Für Frankreichs Ligakrösus Paris Saint-Germain läuft es sportlich in der aktuellen Saison so gut wie schon lange nicht mehr.
Der Meistertitel in der Ligue 1 ist längst in trockenen Tüchern, zudem steht man im Coup de France im Endspiel und hat gegen Stade Reims die Chance, sich zum 16. Mal zum französischen Pokalsieger zu krönen.
Der ganz große Wurf in der UEFA Champions League fehlt den "Parisiens" jedoch noch, wobei es in der Königsklasse aktuell wie am Schnürchen läuft.
Gegen den FC Arsenal hat die Elf von Cheftrainer Luis Enrique nach dem 1:0-Erfolg im Halbfinal-Hinspiel alle Trümpfe selbst in der Hand, um erstmals seit der Saison 2019/20 in das CL-Endspiel einzuziehen.
Champions-League-Halbfinale: PSG - FC Arsenal, Mittwoch, ab 21:00 Uhr im LIVE-Ticker >>>
Doch woran liegt es, dass für die Pariser in der laufenden Spielzeit neben Meister und Pokalsieg gar vielleicht das erste Triple der Klubgeschichte möglich ist? LAOLA1 hat sich auf Spurensuche begeben und analysiert die Erfolgsfaktoren, die PSG momentan so stark machen:
Grund #1: Abgang der Superstars - Chance statt Bruch
Der Abschied wie jener von Superstar Kylian Mbappé im Sommer 2024 markierte rückwirkend betrachtet einen symbolischen, wie sportlichen Wendepunkt für PSG.
Statt in eine Art erfolgloses Vakuum zu stürzen, nutzte der Klub jene Umstrukturierung als einen Neuanfang, der einen in Paris bisher unbekannten Weg bringen sollte.
Mit dem Abgang zahlreicher weiterer Stars, wie Lionel Messi und Neymar Jr., rückte man von dem Plan und auch von dem Image ab, die Elite des Weltfußballs regelrecht zu horten, wodurch man des Öfteren in Verruf geriet, essenzielle Bestandteile wie einen guten Teamgeist hinten anzustellen.
Was noch vor nicht allzu langer Zeit einem Prestigeprojekt glich, ist heute ein funktionierender, eingespielter Mannschaftskern, der für ein neues PSG steht, das von klaren Prinzipien und jungen Talenten geprägt ist.
Grund #2: Cheftrainer Enrique als "Architekt"

Ein solcher Umbruch benötigt nicht nur Mut, sondern auch eine klare Handschrift auf der Trainerbank.
Luis Enrique, der seit Sommer 2023 das Zepter bei den Parisern schwingt, versuchte seit seinem Amtsantritt ein ein ballbesitzorientiertes, hochpressendes System mit klaren Rollen zu etablieren. Und dies zeigt spätestens in dieser Saison seine Wirkung.
In bislang 53 Saisonspielen holte man stolze 39 Siege und ging wettbewerbsübergreifend nur sieben Mal als Verlierer vom Feld. Besonders die Torstatistik der Pariser ist bemerkenswert: Mit 143 Treffern erzielte man im Schnitt rund 2,7 Tore pro Spiel, kassierte jedoch nur 1,1 Gegentore pro Partie.
Diese Werte unterstreichen, dass die Mannschaft unter Enrique nicht nur offensiv enorm gefährlich ist, sondern auch defensiv die nötige Stabilität aufweist.
Enrique ist es somit gelungen, eine Struktur zu schaffen, in der junge und hungrige Talente ihre Stärken gezielt einbringen können - ohne dass man von einem mit früheren Tagen vergleichbaren Star-Ensemble abhängig ist.
Grund #3: Junge Talente statt Millionenzirkus
Apropos junge Talente: Auf diese setzt PSG in der Neuausrichtung ganz besonders.
Nicht mehr durch reine Hammer-Transfers wie einst, sondern von Spielern mit Entwicklungspotenzial will man sich auch in Zukunft auf der europäischen Fußballbühne behaupten und so gleichzeitig hungrigen Juwelen eine Chancen geben, sich zu entfalten.
