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Kurt Jara: "Valencia ist derzeit keine Mannschaft"

Ex-Fledermaus Kurt Jara im LAOLA1-Interview über Krise, große Zeiten und Rapids Chancen.

Kurt Jara:

Kurt Jara ist fast in Vergessenheit geraten - spätestens seit dem unrühmlichen Ende seiner Karriere-Laufbahn bei RB Salzburg, auch zum ÖFB-Teamchef reichte es nicht.

Dabei hat der mittlerweile 65-jährige Tiroler, der viel Zeit an der spanischen Küste verbringt, viel zu erzählen. Vor allem über den FC Valencia, wo er selbst von 1973 bis 1975 spielte und dessen Heimspiele er, so oft es geht, vor Ort verfolgt.

Der ehemalige Profi und Startrainer hat die Entwicklung der Fledermäuse verfolgt, kennt noch immer Leute im Verein und leidet in der aktuellen Krise mit.

„Valencia ist derzeit keine Mannschaft“, macht Jara dem kommenden Europa-League-Gegner Rapid Mut und traut den Grün-Weißen durchaus eine Sensation zu.

Im großen LAOLA1-Interview spricht er auch über Valencias Abkommen vom Erfolgsweg, die Entwicklung unter dem stoischen Gary Neville, die Wahrnehmung in Spanien, seine Zeit bei den Fledermäusen sowie die falsch verstandene Kritik an ÖFB-Teamchef Marcel Koller.

LAOLA1: Sie haben seit Jahren einen Nebenwohnsitz in Spanien. Seit wann gibt es diese Vorliebe für die iberische Halbinsel?

Kurt Jara: Mein Lebensmittelpunkt ist nach wie vor Innsbruck, aber ich bin des Öfteren in Spanien. Ich wohne genau zwischen Valencia und Alicante, brauche 45 Minuten ins Mestalla. Mir hat das Leben dort schon immer gut gefallen. 1999 war es die Überlegung, sich einen zweiten Wohnsitz zu schaffen, wo es in der Winterzeit ein bisschen wärmer ist und man mehr unternehmen kann.

LAOLA1: Als passionierter Golfer ein schönes Platzerl…

Jara: Ja, ich spiele sehr gerne. Ich bin dort direkt am Golfplatz und am Meer. Für meine Frau und mich ist das Lebensqualität, nach ein paar Monaten in Österreich wieder ein paar Wochen nach Spanien zu fahren. Wir waren immer Reisende und brauchen das jetzt auch noch immer, dass man immer Abwechslung hat. Wenn das möglich ist, ist das sehr schön.

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LAOLA1: Zudem gibt es in Spanien gute Fußballkost. Wie oft zieht es Sie auf die Fußballplätze?

Jara: Im Moment läuft es ja nicht so erfolgreich für Valencia, aber ich schaue mir die Heimspiele immer an. Ich kriege nach wie vor meine zwei Ehrenkarten. Letztes Jahr, als Andreas Ivanschitz noch bei Levante gespielt hat, habe ich mir Samstag und Sonntag spanischen Fußball angesehen. Zu Levante fahre ich jetzt nicht mehr, aber Valencia schon.

LAOLA1: Welche Rolle spielt der Fußball prinzipiell noch in Ihrem Leben?

Jara: Ich schaue sehr gerne und viel, verfolge es auch in den Medien. Aber es ist nicht mehr so, dass ich aktiv noch etwas tun müsste. Ich habe schöne Zeiten erlebt, das Thema ist für mich erledigt. Aber ich kenne mich nach wie vor in den Ligen aus, auch in Österreich. Letzte Woche war ich in Bern und habe mir Young Boys gegen Grasshoppers angesehen. Ich bin nicht weg vom Fußball, kann die Spiele jetzt aber ohne Anspannung genießen.

LAOLA1: Wann haben Sie endgültig mit einem Engagement im Fußball abgeschlossen?

Jara: Nachdem ich auch als Teamchef im Gespräch war, dann aber Marcel Koller kam. Damit hat das i-Tüpfelchen auf meiner Karriere nicht geklappt. Danach waren nur ein paar Angebote da, die mich nicht so gereizt haben. Jetzt ist Schluss. Mittlerweile bin ich in Pension und genieße mein Leben. Die Arbeit sollen die Jüngeren machen.

LAOLA1: War die Enttäuschung über den verpassten Teamchef-Posten im Nachhinein der Auslöser für Ihre Kritik an der Bestellung von Koller?

Jara: Das war keine Kritik, das wurde falsch verstanden. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass ihn damals in Österreich noch keiner kannte. Hätte man eine Umfrage gemacht, hätten 90 von 100 gesagt: Wer ist das? Jetzt kennt ihn jeder. Das kam damals in den falschen Hals, er war ja auch zwei Mal Meister in der Schweiz und hat in Deutschland gearbeitet. Ich habe ihn damals auch angerufen und es ihm erklärt. Wir waren ja früher Zimmerkollegen.

