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Janko: "Dann können wir aus Europa auswandern"

Atomkraft, Flüchtlinge oder Facebook: Marc Janko vertritt auch abseits des Platzes seine Meinung. LAOLA1-Talk:

Janko:

Das ÖFB-Sorgenkind im Hinblick auf das Ungarn-Spiel ist Marc Janko.

Der Star-Stürmer des ÖFB-Teams trainiert voll mit. In welcher Verfassung er wirklich ist, wird sich wohl erst beim EURO-Auftaktspiel weisen.

Eines ist jedoch gewiss: Im Laufe seiner Karriere hat der 32-Jährige schon oftmals die Qualitäten eines Stehaufmännchens bewiesen. Auch nach Verletzungen.

"Je mehr Verletzungen man hatte, desto schöner und heroischer sind die Geschichten über das Comeback", verdeutlicht Janko im LAOLA1-Interview.

Fußball-Österreich wünscht sich natürlich, dass der Goalgetter in Bordeaux diesen Geschichten ein weiteres Kapitel hinzufügt. Aber auch abseits des Platzes hat der 1,96-Meter-Riese diverse Stories auf Lager, etwa über Atomkraftwerke, Flüchtlinge und Facebook. 

LAOLA1: Deine Karriere ist begleitet von Höhen und Tiefen. Bist du ein Spieler, der diese Extreme sucht und herausfordert?

Marc Janko (schmunzelt): Vielleicht ist der Grund, dass ich Österreicher bin. Denn in Österreich gibt es ja nur schwarz und weiß. Nein, ernsthaft: Warum das so ist, kann ich nicht beantworten. Es war bislang eine sehr aufregende Reise, die ich machen durfte. Ich habe viele Erfahrungen  gesammelt, viele neue Kulturen kennengelernt und auch viele dunkle Zeiten erlebt. Darum ist es umso schöner, heute hier zu sitzen, auf alles zurückblicken und sagen zu können: Man hat das hinter sich gelassen und bewältigt. Das gibt einem ein gewisses Gefühl an Gelassenheit und Souveränität.

LAOLA1: Ist das eigentlich gerade, wenn man die Vielzahl der Tore in der EM-Qualifikation oder in Basel sieht, die beste Phase deiner Karriere?

Janko: Auf jeden Fall eine meiner besten. Es gab schon auch andere Zeiten, in denen es sehr gut gelaufen ist. Aber mit all den Geschichten, die mir in jüngster Vergangenheit widerfahren sind, ist es auf jeden Fall eine angenehme Hochzeit.

LAOLA1: Woher nimmt man die Kraft, wenn man unten ist und teilweise schon abgeschrieben wurde, wieder aufzustehen?

Janko: Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich kann nur immer wieder darauf hinweisen, dass auf jeden Fall mein Umfeld einen großen Anteil daran hat – meine Frau, meine Familie, natürlich auch meine Freunde, die immer zu mir gestanden sind. Es klingt extrem banal, wenn man sagt, man muss einfach probieren, immer positiv zu bleiben. Das klingt einfacher, als es im Endeffekt ist. Es gibt auch Zeiten, in denen du an dir zweifelst, Ängste und Unsicherheiten durchlebst. Aber im Großen und Ganzen ist es mir gelungen, das als eine Art Herausforderung zu sehen. So sehe ich das auch bei Verletzungen. Je mehr Verletzungen man hatte, desto schöner und heroischer sind die Geschichten über das Comeback. Also habe ich mir bei jedem Rückschlag gesagt: Ich nehme das jetzt so an und probiere, mich nicht hängen zu lassen – und wenn ich wieder rauskomme, habe ich eine Geschichte mehr zu erzählen.


LAOLA1: Solche Geschichten hast du definitiv genug zu erzählen. Aber wie bleibt man positiv, wenn dir der Trainer wie in der Türkei sagt, eigentlich brauche ich dich nicht mehr, bitte verlasse den Raum.

Janko: Das ist ja wie bei jedem „normalen“ Menschen auch. Wenn man vor Schwierigkeiten gestellt wird oder Schicksalsschläge passieren, hat man immer die Möglichkeit: Entweder nimmt man das jetzt so an und probiert das „Beste“ daraus zu machen, nach vorne zu schauen und sich nicht hängen zu lassen. Oder man ergibt sich in Selbstmitleid und raunzt herum. Ich war stets der Meinung, dass es weder mir noch der Sache hilft, wenn man in Selbstmitleid versinkt. Deshalb habe ich mich immer für Ersteres entschieden.

LAOLA1: Haderst du eigentlich noch mit der Türkei oder ist es mittlerweile so, dass du das Ganze schon mit einem Augenzwinkern betrachten kannst, wenn du darüber erzählst?

