellungen während der Partien gebe es immer öfter. Österreichs Play-off-Bezwinger Polen holte beim EM-Debüt drei Punkte und habe die Sache im Gegensatz zu den punktlosen Teams Dänemark und Island "richtig gut" gemacht.
Bei Fuhrmann selbst ist noch immer ein "gewisser Wehmut" dabei, es nicht mit dem ÖFB-Team zur Endrunde geschafft zu haben. "Lieber wäre es mir mit dem Team gewesen, jetzt bin ich froh, die EURO auf andere Art miterleben zu dürfen", sagte die Ex-ÖFB-Kickerin.
"Zuschauerrekorde" und "Fußballfeste bei toller Atmosphäre" bleiben ihr in Erinnerung. Wie es mit ihr weitergeht, wird die Zukunft zeigen.
Zukunft offen
Seit dem Ende ihrer ÖFB-Ära Ende Dezember 2024 ist sie ohne Trainerjob. Auch da sie einen Wechsel zu einem Nationalteam ausschlug. Die nicht perfekten Englischkenntnisse spielten eine Rolle. "Ich wäre auch noch nicht bereit gewesen", betonte Fuhrmann.
Dass eine zukünftige Trainertätigkeit nur im Ausland realistisch erscheint, ist ihr bewusst. "Im Frauenfußball habe ich in Österreich das Höchste machen dürfen und der Männerfußball ist noch nicht so weit für eine Frau."
Vielleicht aber gibt es gar keine Rückkehr auf die Coachingbank. Diverse Tätigkeiten für die UEFA - für die EM wird sie 20 Tage im Auftrag der Fußball-Union in der Schweiz verbracht haben - oder als Co-Kommentatorin im Fernsehen genieße sie aktuell. "Es macht Spaß, viele Dinge auszuprobieren, ich lasse mich gerade ein bisschen treiben."
Nach der EM geht es weiter zu einem Trainerkongress in Leipzig, wo sie einen Vortrag über die Champions League hält. Danach ist Durchschnaufen angesagt.