LAOLA1: Glauben Sie, dass Ihnen der Rechtsstreit mit RB Salzburg eine weitere große Trainer-Karriere gekostet hat?

Jara: Ich habe damals vielleicht den einzigen Fehler in meiner Karriere gemacht, dass ich trotz Angebot von Kaiserslautern nicht dort geblieben, sondern nach Salzburg gegangen bin. Aber das Thema ist gegessen, das berührt mich gar nicht mehr. Am besten man spricht nicht mehr darüber. Ich habe eine erfolgreiche Zeit als Spieler und Trainer gehabt. Aber das eine klappt, das andere halt nicht.

LAOLA1: Kommen wir zu Valencia-Rapid! Sie waren Trainer von Zoran Barisic beim FC Tirol. Hat er Sie kontaktiert, um Erkenntnisse aus Valencia zu erfahren?

Jara: Nein, das hat er anfangs zwar betont, weil er gewusst hat, dass ich oft in Spanien bin, aber er hat mich nicht kontaktiert. Ich bin ohnehin der Überzeugung, dass Rapid genug Scouts und Spielbeobachter hat, die das jahrelang machen und genau wissen, worauf Zoki Wert legt. Da braucht er meinen Senf nicht dazu. Den letzten Kontakt gab es in Villarreal.

LAOLA1: Was war in den letzten Spielen des kriselnden FC Valencia auffallend?

Jara: Dass sie schon seit längerem sehr gute Einzelspieler haben, die ein Spiel entscheiden können. Aber sie sind keine Mannschaft und haben auch noch keine Linie vom Gefüge her. Sie spielen permanent in einer anderen Aufstellung, da kann nicht alles hundertprozentig klappen. Sie haben heuer relativ schnell den Trainer gewechselt, obwohl Nuno Espirito Santo letztes Jahr sehr viel Erfolg und die Mannschaft sehr gut gespielt hatte. Im Prinzip müsste Valencia die dritte oder vierte Kraft in Spanien sein.

LAOLA1: Ist es tatsächlich eine handfeste Krise oder ist auch viel zusammengekommen?

Jara: Sie hatten auch den einen oder anderen Verletzten, aber das darf bei dem Kader keine Ausrede sein. Ich habe Spiele gesehen, wo sie katastrophal gespielt haben, ohne Aufbäumen. Beim 0:1 gegen Gijon haben sie 30 Minuten Riesendruck gemacht, hätten 4:0 führen müssen, doch nach dem Rückstand lief gar nichts mehr. Da hat man gesehen, dass das Selbstvertrauen nicht groß ist. Was einfach fehlt, ist die Kontinuität. Einmal spielt der Stürmer, dann ein anderer. Auch im Mittelfeld, in der Abwehr und sogar bei den Torhütern wurde ständig gewechselt. Das war natürlich nicht gut für die Ruhe im Team. Dazu kommt, dass Nuno permanent an der Linie gearbeitet hat, Neville aber ruhig ist und selten dirigiert. Das wird nicht so gern gesehen. Wenn man sieht, wie spanische Trainer, etwa Guardiola oder Emery, an der Linie arbeiten, dann muss sich eine Mannschaft auch erst daran gewöhnen, dass von außen so wenig kommt.

LAOLA1: Überrascht es Sie, dass trotzdem so lange an Gary Neville festgehalten wurde?

Jara: Das ist auch ein Grund, warum die Leute nicht so zufrieden sind. Was man so liest, hat das halt auch damit zu tun, dass er ein Geschäftspartner von Geldgeber Peter Lim ist. Am Stammtisch wird schon darüber diskutiert, aber nicht aggressiv. Die Fan-Gemeinschaft ist eine andere als zum Beispiel in Deutschland. Wenn es nicht so läuft, dann werden die weißen Tücher gezückt. Die sind meistens gegen den Präsidenten gerichtet, die Spieler werden höchstens von der Presse angegriffen. Die Leute leben aber mit ihrem Verein.

LAOLA1: Wie bewerten Sie Rapids Leistungen, vor allem in der Europa League?

Jara: Bei Villarreal habe ich sie live gesehen, da haben sie sehr gut gespielt, ihre Stärken gezeigt und sich defensiv sehr gut verhalten. Dazu sind sie gute Konter gefahren und hätten auch aufgrund der großen Chancen in Spanien gewinnen können. Auch im Derby waren sie sehr gut organisiert und hatten das nötige Glück. Das werden sie am Donnerstag auch brauchen. Wenn sie alles abrufen, traue ich ihnen ein gutes Ergebnis zu.

LAOLA1: Sie glauben also durchaus, dass Rapid auch Valencia wehtun könnte?

Jara: Wenn sie die Leistung auf den Platz bringen, mit Selbstvertrauen spielen und die eine oder andere Kontermöglichkeit gut abschließen, dann schon. Die Konter müssen sie fahren, weil Valencia nicht gerne nach hinten arbeitet. Sie spielen lieber nach vorne. Die Chancen stehen gut, ein positives Ergebnis für Wien herauszuholen.

