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Das Wundenlecken der Three Lions

Heimreise statt "coming home": Kollektive Leere bei Englands Team. Aber Hoffnung.

Das Wundenlecken der Three Lions Foto: © getty

Der kollektive WM-Rausch ist vorbei. "Football is coming home" - Englands Nationalelf wird heimkehren. Wieder einmal ohne Titel, aber zumindest mit großer Perspektive.

Die Fans und auch Experten feierten nach dem verlorenen Halbfinale die junge Mannschaft und auch Manager Gareth Southgate. Der 47-Jährige wollte Optimismus verbreiten, gab aber auch zu: "Im Moment fühlen wir nur den Schmerz."

Trost gab es nach dem 1:2 nach Verlängerung gegen Kroatien aus dem Königshaus. "Ich weiß, wie enttäuscht Ihr jetzt sein müsst. Aber ich könnte nicht stolzer sein auf diese Mannschaft, und Ihr solltet es auch sein", schrieb Prinz William via Twitter.

Auf den Rängen des Moskauer Lushniki-Stadions feierten die Anhänger ihre gestürzten Helden noch Minuten nach dem Schlusspfiff, durch die Lautsprecher dröhnte der Oasis-Klassiker "Don't Look Back In Anger".

Kollektive Hoffnung im Hyde Park

Im Groll zurückschauen mussten die englischen Teamspieler dennoch ein wenig. Kieran Trippier hatte die Three Lions schon in der 5. Minute per Freistoß in Führung gebracht, die Kroaten wirkten angeschlagen.

In zahlreichen auf Social-Media-Plattformen verbreiteten Videos bekam man auch abseits der Insel ein Gefühl dafür, wie sehr in England das Ende der titellosen Zeit herbeigesehnt wurde. Bierduschen unter den Zehntausenden Fans im Londoner Hyde Park waren zu sehen, alles lief für das Mutterland des Fußballs auf das erste Finale seit dem legendären Titelgewinn 1966 hin.

Der Partycrasher kam aber nach der Pause in Form einer kroatischen Leistungssteigerung. England hatte dieser nicht viel entgegenzusetzen. Ivan Perisic und schließlich Mario Mandzukic in der Verlängerung zerstörten mit ihren Toren alle Träume.

Am Ende saßen die englischen Spieler gedankenverloren auf dem Rasen, viele hatten Tränen in den Augen. "Wir dachten, wir könnten es schaffen, aber es hat nicht sollen sein", sagte Kapitän Harry Kane. "Der Trainer hat kurz zu uns in der Kabine gesprochen: Wir sollen uns nicht schlecht fühlen, sondern stolz sein."

Nächste Chance? Hoffen, aber kein Wissen

In diesen Tagen wird es freilich schwer sein für die Mannschaft. Noch wartet am Samstag das Spiel um Platz drei der Enttäuschten gegen Belgien. Southgate will seine am Boden zerstörte Mannschaft für das Selbstüberwindungsspiel in St. Petersburg aufbauen. "Es ist natürlich eine sehr schwere Aufgabe, jeden mental dort wieder hinzubringen", gab der selbst um Fassung ringende 47-Jährige jedoch zu.

Die Statements der Spieler ließen eher darauf schließen, dass das Turnier im Kopf für sie bereits vorbei ist. "Am Boden zerstört", schrieb beispielsweise Verteidiger Harry Maguire nach dem Spiel auf Twitter.

Englands Ex-Internationaler Gary Lineker fasste die Emotionen der mit dem Team leidenden Fans vor den Bildschirmen wohl zusammen. "Zutiefst erschüttert, aber diese junge Truppe hat absolut alles gegeben. Das ist ein großer Schritt nach vorne und sie können nur noch besser werden", meinte er.

Southgate sah ebenfalls eine rosige Zukunft. Sein Team könne auch in künftigen Turnieren um Titel mitspielen, betonte er, hielt jedoch eines fest: "Heute war eine wunderbare Gelegenheit für uns. Man kann nicht garantieren, dass eine solche wieder kommt."

Lob für Southgate gab es auch von der kritischen englischen Presse. Insgesamt war die mediale Stimmung trotz des Aus eine positive. Für viele Engländer wurde die Mannschaft zum Sinnbild eines neuen Gemeinschaftsgefühls. "Danke für die erlösende Ablenkung vom Brexit. Wir sind stolz auf Euch. Danke, dass Ihr uns vereint habt", schrieb der "Independent".

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