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St. Johnstone: Ein "Golfer" als Erfolgstrainer

Ex-ÖFB-Legionär Attila Sekerlioglu blickt für LAOLA1 hinter die Kulissen des LASK-Gegners:

St. Johnstone: Ein Foto: © getty

Denkt man in Österreich an den St. Johnstone FC, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass einem als erstes Attila Sekerlioglu (56) in den Sinn kommt.

In den 90ern avancierte er mit seinem Wechsel zum Verein aus Perth zum ersten rot-weiß-roten Schottland-Legionär, diverse weitere sollten ihm schon bald folgen.

St. Johnstone ist nun die letzte Hürde des LASK am Weg in die Gruppenphase der UEFA Europa Conference League, das Hinspiel steigt am Donnerstag (19 Uhr im LIVE-Ticker).

Im LAOLA1-Interview blickt Sekerlioglu auf seine Zeit bei St. Johnstone zurück und erklärt den jüngsten Aufschwung des Vereins, der eng mit einem früheren Mitspieler von ihm verbunden ist.

Wobei: Eigentlich hatte sich "Dino" ja selbst als Coach bei St. Johnstone beworben...

LAOLA1: Herr Sekerlioglu, eigentlich könnten auch Sie St. Johnstone als Trainer gegen den LASK betreuen. Immerhin haben Sie sich 2020 bei Ihrem Ex-Verein als Coach beworben.

Attila Sekerlioglu (grinst): Ich habe mir gedacht, dass man das ja mal probieren kann. Es ist halt nichts daraus geworden. Aber das wäre eine Geschichte gewesen! Zuerst Spieler dort, dann vielleicht auch Trainer. Ich war dort Publikumsliebling, es wären sicher noch mehr Leute ins Stadion gekommen (lacht).

LAOLA1: Den Zuschlag als Nachfolger von Langzeit-Coach Tommy Wright erhielt mit Callum Davidson ein ehemaliger Mitspieler von Ihnen.

Sekerlioglu: Der war damals ein junger Bua, 20 Jahre alt. Er hat linker Verteidiger gespielt, war eine richtige Maschine, unheimlich ehrgeizig, schnell, keine Angst vor Zweikämpfen. Er hat dann einen Rekordtransfer für den Verein hingelegt, ist um 2,5 Millionen Euro zu Blackburn gewechselt. Wobei er nicht nur Fußball spielen konnte.

LAOLA1: Inwiefern?

Sekerlioglu: Er war damals einer der besten Nachwuchs-Golfer. Wir haben immer zu ihm gesagt: "Geh Golf spielen, da bist immer schön angezogen!" Er hat dann stets gemeint: "Nana, ich hab‘ den Fußball so gern." Dort hat er dann auch Karriere gemacht, zwar nie bei absoluten Top-Vereinen, aber in der Premier League und der Championship in England.

Davidson ist übrigens bis heute souverän der Rekord-Transfer des FC St. Johnstone. Außer ihm knackten nur zwei weitere Spieler die Millionen-Schallmauer – Stevie May 2014 und Billy Dodds 1994 brachten jeweils eine Million Euro an Ablöse ein.

Als Trainer scheint der inzwischen 45-Jährige ebenso ein Glücksfall zu sein. Denn gleich in seinem ersten Jahr eroberte er mit St. Johnstone sowohl den FA-Cup als auch den League Cup. Zwei Trophäen in einer Saison sind herausragend für einen Verein, der es davor auf einen FA-Cup-Sieg 2014 gebracht hatte.

Davidson war von 2013 bis 2018 bereits jahrelang Co-Trainer bei St. Johnstone, ehe er in den beiden Saisonen darauf in selber Funktion Erfahrung bei Stoke City, Dunfermline und Millwall sammelte.

LAOLA1: Sind diese Titel auf Davidson zurückzuführen, oder hat der Verein generell eine gute Entwicklung hingelegt?

Sekerlioglu: In meinen Augen war er erst als Spieler ein Glückstreffer für den Verein und jetzt als Trainer, da er gleich alle zwei Pokale heimgebracht hat. Callum ist einer von ihnen, also haben sie ihn genommen. In der Meisterschaft haben sie eigentlich gar nicht so berühmt gespielt und es nur mit Ach und Krach ins obere Playoff geschafft. Aber im League Cup und im FA-Cup waren sie immer voll da. Das ist ein Team, das sich bei gewissen Matches unheimlich steigert. Das beste Beispiel war das FA-Cup-Viertelfinale auswärts bei den Glasgow Rangers.