LAOLA1: Valencia ist trotz Krise noch immer eine Top-Adresse. Was unterscheidet den Verein heute mit jenem, der 2000 und 2001 das Finale der Champions League erreichte?

Jara: Damals war es eine Mannschaft, die im Kollektiv gearbeitet hat, defensiv stark war und überragende Einzelspieler hatte. Canizares, Mendieta und Co. waren Riesenspieler, 2002 und 2004 wurde Valencia sogar noch Meister. Damals hat alles zusammengepasst, so wie letztes Jahr auch. An Barcelona und Real Madrid werden sie momentan nicht vorbeikommen, an Atletico wohl auch nicht. Aber die vierte Kraft müssten sie mit Abstand sein, das wird erwartet. Ein Europacup-Startplatz muss das Minimalziel sein, das ist dieses Jahr fast nicht mehr drin.

LAOLA1: Ist die sportliche Krise auch die Folge der Machtkämpfe und Ungereimtheiten der letzten Jahre?

Jara: Das wird so sein, aber den Einblick habe ich nicht. Sie haben finanziell schwierige Zeiten durchgemacht. Deshalb hat der Geldgeber aus Singapur den Verein übernommen, seine Leute installiert, dadurch ist die Tradition ein bisschen in den Hintergrund geraten. Dann kam die Kritik am Trainerwechsel, weil Neville noch kein Profi-Team trainiert hat. Da kommt schon eine gewisse Unzufriedenheit auf. Aber es wird viel erwartet, weil sehr viel Geld in die Mannschaft gesteckt wurde.

LAOLA1: Sie haben selbst von 1973 bis 1975 für Valencia gespielt. Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?

Jara: Das Stadion war permanent voll, es war immer Stimmung. Als 22-Jähriger dorthin zu kommen, war ein absolutes Highlight. Ich habe sehr viel gelernt, das mir in meiner späteren Karriere weitergeholfen. Im Prinzip wurde ich in Spanien wirklich zum Profi. Seitdem habe ich gewusst, dass Leistung und Ergebnis zählt, alles andere ergibt sich von selbst.

Spieler

Verein von-bis

Andreas Ivanschitz UD Levante 2013-2015
Alexander Manninger Espanyol Barcelona 2002
Dietmar Kühbaur Real Sociedad San Sebastian 1997-2000
Marcus Pürk Real Sociedad San Sebastian 1995/96
Andreas Ogris Espanyol Barcelona 1990/91
Gerhard Rodax Atletico Madrid 1990/91
Toni Polster FC Sevilla, Logrones, Rayo Vallecano 1988-1993
Peter Wurz Espanyol Barcelona 1988
Kurt Welzl FC Valencia 1981-1983
Hans Krankl FC Barcelona 1978-1980
Thomas Parits FC Granada 1974-1977
Kurt Jara FC Valencia 1973-1975
Helmut Senekowitsch Betis Sevilla 1961-1964

LAOLA1: ÖFB-Legionäre gab es in Spanien wenige. War das damals schon etwas Besonderes?

Jara: Sicherlich, auch heute noch. Die Legionäre kann man ungefähr an zwei Händen abzählen. Der erfolgreichste war sicher Hans Krankl, sonst Helmut Senekowitsch oder auch Toni Polster. Die Ansprüche waren damals auch sehr hoch. Mit Alfredo di Stefano habe ich einen sehr bekannten Trainer gehabt. Das war ein Erlebnis, jeden Tag mit einem der besten Fußballer aller Zeiten zu arbeiten.

LAOLA1: Das Mestalla war schon damals ein Kultstadion. Was macht diese Heimstätte so einzigartig?

Jara: Es liegt mitten in der Stadt, die Tribünen gehen sehr steil nach oben und es ist sehr eng – ein altehrwürdiges Stadion. Aber es wird nicht mehr lange stehen, in zwei Jahren wollen sie ins neue Stadion übersiedeln.

LAOLA1: Wie groß ist Ihre Verbundenheit zum Verein noch? Gibt es noch Bekanntschaften?

Jara: Der ehemalige Kapitän und Mitspieler von mir, Juan Sol, ist noch im Vorstand. Den treffe ich immer wieder einmal auf einen Kaffee oder zum Abendessen. Der ganz alte Zeugwart von früher ist noch dort, zu einigen ehemaligen Präsidenten habe ich auch noch Kontakt. Mittlerweile bin ich seit fast 15 Jahren in Spanien, da hat sich auch schon bei uns im Dorf herumgesprochen, dass ich einmal dort gespielt habe. Nach so langer Zeit ist es aber doch schön, noch gekannt zu werden.

LAOLA1: Werden Sie demnach auch am Donnerstag gegen Rapid im Stadion sein?

Jara: Leider nicht, das tut mir eh leid. Aber es war schon lange ausgemacht, dass ich mit meinen Enkelkindern, die in der Schweiz leben, Skifahren bin. Dabei wäre ich am Montag wieder vor Ort. Aber wie gesagt: Ich interessiere mich noch für den Fußball, aber das Wichtigste ist nun die Familie.


Das Gespräch führte Alexander Karper

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