Janko: Es ist auf jeden Fall, zumindest im Nachhinein, eine gute Geschichte, die man erzählen kann – auch mit dem Happy End des Siegestors im Qualifikations-Spiel gegen Schweden. Davor habe ich ein halbes Jahr alleine trainiert. Das ist schon eine gute Geschichte, wie ich finde. Auf der anderen Seite muss ich auch immer darauf hinweisen, dass es natürlich teilweise selbstverschuldet war. Wenn ich dort von Anfang an überragend gespielt und ein Tor nach dem anderen geschossen hätte, hätten die Jungs dort keine Chance gehabt, mich rauszunehmen. Ich habe einfach nicht funktioniert mit den Begebenheiten und der Art und Weise, wie dort mit einem umgegangen wurde. Ich habe sicherlich auch meinen Teil dazu beigetragen, dass es so gekommen ist. Aber ich habe Gott sei Dank viel mehr Stationen erlebt, wo es gut funktioniert hat und ich auch beweisen konnte, dass ich sehr wohl in der Lage bin, wichtig für eine Mannschaft zu sein.


LAOLA1: Definitiv in den letzten beiden Jahren in Sydney und Basel. Wird man mit größerer Erfahrung und nach zahlreichen Rückschlägen eigentlich misstrauischer bei Lob und ordnet es anders ein?

Janko: Ich würde eher sagen, man ordnet es anders ein. Klar, tendenziell tut es immer besser, wenn man Lob erfährt. Aber man sollte das genauso wie die Kritik, noch dazu wenn sie unsachlich ist, nicht überbewerten. Man muss eben mit der Zeit ein bisschen gelassener werden. Das bringt vielleicht auch das Alter mit sich, dass man nicht alle Sachen so sehr an sich heranlässt, wie das vielleicht in meinen früheren Tagen der Fall war. Damals habe ich die eine oder andere Sache möglicherweise zu persönlich genommen. Mittlerweile stehe ich bei vielen Dingen drüber und nehme es so, wie es kommt. Ob Lob oder Kritik - unterm Strich habe ich darauf nur bedingt Einfluss.

LAOLA1: Du bist ein Profi, der sich auch abseits des Fußballs bemerkbar macht, zum Beispiel als Laureus-Botschafter. Warum ist dir dieses Engagement so wichtig?

Janko: Mein soziales Engagement hat nicht mit der Ernennung zum Laureus-Botschafter angefangen. Ich habe mich in den Jahren davor auch schon immer für den wohltätigen Zweck engagiert. Meistens war es keine so große Plattform wie jetzt Laureus. In meiner Salzburger Zeit habe ich mich zum Beispiel für die österreichische Kinderkrebshilfe engagiert. Ich habe auch mal Aktionen gestartet, die teilweise nicht so viel öffentliche Aufmerksamkeit gefunden haben. Mit der Möglichkeit, Laureus-Botschafter zu sein, habe ich nun eine Plattform, wo ich viel mehr bewegen kann. Ich glaube jedoch, dass es wichtig ist, nicht nur auf den großen Bühnen etwas zu bewirken, sondern sehr wohl auch im Kleinen. Mir war es immer wichtig, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, sobald ich einen gewissen Grad an Bekanntheit erreicht habe. Das ist mir einfach ein Bedürfnis.

"Momentan ist die Flüchtlings-Thematik natürlich eine unglaublich brisante, zu der viele Menschen eine Meinung äußern – teilweise nicht gut informiert und bisweilen auch über das Ziel hinausgeschossen, wie ich finde."

Marc Janko

LAOLA1: Wie sehr erdet es, wenn man zum Beispiel mit Flüchtlingskindern Fußball spielt?

Janko: Natürlich sehr, wenn man die Geschichten hört, die ihnen widerfahren sind. Teilweise sind sie seit drei Jahren auf der Flucht gewesen. Momentan ist das natürlich eine unglaublich brisante Thematik, zu der viele Menschen eine Meinung äußern – teilweise nicht gut informiert und bisweilen auch über das Ziel hinausgeschossen, wie ich finde. Laureus engagiert sich jedoch nicht nur für Flüchtlinge, sondern generell für Kinder, und ermöglicht ihnen den Zugang zum Sport. Man muss Sport als Erziehungs-Tool sehen, das ihnen die Chance gibt, einen Rhythmus und Perspektiven in ihrem Leben zu finden. Ich glaube, das ist eine immens gute Sache. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wertvoll Sport sein kann, wie er Grenzen und Berührungsängste sprengen kann. Es ist eine absolut gelungene Sache, für die ich mich sehr gerne einsetze.

LAOLA1: Fußballer sind mit ihrer Vorbildfunktion im Prinzip prädestiniert dafür, sich zu gesellschaftspolitischen Themen zu äußern. Es passiert trotzdem relativ selten. Worauf führst du das zurück? Herrscht vielleicht ein wenig die Angst, dass man missverstanden wird oder mit seiner Meinung nicht den Massengeschmack trifft?