LAOLA1: Das Spiel ging ins Elfmeterschießen.

Sekerlioglu: In der 117. Minute sind die Rangers 1:0 in Führung gegangen, in der 123. Minute hat im Prinzip der Tormann per Kopf den Ausgleich gemacht, auch wenn das Tor als Abstauber einem Stürmer zugesprochen wurde. Im Elferschießen hat der Goalie dann noch zwei Elfmeter gehalten. Bei den wichtigen Spielen waren sie immer top da. Spielerisch war es vielleicht nicht immer das Gelbe vom Ei, aber sie haben unheimlich diszipliniert gespielt. Gut, für den Gewinn der Meisterschaft wird es nie reichen bei eineinhalb Millionen Pfund an Budget, das ist ganz minimal. Aber daraus machen sie wirklich das Maximum.

LAOLA1: Die beiden Platzhirsche Celtic und Rangers sind in der Liga wohl unerreichbar. Sind das auch die Vereine, die man als Rivalen betrachtet?

Sekerlioglu: Für St. Johnstone sind die Rivalen FC Dundee und Dundee United. Die sind ungefähr 20 Minuten entfernt, das sind die Derbys. Gegen Celtic und die Rangers mit ihren Riesen-Stadien bist du immer Außenseiter. In Schottland gibt es eben diese Zwei-Klassen-Gesellschaft mit diesen beiden Vereinen und dann kommt lange nichts. Dort vor 60.000 Fans zu spielen, war auch für mich eine andere Welt.

Sekerlioglu wechselte im Jänner 1996 vom FC Tirol kommend zum damaligen Zweitligisten, mit dem er in seiner ersten vollen Saison 1996/97 mit 20 Punkten Vorsprung den Aufstieg in die höchste Spielklasse geschafft hat. Dort belegte man 1997/98 einen guten fünften Platz.

Der langjährige Austrianer war der erste Österreicher in Schottland und hat bis zum heutigen Tag eine enge Verbindung mit seinem damaligen Arbeitgeber, dessen Spiele er via Internet oder TV verfolgt.

LAOLA1: Was macht für Sie seit 25 Jahren die Faszination dieses Vereins aus?

Sekerlioglu: Wenn man einmal dort gespielt hat, bleibt die Verbundenheit aufrecht und man verfolgt es auch aus der Ferne. Dasselbe wäre es aber auch gewesen, wenn ich in Amerika oder sonst wo gespielt hätte. Bei Franz Wohlfahrt mit dem VfB Stuttgart oder Andreas Ogris mit Espanyol ist es ja nichts anderes.

LAOLA1: Damals war ein Wechsel für österreichische Fußballer auf die Insel noch nichts Selbstverständliches. Wie ist das zustande gekommen?

Sekerlioglu: Ich war der Erste. Mein Berater hat mir mitgeteilt, dass der Verein einen Spieler sucht. Wir waren mit Tirol in der Winterpause, ich bin raufgeflogen, habe mittrainiert, ein Mal gespielt und ein Tor gemacht. Ich wollte immer schon ins Ausland, so hat es sich ergeben. Es hat von Anfang an alles gepasst.

LAOLA1: Stimmt es, dass Sie dort eine offensivere Rolle als in Österreich hatten?

Sekerlioglu: Bei der Austria oder in Tirol war ich doch eher der Defensivere, dort habe ich in einem reinen 4-4-2 im Mittelfeld gespielt. Da ich damals noch sehr laufstark war, wurde es eine gute Ehe. Denn dort hast du wirklich sehr laufstarke Leute gebraucht (grinst).

LAOLA1: Der schottische Fußball der 90er galt als eher rustikal. Wie war es wirklich?

Sekerlioglu: Naja rustikal – ich würde eher sagen unheimlich schnell, speziell dann in der Premiership. In der First Division sind wir mit 20 Punkten Vorsprung Meister geworden, im Jahr drauf oben war die Intensität dann schon sehr hoch. Im Training gibt auch jeder wirklich Stoff, damit er am Samstag spielt.