Besonders hervorzuheben sind dabei Spieler wie das erst 19-jährige Eigengewächs Warren Zaire-Emery, das bereits im Sommer 2022 für die Kampfmannschaft debütierte, sich über die Zeit hinweg zu einer wichtigen Stammkraft etablieren konnte und zur Kaderverjüngung der Pariser, dessen Durchschnittsalter bei gerade einmal rund 23,3 Jahren liegt, beiträgt.
Mit Désiré Doué, der für 50 Millionen Euro von Stade Rennes kam, sich sofort integrierte und mit seiner Dynamik überzeugt, hat PSG zudem ein weiteres Juwel im zarten Alter von 19 Jahren an Bord geholt, das ideal zur neuen Philosophie der Pariser passt.
Und dann wäre da noch Ibrahim Mbaye, der mit gerade einmal 16 Jahren für die Kampfmannschaft debütierte und als großes Talent für die Zukunft gilt. Der flinke Offensivspieler bringt nicht nur Tempo und Technik mit, sondern auch bemerkenswerte Reife im Spiel mit und ohne Ball. PSG schenkt ihm – wie vielen anderen – nicht nur Spielzeit, sondern auch das nötige Vertrauen.
Grund #4: Erfolg durch taktische und mentale Stärke

Der Erfolg dieser Saison lässt sich jedoch nicht nur durch Kaderpolitik erklären, sondern auch durch die gewachsene mannschaftliche Reife.
Unter Enrique agieren die Pariser meist in einem flexiblen 4-3-3 oder 3-2-5 im Aufbau, mit pressingresistenter Struktur und klarem Positionsspiel.
Auch physisch gehört PSG zur europäischen Spitze: Spieler wie Zaïre-Emery, Achraf Hakimi, oder Top-Torjäger Ousmane Dembele glänzen mit hoher Laufbereitschaft und Zweikampfstärke – ein Aspekt, bei dem PSG früher des Öfteren Defizite aufwies.
Und schließlich gibt es noch die mentale Komponente, durch die man immer wieder Stärke beweist. So drehte man im Achtelfinale der laufenden CL-Saison einen 0:1-Rückstand gegen den FC Liverpool aus dem Hinspiel und verwandelte diesen in den Aufstieg in die Runde der letzten Acht.
Grund #5: Der "Ewing-Effekt"
Doch wie lässt sich nun allgemein erklären, dass eine Mannschaft wie PSG ohne eine Fülle an namhaften Topstars, durch die der Kader der "Parisiens" lange Zeit genährt war, nun besser funktioniert als zuvor?
Eine Erklärung dafür liefert der sogenannte "Ewing-Effekt", benannt nach Ex-NBA-Star Patrick Ewing.
Dieser besagt, dass eine Mannschaft ohne große Stars eingeschworener und grundlegend bessere Leistungen erzielt, da die übrigen Spieler unter anderem mehr Verantwortung übernehmen und auch die taktische Ausrichtung besser auf die gesamte Mannschaft angepasst wird.
Dass jener Effekt bei PSG aktuell gut zu erkennen ist, lässt sich wohl nicht von der Hand weisen. Mit jungen, hungrigen Spielern will man im Kollektiv den ganz großen Wurf in der laufenden Spielzeit landen.
Ob es am Ende allerdings tatsächlich für das erste Triple der Vereinsgeschichte reicht, bleibt abzuwarten. Gegen den FC Arsenal hat man im Rückspiel am Mittwoch (ab 21 Uhr/LIVE-Ticker >>>) zumindest einmal die große Chance, den ersten Finaleinzug seit fünf Jahren perfekt zu machen.
So geschlossen, strukturiert und zielstrebig wie in dieser Saison hat sich PSG seit Jahren nicht mehr präsentiert. Das allein ist bereits ein beachtlicher Fortschritt - und vielleicht der Beginn einer neuen Ära.