Janko: Das weiß ich nicht. Ich habe auch die Maxime, mich – zumindest so lange ich aktiv bin – politisch nicht so spezifisch zu äußern, dass ich mich in eine Partei hineindrängen lasse. Aber ab und zu versuche ich sehr wohl, generelle Sachen anzusprechen. Ich habe zum Beispiel auf meinem Twitter-Kanal gepostet, dass ich es nicht besonders sexy finde, wenn überlegt wird, löchrige oder problemanfällige Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Das fand ich nicht gerade beruhigend. Oder eben die Flüchtlings-Thematik. Ich habe dazu vor einigen Monaten in den „Salzburger Nachrichten“ einen Kommentar geschrieben, in dem ich meine Meinung dazu gegeben habe, ohne irgendeine Partei zu unterstützen. Das ist eine Sache, bei der ich finde, dass jeder Mensch Stellung beziehen sollte – speziell jene in der Öffentlichkeit, um Vorbildwirkung für junge Menschen zu zeigen. Solche Sachen gehen uns alle etwas an. Wenn bei einem Atomkraftwerk etwas schief geht, leiden wir alle darunter. Dann können wir aus Europa auswandern.

LAOLA1: Warst du erstaunt, dass es wiederum medial erstaunt zu Kenntnis genommen wurde, dass du dich zu solchen Themen äußerst? Mir kommt manchmal vor, dass sich Fußballer laut öffentlicher Erwartungshaltung zu nichts anderem äußern dürfen als zum Fußball-Geschäft…

Janko: Ich würde nicht sagen, dass wir das nicht dürfen. Es machen einfach wenige. Warum das so ist, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht ist es ihnen nicht so ein großes Bedürfnis oder sie fühlen sich zu unsicher, weil sie vielleicht zu wenig Wissen haben, um sich zu äußern. Dann finde ich es wiederum gut, wenn man sich nicht äußert. Denn wenn man zu wenig Hintergrund-Info hat, sagt man vermutlich besser gar nichts. Aber stimmt schon, teilweise bin ich überrascht, welche Dimensionen das annimmt, wenn darüber berichtet wird: „Der Janko hat jetzt über das und das getwittert oder über das und das geschrieben.“ Auch die Rückmeldungen der Leute auf meine Statements überraschen mich teilweise. In den sozialen Netzwerken gibt es Befürworter, man erfährt aber auch schnell mal eine gewisse Art von Gegenwind. Größtenteils ist es sehr, sehr positiv, aber hin und wieder sind ein paar Meldungen dabei, wo ich mir denke: komplette Themenverfehlung (schmunzelt).


LAOLA1: Manche Fußballer sind in den sozialen Medien sehr aktiv, andere trauen sich nicht so. Du begreifst sie eher als Chance, oder?

Janko: Es ist mittlerweile ein Tool, um das man nicht herumkommt, wenn man ein bisschen Interaktion mit seinen Fans haben will. Auf der anderen Seite glaube ich, dass soziale Netzwerke, speziell Facebook-Postings, mittlerweile einer modernen Fahrerflucht gleichkommen. Denn im Endeffekt können sich die Leute einen Fake-Namen zulegen und alles loslassen, ohne irgendwie geahndet zu werden. Junge Leute lassen das vielleicht zu sehr an sich heran, nehmen sich solche Kommentare zu sehr zu Herzen. Das ist für einen jungen Menschen nicht immer einfach zu verkraften – auch für ältere, wenn man es falsch einordnet. Da geht es mir nicht alleine so, ich denke, so geht es vielen Leuten. Es ist immer eine Frage der Perspektive. Man muss es richtig einordnen, womit wir wieder beim Thema Gelassenheit wären.

"Ich bin wahnsinnig gerne Österreicher. Ich erkenne inzwischen aber, dass es auch andere Lebensweisen oder Kultur-Auffassungen gibt. Man kann an Dinge auch anders herangehen als der klassische Österreicher."

Marc Janko

LAOLA1: Du bist ziemlich herumgekommen, hast in fünf Ländern gelebt. Verändert das den Blick auf Österreich?

Janko: Auf jeden Fall. Ich habe viele Kulturen hautnah miterleben dürfen und viele Leute kennengelernt, die teilweise auch andere Ansichten haben. So erweitert man Stück für Stück seinen Horizont und entwickelt im Laufe der Zeit einen anderen Blickwinkel auf Sachen. Mein Bezug zu Österreich ist so, dass ich wahnsinnig gerne Österreicher bin. Darauf bin ich sehr stolz. Ich erkenne inzwischen aber, dass es auch andere Lebensweisen oder Kultur-Auffassungen gibt. Man kann an Dinge auch anders herangehen als der klassische Österreicher. Ich habe probiert, mir aus jeder Kultur etwas mitzunehmen und mein Leben danach auszurichten.

LAOLA1: Der eine oder andere Legionär wird nach seiner Karriere im Ausland bleiben. Ist es für dich fix, dass du nach Österreich zurückkehren wirst oder besteht die Möglichkeit, dass du bleibst?

Janko: Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass ich zumindest den Großteil des Jahres in Österreich verbringen werde. Wo der andere Teil sein wird, da probieren meine Frau und ich noch das Richtige herauszufinden. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.

Das Gespräch führte Peter Altmann




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