LAOLA1: Wurden Sie als Österreicher mit offenen Armen empfangen oder herrschte anfangs eher Skepsis?

Sekerlioglu: Du musst deine Leistung bringen, dann bist du willkommen. Ich war dort Publikumsliebling – auch danach noch. Ich war vor drei Jahren das letzte Mal oben. Da haben sie mich in der Halbzeit aufgerufen und alle sind gestanden (lacht).

LAOLA1: Ihr Spitzname bei St. Johnstone lautet „Dino“. Wie kam es dazu?

Sekerlioglu: So hat mich beim Training einmal der Trainer gerufen. Ich habe mich umgedreht, hinter mir war aber keiner. Irgendwer von der Zeitung hat das gehört, dann ist es halt dabei geblieben. Bei den Leuten im Stadion oder in der Zeitung hieß ich eben so. Jeder hat gewusst, wer gemeint ist.

LAOLA1: Wie pflegen Sie den Kontakt mit den Anhängern bis heute?

Sekerlioglu: Zum Beispiel als DJ Dino Attila. Ich lege immer wieder auf Twitch Musik auf. Da sind auch viele Fans von St. Johnstone dabei. Das ist immer recht ein Theater.

LAOLA1: Warum haben Sie sich 1998 von St. Johnstone verabschiedet, obwohl es gut gepasst hat?

Serkerlioglu: Einerseits wollte ich einen Zweijahres-Vertrag, sie wollten aber nur mehr um ein Jahr verlängern. Außerdem war ich die ganze Zeit alleine oben. Ich war bereits 33 Jahre alt, mein Sohn ist in eine höhere Schule gekommen, also bin ich wieder zurück. Ich hätte einfach viel früher dorthin müssen, mit 24 oder 25 Jahren. Dann hätte ich vielleicht auch den Sprung nach England geschafft. Aber dem weine ich nicht nach. Für mich hat es gepasst, es war einfach super.

1998 unterschieb Sekerlioglu bei Untersiebenbrunn und ließ in den Folgejahren seine Karriere bei kleineren Vereinen ausklingen.

Am Donnerstag wird der 56-Jährige beim Heimspiel des LASK gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber im Stadion sitzen.

Als Insider dient er im Vorfeld dieses Duells natürlich nicht nur hierzulande, sondern auch in der früheren Wahlheimat. „Der von der Zeitung“ habe bereits angerufen, um sich bei ihm über den LASK zu erkundigen.

Für beide Vereine steht ein Startgeld von 2,94 Millionen Euro auf dem Spiel.

LAOLA1: Wie schätzen Sie die Chancen zwischen LASK und St. Johnstone ein?

Sekerlioglu: St. Johnstone hat in der Türkei bei Galatasaray 1:1 gespielt. Das war sicherlich nicht zu erwarten. Da werden die Wettbüros ein bisschen Geld verdient haben, weil sicher alle auf Galatasaray gesetzt haben. Daheim haben sie dann leider 2:4 verloren. Der LASK schwebt aktuell auch nicht gerade auf Wolke 7, also erwarte ich eine enge Geschichte. Für St. Johnstone wäre es natürlich großartig, wenn sie erstmals in eine europäische Gruppenphase einziehen würden.

LAOLA1: Vor allem finanziell.

Sekerlioglu: Vom Startgeld könnten sie zwei Saisonen leben. Als ich dort war, war der Vater des jetzigen Präsidenten der Vereins-Boss, jetzt macht es eben sein Bua weiter. Es ist ein kleiner, bodenständiger Verein, der nicht über seinen Verhältnissen lebt. Wenn nicht mehr geht, geht eben nicht mehr.

LAOLA1: Stellt sich die Frage: Drücken Sie hier dem österreichischen Vertreter oder dem Ex-Arbeitgeber die Daumen?

Sekerlioglu: Bei dieser Konstellation beiden Seiten. Für den österreichischen Fußball wäre es gut, wenn in den Gruppenphasen so viele wie möglich dabei wären, zu Salzburg, Rapid und Sturm also auch der LASK. Das ist eh klar. Am Donnerstag werde ich einer der wenigen sein, der mit dem Auswärts-Leiberl von St. Johnstone im Stadion sitzt (lacht).

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